Berlin-Marathon 1990: Mit einer Gänsehaut durchs Brandenburger Tor

Von Jörg Wenig
Berlin Marathon 1990 © Laufzeit 4/’91
Berlin Marathon 1990 © Laufzeit 4/’91

Es ist kein Wunder, dass der Berlin-Marathon einen ganz besonderen Platz in Utas Herz einnimmt. Es war der erste große Triumph in ihrer Läuferkarriere an einem ganz besonderen Tag für Deutschland und die Welt sowie für den Marathonsport. Am 30. September 1990 gewann Uta in ihrer Heimatstadt den Berlin-Marathon. Die Berliner Mauer war gefallen und bis zur historischen Wiedervereinigung waren es nur noch drei Tage. Zum ersten Mal führte der Berlin-Marathon durch beide Teile der einst geteilten Stadt und durch das Brandenburger Tor.

Für die damals 25-Jährige war dieser Marathon ein zutiefst emotionales und einzigartiges Erlebnis. Uta rannte gemeinsam mit 25.000 Läufern durch die einst geteilte Stadt und gewann in der Streckenrekordzeit von 2:28:37 Stunden. „Als ich durch das Brandenburger Tor in den Ostteil der Stadt lief, bekam ich eine Gänsehaut. Mir lief ein Schauer über den Rücken, ein Abschnitt ging zu Ende”, berichtete Uta später über ihre Gefühle bei dem Rennen. Viele der Läufer rannten mit Tränen im Gesicht durch die frühere Nahtstelle zwischen Ost und West.

Um acht Sekunden verbesserte Uta den Streckenrekord der finnischen Vorjahressiegerin Päivi Tikkanen. Die Finnin war ebenfalls im Rennen und hatte vom Start weg für Tempo gesorgt. Die Holländerin Carla Beurskens war die Erste, die das Tempo nach rund fünf Kilometern nicht mehr mitgehen wollte, doch dann bekam Tikkanen selbst Probleme. Bei 15 km gab die Finnin auf, sie bekam Magenschmerzen.

© Laufzeit 4/’91
© Laufzeit 4/’91

Uta sollte den Berlin-Marathon im Alleingang gewinnen. Allerdings wurde es am Ende noch einmal knapp. Denn Renata Kokowska hatte den Rückstand bei Kilometer 38 auf 13 Sekunden reduziert. Der Polin gelang dies praktisch unbemerkt. Uta ging zu diesem Zeitpunkt noch von einem komfortablen Vorsprung auf Carla Beurskens aus. Doch Utas Trainer Dieter Hogen, der ihr zuvor stets einen Vorsprung von rund einer Minute zugerufen hatte, hatte die Polin nicht als Frau erkannt.

Erst knapp fünf Kilometer vor dem Ziel erkannte er Renata Kokowska. „Plötzlich rief Dieter nicht mehr ,eine Minute’, sondern nur noch ,15 Sekunden’. Er hatte zuvor gedacht, Renata wäre ein Mann. Ich geriet nicht in Panik. Allerdings musste ich kämpfen, denn ich wurde müde. Die lange Saison machte sich bemerkbar”, erzählte Uta.

Mit 13 Sekunden Vorsprung gewann Uta, die damals für die LG Stuttgarter Kickers startete, allerdings schon wenige Monate später das Trikot des Berlin-Marathon-Veranstalters SCC Berlin tragen sollte. Es war der erste einer Reihe von großen Marathonsiegen von Uta. Und als sie durch das Brandenburger Tor lief, war das wie ein Startschuss für eine große Zukunft: „Ich merkte, dass es jetzt Zeit war nach vorne zu schauen und nicht mehr zurück. Es war für mich ein Neuanfang.“