Möchten Sie besser laufen? Dann entspannen Sie sich!
So laufen Sie entspannt
So können Sie Ihren Körper für das Laufen kräftigen
Nehmen Sie Veränderungen langsam vor
Ihre Checkliste für einen entspannten Laufstil
Vielleicht haben Sie sich entschieden, den ,magischen Schritt’ zu tun, und möchten nun häufiger und schneller laufen! Sie haben schon damit begonnen, regelmäßig zu trainieren, haben einen guten Laufschritt gefunden, und möglicherweise kamen dabei Fragen über Ihren Laufstil auf: Bewege ich meine Arme richtig? Sind meine Schultern entspannt? Sie mögen sich auch gefragt haben, ob es eine ideale Lauftechnik gibt, und ob es Sinn macht, diese zu erlernen, um ihren Laufstil zu optimieren.
Antworten zu diesen und ähnlichen Fragen, sowie Aspekte der Laufschule werden ständig und immer wieder aufs Neue von Trainern, Wissenschaftlern, Athleten und Freizeitsportlern diskutiert. Nicht immer trifft man auf gleiche Meinungen, und ich kann mir vorstellen, dass auch Sie sich mit verschiedenen Ansichten beschäftigt haben. Ich wollte mich der Diskussion anschließen, um für Sie bestehende Fragen zu klären, und widmete mich einem Teil dieser Themen erstmalig im September 2006 auf unserer Website. Damals war es eher eine Zusammenfassung aus meinen Erfahrungen als Leistungssportlerin. Inzwischen konnte ich verschiedene Aspekte und Ideen dank meiner Zusammenarbeit mit Athleten und Freizeitsportlern weiterentwickeln, und ich bin überaus froh, dass sie mir wertvolles, zusätzliches Feedback zu diesen faszinierenden Themen gegeben haben.
Schon als junge Athletin achtete ich darauf, meine Lauftechnik immer wieder zu überprüfen und zu optimieren. Ich empfand dies als eines der wichtigsten Hilfsmittel, um effektiver, mit mehr Freude und somit schneller rennen zu können. Dabei habe ich jeweils nur kleinste Anpassungen und Veränderungen vorgenommen, um mögliche Verletzungen zu vermeiden. Mein Hauptaugenmerk lag darauf: entspannt zu laufen! Das hat mir geholfen, so locker, rhythmisch und so schnell wie möglich zu laufen. Ein weiterer Vorteil war eine tiefe innere Entspannung, die mir zu einem Gefühl der Freiheit und Freude während des Laufens verhalf.
Ich bin überzeugt, dass es für jeden eine ideale Technik gibt und jeder zu einem für sich spezifischen Laufstil finden kann. Natürlich sind wir alle verschieden – nicht nur in Größe und Gewicht, sondern auch in der Art, wie wir gebaut sind: gerade Schultern oder gekrümmte, langer Oberkörper oder kurzer, O-Beine oder nicht und so weiter. Aufgrund der individuellen Kombination dieser und anderer Körpereigenheiten hat jeder Mensch einen etwas anderen – für sich spezifischen – Laufstil. Sogar unter den besten Athleten der Welt können Sie unterschiedliche Stile beobachten.
Trotzdem haben fast alle Weltklasseläufer eines gemeinsam: Sie sehen entspannt aus. Sogar wenn sie auf Weltrekordkurs sind, scheinen sie völlig kontrolliert zu laufen, in vollständiger Einheit mit sich selbst und ihrem Inneren, mit konzentriertem, doch unangestrengtem und fast gelassenem Gesichtsausdruck. Besonders beeindruckt hat mich die Lockerheit der kenianischen Läufer.
