Berlin-Marathon 1995: „Ich widme dieses Rennen den Menschen in Berlin.”

Von Jörg Wenig
Freude teilen... Berlin Marathon 1995. © Bongarts Sportfotografie GmbH
Freude teilen… Berlin Marathon 1995. © Bongarts Sportfotografie GmbH

Eine Rekordkulisse von mehr als einer Million begeisterter Zuschauer füllte die Straßen von Berlin anlässlich des Marathons 1995 – und sie wurden nicht enttäuscht. Das Frauen- wie auch das Männerrennen brachten phantastische Ergebnisse hervor.

Sollte es Zweifel daran gegeben haben, dass Uta zu den besten Marathonläuferinnen der Welt zählte, so hat sie diese mit ihrer Siegeszeit von 2:25:37 Stunden ausgeräumt. Bei den Männern erbrachte der Kenianer Sammy Lelei, der von Utas Coach und Partner Dieter Hogen trainiert wurde, das zweitschnellste Ergebnis aller Zeiten in 2:07:02 Stunden. Nur der äthiopische Weltrekordhalter, Belayneh Dinsamo, war mit 2:06:50 Stunden noch schneller gewesen. Es waren 16.677 Läufer aus 62 Nationen am Start.

Uta, die in der ehemaligen DDR aufgewachsen war, empfand den Sieg in ihrer Heimatstadt – wo es keine Trennung mehr zwischen dem Ost- und Westteil gab, als fast ebenso aufregend wie bei ihrem ersten Lauf anlässlich der Wiedervereinigung Deutschlands fünf Jahre zuvor. „Es war ein unglaubliches Gefühl, in meiner Heimatstadt zu gewinnen”, sagte sie später. „Ich widme dieses Rennen den Menschen in Berlin.”

Auch über ihre Zeit war Uta sehr glücklich, obwohl ihr Traum von einer neuen Jahresweltbestzeit nicht in Erfüllung gegangen war. Im Frühjahr war sie in Boston 2:25:11 Stunden gerannt und nun 2:25:36 Stunden in Berlin.

Uta hatte immer die Trainingsqualität der kenianischen Männer bewundert, mit vielen von ihnen trainierte sie in Boulder, Colorado (USA), wie beispielsweise mit Sammy Lelei und Sammy Nyangincha. Die größte Herausforderung über weite Teile des Rennens stellte für Uta die Kenianerin Angelina Kanana dar. Angelina startete das Rennen in Weltrekordtempo, passierte die 10-Kilometermarke in 33:26, und damit 12 Sekunden vor der Berlinerin. „Aber mir war klar, dass sie dieses Tempo nicht würde halten können“, sagte Uta. Und so kam es auch. Uta schloss auf und zog bei Kilometer 20 nach 1:42:14 Stunden an Angelina vorbei.

Krämpfe im Oberschenkel machten Utas Versuch, eine neue Jahresweltbestzeit aufzustellen, zunichte und zwangen sie, das geplante Tempo zu drosseln. „Schon ein paar Tage vor dem Rennen machten sich Anzeichen für Krämpfe bemerkbar und dazu kam noch ein wenig Durchfall“, erzählte sie später. „Und es ist mir nicht gelungen, meine Wasserflasche an den ersten Verpflegungsstationen zu holen.”

Aber trotz dieser Probleme gelang Uta, die fortwährend mit „Uta, Uta”-Rufen angefeuert wurde, ein beeindruckender Heimsieg. Kanana kam als Zweite in 2:27:41 Stunden ins Ziel. Nach 1990 und 1992 war dies Utas dritter Triumph in Berlin und ihr fünfter großer Marathonsieg infolge. Nach Berlin im Jahr 1992 folgte 1993 der Sieg in New York, danach 1994 in Boston (mit einem deutschen Rekord von 2:21:45), 1995 wieder in Boston und jetzt erneut in Berlin.

Für Dieter Hogen, der nicht nur den Sieger der Männer, Sammy Lelei, trainierte, sondern auch den viertplatzierten Sammy Nyangincha (2:09:35) – ebenfalls aus Kenia – war dies ein großartiger Triumph. Beide Männer hatten mit Uta in Boulder trainiert – und Sammy verpasste den Weltrekord um 12 Sekunden und sorgte damit weltweit für Furore. „Wir haben es gewagt, weil die Bedingungen einfach perfekt waren“, kommentierte Hogen den Weltrekordversuch der Männer.

Horst Milde, Ehren-Race-Director des Berlin-Marathon, fasste diesen unglaublichen Marathon-Tag so zusammen: „Ein Rennen mit solchen Ergebnissen kommt einmal in zehn Jahren vor.“