Viele meiner kenianischen Freunde, mit denen ich trainiert habe und mit denen ich heute in Colorado arbeite, laufen mit einer aufrechten, jedoch nicht steifen Haltung. Ihre Schultern sind unten und locker, ihre Arme halten sie leicht angewinkelt und tief an der Seite ihres Körpers, ihre Bewegung gleicht der eines schnellen Pendels in gleichmäßigem Rhythmus. Ihre Schritte sind nicht zu lang, und die Beine tragen den Körper sanft, während sich die Arme synchron mit den Beinen bewegen. So elegant anzuschauen! Das Beeindruckendste für mich ist jedoch, wie entspannt sie durch und durch zu sein scheinen, als würden sie zu einem schnellen, aber angenehmen Rhythmus tanzen – könnte man meinen …
Sie mögen nun denken: „Natürlich sehen sie gut aus – sie sind doch kenianische Läufer! Was hat das mit meiner Lauftechnik zu tun?” Bei meinen Besuchen in Kenia konnte ich erfahren und schätzen lernen, dass die kenianischen Läufer natürlich nicht mit diesem wunderschönen Laufstil geboren wurden, sondern sie viel Zeit damit verbringen, diesen zu trainieren und zu verbessern. Sogar jemand wie der Commonwealth Games-Sieger über 5.000 m, Augustine Choge – einer der erfolgreichsten Langstreckenläufer – verfeinert seine Lauftechnik, da sein Trainer Brother Colm O‘Connell seine Schritte für zu lang hält. Brother Colm konnte seine diagnostischen Fähigkeiten schon oft nutzen, um viele seiner Athleten, den derzeitigen 800-Meter-Weltrekordler und Olympiasieger David Rudisha eingeschlossen, zu internationalem Erfolg zu führen.
Stellen Sie sich einmal professionelle Golfer vor. Sie üben und verfeinern ihre Abschlagtechnik über viele, fast endlos erscheinende Stunden. Obwohl sie einen exzellenten technischen Bewegungsablauf besitzen, nutzen sie den Großteil ihrer Trainingszeit, um sich auf das Tempo, Timing und eine flüssige Abfolge des Abschlages zu konzentrieren – immer mit der Aufrechterhaltung einer angemessenen Entspannung des Körpers. Das Resultat ist ein eleganter, mühelos erscheinender und doch kraftvoller Abschlag.
Freizeitgolfer können professionelle Golfer beobachten und versuchen, sie in ihrem eigenen Spiel nachzuahmen. Ebenso müssen Sie kein Topläufer sein, um zu erlernen, wie man entspannt und mit einer Technik läuft, die nur auf Sie abgestimmt und für Sie und Ihren Körper angemessen ist. Auch Sie können die Freude empfinden, die sich einstellt, wenn Sie einen lockeren, kraftsparenden und effektiven Laufstil besitzen, unabhängig davon, wieviel oder wie schnell Sie laufen.
Sie mögen sich fragen: Warum sich die Mühe machen mit etwas, das so selbstverständlich erscheint wie die Laufbewegung? Ihre Lauftechnik zu verbessern sowie locker und entspannt zu bleiben, bringt viele Vorteile mit sich: Sie werden müheloser laufen können, Sie werden Ihr Verletzungsrisiko verringern, und Sie werden sich während des Laufens einfach besser fühlen. Es gibt viele Untersuchungen, die die ersten beiden Aspekte belegen. Die meisten jedoch vergessen das fantastische Element der simplen Freude bei dieser wunderbaren sportlichen Aktivität. Diese tiefe innere Entspannung zu finden, wird Ihnen helfen, ein wahrer Läufer zu werden – egal, welches Tempo Sie wählen – und Ihnen ein leichteres Laufgefühl vermitteln, mit dem Sie flüssiger, freudvoller und kraftsparender laufen können.
So laufen Sie entspannt
Die Verbesserung Ihrer Lauftechnik wird ein langsamer, aber stetiger Prozess sein. Am sichersten ist es, Sie nehmen nur sehr kleine Veränderungen vor, behutsam Schritt für Schritt. Das ist wichtig! Wenn Sie versuchen, zuviel auf einmal zu verändern, riskieren Sie Verletzungen. An Tagen, an denen Sie sich auf Ihre Lauftechnik konzentrieren möchten, sollte das Tempo nebensächlich sein. Entspannen Sie Ihren Geist und lösen Sie sich von der Anspannung, die sich über den Tag vielleicht angestaut hat. Es wäre sehr hilfreich, wenn Sie mit einer freien und positiven Einstellung laufen könnten. Anspannung im Gesicht oder im Oberkörper kann oft zu steiferen Bewegungen Ihrer Arme und Beine und damit zu einer schnelleren Ermüdung führen. Genießen Sie Ihre Umgebung, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit einmal auf die Natur und die angenehme Frische auf ihrem Gesicht. (Ein echter „Schönwetter-Tag” ist am besten geeignet, Ihre Lauftechnik zu verfeinern!)
Wenn ich meinen Freunden oder Klienten entspanntes Laufen demonstriere, versuche ich, eine relaxte und freudbetonte Atmosphäre zu schaffen – um Spaß dabei zu haben! Wenn möglich, suchen wir uns eine nette Umgebung beispielsweise eine im Schatten gelegene Rasenfläche oder einen schönen Waldweg, um ein erstes Gefühl innerer Entspannung zu erreichen. Bevor ich sie auffordere, ein Stück zu laufen, sehe ich mir ihre Körperhaltung im Stand an und studiere die Art, in der sie sich aufrecht halten. Auf diese Weise kann ich analysieren, welchen Einfluss diese ganz spezifische Körperhaltung auf ihr Laufen haben könnte.
Dann bitte ich sie, sich vorzustellen, mit einer tiefen, von ganz innen kommenden Entspannung zu laufen. Ich möchte ihnen helfen, das Laufen als eine entspannte Bewegung zu empfinden – ohne jeglichen Druck und frei von noch bestehenden Zwängen. Dazu gebe ich ihnen, ehe wir dann wirklich loslaufen, einige mentale Entspannungsbilder vor: beispielsweise ausgelassenes Tanzen, … die lockere Beweglichkeit einer Marionette, … die Erinnerung an einen persönlichen und lustigen Moment oder an eine tolle Leistung.
Probieren Sie es aus – ich kann mir vorstellen, dass es ein befreiendes und entspanntes Gefühl in Ihnen schaffen kann.
Erst wenn ich sicher genug bin, dass alle entspannt sind, beginnen wir uns auf spezifische Aspekte der Lauftechnik zu konzentrieren. Einige dieser Laufelemente sind:
- Die Bewegung der Arme und Schultern: Halten Sie diese nicht zu steif, sondern entspannt. Wenn Sie Ihre Arme schwingen, lassen Sie Ihre Schultern unten hängen und einfach sanft mit der Bewegung der Arme mitschwingen. Die Arme führen die Gegenbewegung zu den Beinen aus und halten Ihren Körper während des Laufens im Gleichgewicht. Lassen Sie Ihre Hände entspannt. Schütteln Sie sie von Zeit zu Zeit aus, falls Sie Verspannungen spüren.
- Körperschwerpunkt: Einige Menschen laufen mit ihren Beinen zu weit vor dem Körperschwerpunkt und in einer eher sitzenden Position, während andere sich zu weit nach vorn beugen. Versuchen Sie, aufrecht zu laufen, jedoch nicht zu steif. Ihr Körperschwerpunkt, der sich beim Stehen etwa in der Mitte zwischen Hüftgelenk und oberer Darmbeinkante befindet, wird sich beim Laufen nicht nach oben bewegen. Weitere Informationen zum Thema Laufstil finden Sie in englischer Sprache in den Ausführungen von Dr. Nicholas Romanov(1), dem Erfinder der „Pose Method” des Laufens.
- Das Aufsetzen des Fußes auf dem Boden: Ihre Füße setzen auf dem Boden leicht an der Außenseite auf, jedoch überwiegend über die Fußsohle – dem so genannten flachen Fußaufsatz – idealerweise dicht unter Ihrem Körperschwerpunkt. Danach rollen sie nach innen in Richtung Fußgewölbe, während das Gewicht auf die Fußballen verlagert wird. Vermeiden Sie, zu hart mit der Ferse aufzusetzen, denn das bremst Sie aus und verschwendet einen Teil der Kraft, die Sie gerade zuvor in den Schritt gelegt haben. Es kostet Sie zudem Zeit, und Sie können sich verletzen. Im Allgemeinen sind kürzere, schnellere Schritte wenigen längeren vorzuziehen. Wenn der Horizont vor Ihnen auf- und abzuspringen scheint, machen Sie wahrscheinlich zu große Schritte und haben dadurch eine zu große vertikale Bewegung. Schauen Sie, ob der Horizont stiller erscheint, wenn Sie die Frequenz Ihrer Schritte erhöhen sowie deren Länge leicht verkürzen. Letzteres würde dann auch ermöglichen, dass Ihre Füße kürzer auf dem Boden bleiben und Sie so schneller laufen. Ich habe für Sie einen Link (in englischer Sprache) zu einer Studie der Harvard Universität(2) zum Thema „Barfußlaufen” mit weiteren Erklärungen zur Vermeidung des Fersenaufsatzes eingefügt.
- Das Benutzen der Füße und Beine als eine Einheit: Drücken Sie sich mit Ihrem Fuß vom Boden ab und benutzen Sie Ihre Beugemuskulatur (Rückseite der Oberschenkelmuskulatur) sowie Ihre Po-Muskulatur (Glutaeus-Muskulatur), um Ihre Hüfte vorwärts zu bewegen – auch Ihr Körperschwerpunkt bewegt sich dann vorwärts. Durch das gleichzeitige Bewegen der Füße und der Muskeln der Rückseite der Beine können Sie mehr Kraft entwickeln. Sie werden sich weniger angestrengt fühlen und schneller laufen können. Beachten Sie auch die Position Ihrer Knie: Bitte heben Sie die Knie nicht so hoch, dass die Oberschenkel parallel zum Boden sind.
So können Sie Ihren Körper für das Laufen kräftigen
Die biomechanische Struktur der Laufbewegung kann man folgendermaßen beschreiben: „Knie heben” > „Bein leicht strecken” > „Fuß auf dem Boden aufsetzen” > „Fuß zurückführen und durchziehen” > „Fuß abheben”. Jede dieser Phasen kann dabei unter- oder überentwickelt sein und Sie daran hindern, so schnell und effektiv zu laufen, wie Sie könnten. Mein langjähriger Coach Dieter Hogen ist der Meinung, dass viele Läufer normal entwickelte Laufphasen besitzen mögen, aber dennoch nicht entspannt laufen können. Verglichen mit Spitzenläufern ermüden sie frühzeitig, entweder weil sie mental nicht entspannt genug sind, ihre Muskulatur zu schwach ist und einer Kräftigung bedarf oder weil ihre Sehnen und Bänder zu verspannt sind und gedehnt werden müssten.
Folgende Elemente können Sie in Ihr Training integrieren, um einen besseren Körper fürs Laufen auszubilden und Ihren Laufstil zu verfeinern und zu optimieren. Diese werden die Körperbereiche kräftigen und dehnen, die für einen effektiven Laufstil ausschlaggebend sind.
- Regelmäßiges schnelles Laufen: Ein- oder zweimal pro Woche schnell und dabei entspannt zu laufen, kann Ihnen helfen, Ihr Bewegungsspektrum und den Bewegungsablauf zu verbessern und bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten ökonomischer zu laufen. Steigerungsläufe sind nicht zu anstrengend, machen Spaß und eignen sich gut zur Verbesserung des Laufstils. Wählen Sie eine 80 bis 100 Meter lange Strecke und laufen Sie die ersten 20 Meter locker. Danach beschleunigen Sie bis zu einer Geschwindigkeit, die Sie für einen Kilometer beibehalten könnten. Auf den letzten 20 Metern beschleunigen Sie nochmals, aber nun auf ein Tempo wie bei einem leichten Sprint. Versuchen Sie, sechs bis zwölf Steigerungen am Ende eines lockeren Laufes zu absolvieren; halten Sie die Pausen dazwischen so lang, dass Sie den nächsten Steigerungslauf wieder mit gutem Laufstil ausführen können. Laufen Sie nicht zu schnell und konzentrieren Sie sich bei jedem Lauf auf ein anderes Element einer guten Lauftechnik wie z.B. die Bewegung der Arme oder das Aufsetzen Ihres Fußes.
Viele der kenianischen Topläufer absolvieren verschiedene Formen von Steigerungsläufen wöchentlich das ganze Jahr hindurch. Die sogenannten ,Diagonalen‘ mögen Sie besonders gern. Um Diagonale zu laufen, suchen Sie ein Spielfeld, z.B. ein Fußballfeld, und laufen Sie mit ansteigendem Tempo von einer Ecke des Feldes zur diagonal gegenüberliegenden. Dann joggen Sie locker an der Grundlinie entlang zur nächsten Ecke, laufen erneut schnell zur diagonal gegenüberliegenden Ecke und joggen entlang der Grundlinie zurück zu Ihrem Ausgangspunkt (damit haben Sie auf den schnellen Abschnitten ein imaginäres „X” auf das Feld gezeichnet). Einige der kenianischen Läufer rennen diese Diagonalen bis zu 25 Minuten statt eines lockeren Laufes. Es ist eine spielerische Abwechslung und nicht zu anstrengend. Vielleicht beginnen Sie mit zehn bis fünfzehn Minuten und wählen zunächst eine geringere Geschwindigkeit, die Sie später steigern können.
- Barfuß laufen: Am Ende eines Laufes oder während Steigerungsläufen auf Gras einige Minuten barfuß zu laufen, kann Ihre Fuß- und Wadenmuskulatur auf wunderbare Art trainieren. Auch ist es fast unmöglich, barfuß zu große Schritte zu machen. So können Sie durch das Barfußlaufen ein gutes Gefühl dafür bekommen, mit einer angenehmen Schrittlänge zu laufen und sich auf den richtigen Fußaufsatz zu konzentrieren. Darüber hinaus gibt Ihnen das Laufen über weiches Gras eine äußerst angenehme Fußmassage. Wählen Sie eine Strecke auf Gras, die frei ist von Steinen oder anderen Dingen, die Ihre Füße verletzen könnten, und haben Sie Spaß beim Laufen auch einmal ohne Schuhe.
- Berganläufe: Wiederholungsläufe an kurzen, nicht zu steilen Hügeln können ebenfalls Ihren Bewegungsablauf verbessern. Darüber hinaus kräftigen Berganläufe die Beinmuskulatur, was Ihnen wiederum hilft, trotz Ermüdung einen guten Laufstil beizubehalten. Suchen Sie sich einen Hügel, den Sie in ungefähr 30 Sekunden bis zu einer Minute mit lediglich etwas Anstrengung hinauflaufen können. Am besten wäre es, wenn Sie sich dabei auf eine aufrechte Körperhaltung konzentrieren und sich vom hinteren Bein abdrücken. Wiederholen Sie dies acht bis zwölf Mal und joggen Sie zwischen den Berganläufen den Hügel locker wieder hinunter, um sich zu erholen.
- Drills: Übungen, bei denen Sie bestimmte Phasen der Laufbewegung übertrieben ausführen, können aus Ihnen ebenfalls einen graziöseren Läufer machen. In Kenia absolvieren viele Athleten nach dem Laufen Übungen wie Seilspringen oder langsame Läufe, bei denen sie die Fersen übertrieben zum Gesäß führen. Das von Athleten beliebte Lauf-ABC kann Ihnen helfen, die Koordination und die Stärkung der laufbeteiligten Strukturen zu verbessern. Laufanfängern möchte ich zwei Übungen des Lauf-ABC’s empfehlen: die Fußgelenkarbeit (der ständige Wechsel zwischen Zehenstand und flachem Ganzfußaufsatz – im Wechsel rechts und links) und das Anfersen (die ständige wechselseitige Bewegung des Unterschenkels zum Gesäß bei geschlossenen Knien – auch hier im Wechsel rechts und links). Bitte erwärmen Sie sich vor diesen Übungen leicht mit einem 10-minütigen Lauf oder Sie absolvieren sie einmal in der Woche nach einem lockeren Dauerlauf.
- Dehnung und Yoga: Konzentrieren Sie sich hierbei auf Ihren Oberkörper, unteren Rücken, Hüften und Beine, vor allem Ihre Quadriceps (vordere Oberschenkelmuskulatur), Beugemuskulatur (hintere Oberschenkelmuskulatur) und Waden. Wenn Sie nach einem langen Tag am Schreibtisch laufen möchten, achten Sie darauf, dass Ihre Schultern und Ihr Nacken entspannt sind, denn wahrscheinlich hatten Sie diese den ganzen Tag angespannt und sogar hochgezogen. Sie könnten auch einmal verschiedene Dehnungs- und Kräftigungsübungen ausprobieren, die ich speziell für Läufer zusammengetragen habe und die die kenianischen Athleten gern praktiziert haben. Gehen Sie dann bitte auf folgenden Link: „Yoga für Performancesm: Einleitung“, „Yoga für Performancesm: Yoga für Läufer, Teil 1” und „Yoga für Performancesm: Yoga für Läufer, Teil 2“.
- Leichtes Krafttraining: Hiermit sind vor allem Übungen gemeint, die Ihren Rumpf stärken, d.h. Ihren Bauch, Rücken, Po und die Hüften. Von dort kommt Ihre meiste Kraft beim Laufen. Durch Rumpfübungen wie Sit-ups, Liegestütze und Kräftigungsübungen für den Rücken werden Sie länger mit einer guten Technik laufen können. Dann werden Sie sogar bei Ermüdung in der Lage sein, eine aufrechte Körperhaltung und Ihren guten Laufstil so lange wie möglich beizubehalten.
Nehmen Sie Veränderungen langsam vor
Wenn Sie sich entscheiden haben, Ihre Lauftechnik zu ändern und etwas zu verfeinern, nehmen Sie sich bitte viel Zeit, die Veränderungen bewusst umzusetzen. Wählen Sie zunächst nur eine Komponente aus und diskutieren Sie Ihre Ideen, z.B. mit einem Trainer oder Ihrem Laufpartner, dann visualisieren Sie diese. Danach setzen Sie die Veränderung langsam um: zuerst während Sie gehen, dann während Sie locker laufen und schließlich während Sie schneller laufen.
Konzentrieren Sie sich nur auf diese erste Veränderung. Lassen Sie sich viel Zeit – es kann mitunter viele Wochen dauern – sich an diesen verfeinerten Laufstil vollständig zu gewöhnen. Sie sollten sich damit richtig wohl fühlen. Später können Sie dann ein weiteres Element hinzunehmen und danach noch eines, wenn es notwendig ist. Nach jeder Veränderung fragen Sie bitte einen Trainer oder Laufpartner, Ihre Lauftechnik anzusehen und Ihnen ein Feedback zu geben. So stellen Sie sicher, dass Sie die Veränderungen auch richtig umsetzen. Sollten Sie niemanden finden, der Ihren verfeinerten Laufstil mit Ihnen analysieren und besprechen kann, wäre es auch möglich, sich selbst im Spiegel auf einem Laufband zu beobachten. Oder Sie könnten einen Freund fragen, einen Teil Ihrer Laufeinheit mit einer Kamera aufzunehmen; dann können Sie sich das Video ganz in Ruhe anschauen und es auch zu einem späteren Zeitpunkt nochmals ansehen.
Ich erinnere mich an einen kalten Wintertag und eine Laufeinheit mit meinem ersten Trainer. Ich war eine Laufanfängerin – erst ein Jahr dabei. Mein Trainer bat mich, auf dem frischen Schnee zu laufen, der den Boden unserer üblichen Trainingsstrecke bedeckte. Ich konnte meine Fußspuren deutlich sehen – sehr nach außen abgewinkelt! Ich fühlte mich wie eine Watschel-Ente … Weil meine Füße so nach außen zeigten, verlor ich wahrscheinlich bei jedem Schritt etwas mehr als einen Zentimeter. Wenn man das addiert, so schätzen Experten, kann man in einem Marathon gute zwei, drei Minuten verlieren. Bei der nächsten Runde konzentrierte ich mich daher darauf, meine Füße etwas weniger schräg – also weniger nach außen abgewinkelt – im Schnee aufzusetzen. Es funktionierte. Das Gleiche klappt auch auf sandigem Untergrund. Sicherlich werden Sie sich noch lange an Ihre ersten Fußabdrücke erinnern und darüber schmunzeln.
Bitte denken Sie daran, dass Sie Ihren Laufstil immer nur ganz geringfügig verfeinern – und dass nicht jeder eine perfekte Lauftechnik haben kann. Ich kann mich glücklich schätzen, bis jetzt keine Hüftprobleme zu haben, und meine Beine sind fast vollkommen gerade, so dass es mir nicht allzu schwer fiel und es ohne Probleme möglich war, die Ausrichtung meiner Füße langsam zu verbessern. Menschen mit einer Achsenfehlstellung – zum Beispiel so genannten O-Beinen – sollten damit äußerst vorsichtig sein, denn bereits kleine Veränderungen an der Ausrichtung der Füße können ihre Hüften und Knie überlasten. Bitte nehmen Sie immer Kontakt mit einem Trainer und Arzt auf, ehe Sie ihren Laufstil verfeinern und bitten Sie beide Experten, Sie während der ganzen Zeit zu betreuen!
Ihre Checkliste für einen entspannten Laufstil
Nochmals zum Abschluss: Bitten Sie einen Trainer oder einen Trainingspartner, Ihnen ein Feedback und Rat bezüglich Ihrer Lauftechnik zu geben. Laufen Sie zunächst langsam und lassen Sie sich in jeder einzelnen Laufphase beobachten und beurteilen. Wiederholen Sie das Gleiche bei einem schnelleren Tempo, da Ihre Lauftechnik dabei verändert sein kann. Lassen Sie sich auch nach einem anspruchsvollen Training, wenn Ihr Körper ermüdet ist, beurteilen. Nehmen Sie sich Zeit, Ihren Laufstil in dieser Situation zu analysieren, und beobachten Sie genau, was sich verändert, wenn Sie schneller laufen.
Sogar die besten Läufer, die Ihre Lauftechnik immer wieder optimiert haben, fallen manchmal in einen weniger entspannten und weniger effizienten Laufstil zurück. Mir passierte das oftmals am Ende eines harten Trainings auf der 400-m-Bahn oder in der Schlussphase eines Rennens. Aufgrund meiner Ermüdung verlor ich die Konzentration: Ich zog unbewusst meine Schultern hoch – wie Sie in einem der Fotos weiter oben im Text sehen können – woraufhin diese müde wurden und ich die Lockerheit in meinem Oberkörper verlor. Dann war ich froh über Ratschläge meines Coaches. Dieter rief mir am Rande der Bahn zu: „Schultern runter! Entspann’ dich!” Ich konnte seine Stimme hören und war dankbar für seinen Ratschlag. Im Laufe der Jahre lernte ich, auf seine Anweisungen sofort zu reagieren: Ich atmete einmal tief ein, und schon waren die Schultern wieder unten. Ich wurde wieder lockerer und lächelte, als würde ich mich selbst überzeugen wollen, dass ich in der Tat entspannt war – und dann war ich das auch tatsächlich.
Die folgende Checkliste mit den Hauptelementen eines entspannten Laufstils könnten Sie gelegentlich im Geiste während des Laufens durchgehen. So stellen Sie sicher, dass Sie durch einen guten Laufstil Ihr Training optimal genießen können.
- Kopf: Spüren Sie, wie Ihr Kopf über Ihrem Nacken sitzt und weder nach vorn noch nach hinten geneigt ist. Für Ihre eigene Sicherheit ist es wichtig, dass Sie nach vorn blicken und nach Unebenheiten auf dem Boden oder ähnlichen Hindernissen Ausschau halten. Wie weit Sie nach vorn schauen müssen, hängt dabei von der Beschaffenheit des Bodens ab. Schauen Sie regelmäßig etwa 20 bis 30 Meter vor sich, um Gefahren im Voraus zu erkennen. Bei lockeren Läufen blicken Sie auch einmal nach rechts und links – genießen Sie die Umgebung, das könnte Ihnen auch beim Entspannen helfen.
- Schultern: Lassen Sie die Schultern locker hängen und versuchen Sie nicht, sie einzurollen. Halten Sie die Schultern gerade und unten.
- Arme: Halten Sie die Arme tief, leicht angewinkelt und locker an der Seite Ihres Körpers. Bewegen Sie sie wie ein Pendel in einem gleichmäßigen Rhythmus und synchron zu Ihren Beinen.
- Hände: Ihre Handgelenke sollten an Ihrer Taille vorbeischwingen, nicht auf der Höhe Ihrer Brust. Formen Sie Ihre Hände zu einer lockeren Faust. Wenn Sie möchten, können Sie die Daumen dabei auf die Zeigefinger legen.
- Becken: Halten Sie Ihre Hüften auf gleicher Höhe und richten Sie sie nach vorn aus.
- Beine und Füße: Versuchen Sie, nicht zu große Schritte zu machen und lassen Sie Ihren Körper sanft von Ihren Beinen tragen. Setzen Sie Ihre Füße idealerweise dicht unter Ihrem Körperschwerpunkt auf dem Boden auf.
Vor allem vergewissern Sie sich, dass Ihr Körper vollständig entspannt ist und als eine Einheit agiert. Konzentrieren Sie sich auf eine aufrechte Körperhaltung. So können Sie Beschwerden im unteren Rücken durch zu starkes Vor- oder Rückwärtsbeugen vermeiden.
Wenn Sie es schaffen, vollständig – innerlich wie äußerlich – entspannt zu bleiben und mit Freude zu laufen, dann könnten Sie sich so fühlen, als würden Sie zu einem schnellen, aber angenehmen Rhythmus tanzen – so wie die kenianischen Läufer, mit denen ich trainierte.
Ich hoffe, Sie bleiben entspannt und verletzungsfrei!
Haben Sie ganz viel Spaß beim Laufen!
Quellenangaben:
(1) Dr. Nicholas Romanov zum Laufstil: https://posemethod.com/running/, Stand Mai 2018.
(2) Harvard University: Lieberman DE, Venkadesan M, Daoud AI, and Werbel WA: Running Barefoot, Forefoot Striking & Training Tips. http://barefootrunning.fas.harvard.edu/5BarefootRunning&TrainingTips.html, Stand Mai 2018.
Aktualisiert am 13. Mai 2018
Aktualisiert am 2. Juni 2013
Aktualisiert am 8. Oktober 2010
Erschienen im September 2006
- Erschienen am 2. June 2013
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