Die letzten zwei Tage vor dem Marathon

Von Uta Pippig mit Scott Douglas und Michael Sandrock
Ein schönes Bad kann Ihnen zwei Tage vor dem Marathon helfen, die Muskulatur und den Geist zu entspannen. © Betty Shepherd
Ein schönes Bad kann Ihnen zwei Tage vor dem Marathon helfen, die Muskulatur und den Geist zu entspannen. © Betty Shepherd

Hallo, liebe Marathonläufer!

Ich gratuliere Ihnen zum erfolgreichen Training und gemeinsam mit dem Take The Magic Step-Team wünsche ich Ihnen viel Glück für Ihren Marathon.

Vielleicht stimmen Sie mir zu – einen Marathon zu laufen, ist ein Akt in drei Teilen: Zuerst fassen Sie den Entschluss, daran teilzunehmen. Nachdem Sie diese vielleicht überwältigende Entscheidung gefällt haben, absolvieren Sie ein umfangreiches Trainingsprogramm für diese große Herausforderung. Zwei Tage vor dem Event liegen nun viele Trainingswochen hinter Ihnen und es ist Zeit, die beste und lohnenswerteste Phase des Marathons zu genießen: das Rennen an sich. Auf der gesamten Strecke werden Sie unvergessliche Erlebnisse haben und unendliche Zufriedenheit empfinden, vor allem, wenn Sie mit vielen anderen Läufern die Ziellinie überqueren.

Um am Tag des Rennens in Bestform zu sein, ist es nach der anspruchsvollen Vorbereitung wichtig, in den letzten zwei Tagen vor dem Marathon besonders auf sich zu achten. Damit Sie entspannt in das Rennen gehen, Spaß dabei haben und Ihre ganz persönlichen Ziele erreichen können, möchte ich Ihnen hier einige praktische Tipps geben. Sie sind in folgende vier Bereiche unterteilt: Training, Ausrüstung, Ernährung und Allgemeine Tipps.

Training

Vermeiden Sie die typischen Fehler, die viele Marathonläufer – auch die Profis – in den letzten Tagen vor dem Wettkampf machen. So wird zum Beispiel zu viel und zu intensiv trainiert. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass umfangreiches oder intensives Training in den letzten Tagen vor dem Marathon keinen Nutzen mehr für das Rennen bringt. Im Gegenteil: Es kann Ihre Leistung eher mindern, da es Sie und Ihre Muskulatur unnötig ermüdet.

Deshalb ist es ratsam, dass Sie sich zwei Tage vor dem Marathon gut erholen und nur lockeres Lauftraining absolvieren oder sogar davon pausieren. Vielleicht gehen Sie nur ein Stück spazieren. Es bietet sich ein Besuch der Marathonmesse an, aber bleiben Sie auch dann nicht zu lange auf den Beinen. Falls Ihnen nach einem Lauf zu Mute ist, um sich von Ihrer Nervosität vor dem Rennen zu befreien, können Sie am Tag vor dem Marathon drei bis sechs Kilometer locker laufen. Achten Sie dabei jedoch darauf, dass Sie wirklich nur ganz locker laufen, damit Sie Ihre Energie für den Marathon sparen.

Ein wichtiger Tipp: Probieren Sie so kurz vor dem Marathon nichts Neues mehr aus. Vermeiden Sie unbedingt neue Formen von Tempo- oder Krafttraining, klettern Sie nicht auf Bäume und machen Sie nichts, was Sie nicht gewohnt sind. Ihr Ziel sollte es sein, so erholt wie möglich zu sein. Also, lassen Sie es ruhig angehen und sparen Sie Ihre Energie für Ihren großen Tag.

Gönnen Sie sich eine erholsame Massage während der letzten zwei Tage. Das lockert die Muskulatur und kann Ihre Anspannung etwas beruhigen. Falls Sie mit Massagen wenig oder keine Erfahrungen haben, bitten Sie um eine sehr leichte und sanfte Behandlung.

Und zum Schluss: In den letzten Tagen vor dem Marathon sollten Sie nur noch das tun, was Sie in eine optimale physische und mentale Verfassung bringt, damit Sie den Lauf Ihres Lebens absolvieren können.

Ausrüstung

Der Berlin Marathon. © www.PhotoRun.net
Der Berlin Marathon. © www.PhotoRun.net

Der wichtigste Teil Ihrer Ausrüstung ist Ihr Schuhwerk. Laufen Sie keinesfalls in neuen Schuhen! Tragen Sie Schuhe, in denen Sie mindestens schon einen langen Lauf sowie einige schnelle Trainingseinheiten absolviert haben und von denen Sie wissen, dass sie Ihnen über die 42,195 km keine Probleme bereiten werden. Andererseits sollten Sie jedoch keine zu alten Laufschuhe tragen, da deren Dämpfung, d.h. die Beschaffenheit der Mittel- und Außensohle, nicht mehr gut genug für die Marathondistanz sein könnte. Ich habe einmal eine bittere Erfahrung mit meinen Schuhen machen müssen und das ausgerechnet bei den Olympischen Spielen 1996: Durch meine neuen Wettkampfschuhe bekam ich Blasen an den Füßen, hatte im späteren Verlauf des Rennens große Hüftbeschwerden und musste den Marathon bei Kilometer 35 vorzeitig beenden.

Doch nicht nur die Schuhe sind entscheidend, die richtigen Socken spielen ebenso eine wichtige Rolle. Im Vorfeld haben Sie hoffentlich bei Ihren langen Läufen einmal ausprobiert, was für Sie angenehmer ist: dickere oder dünnere Socken. Ich bevorzuge dünne Socken ohne Naht, da Nähte Blasen hervorrufen können. Einige Läufer fragen sich, ob sie Gel oder Puder zwischen Ihren Zehen auftragen sollten. Nach meiner Erfahrung kann dies jedoch zu Blasen führen. Weitere Tipps für gesunde Füße: Auf jeden Fall sollten Sie Ihre Fußnägel gut schneiden. Falls Sie Schuheinlagen benötigen, benutzen Sie unbedingt welche, die Sie auch schon vorher getragen haben, so vermeiden Sie Blasen.

Tragen Sie am Marathontag die richtige Wettkampfkleidung, die Sie zuvor im Training getestet haben und von der Sie wissen, dass sie bequem ist. Was Sie am Tag des Rennens anziehen, ist nicht nur davon abhängig, ob Sie sich darin wohl fühlen, sondern auch von den jeweiligen Wetterbedingungen. Sollte es beim Start kühl sein, nehmen Sie eine alte Windjacke oder ein anderes Oberteil mit, das Sie während des Rennens wegwerfen können. Wenn es sehr kalt sein sollte, werden Sie eine Mütze und Handschuhe brauchen, um warm zu bleiben. Für Frauen ist es empfehlenswert, einen BH, ein Unterhemd sowie entweder ein T-Shirt, ein langärmliges Hemd oder ein Netzhemd dabei zu haben. Ich ziehe Shorts (mit einer kleinen Tasche für ein Taschentuch und etwas Geld, falls Sie mit einem Taxi nach Hause fahren wollen) eng anliegenden Laufhosen vor. Tragen Sie vorzugsweise Kleidung, die leicht ist und den Schweiß absorbiert, ohne dass sie dadurch schwer wird. Sie können auch ein Stirnband tragen und ein Schweißband am Handgelenk wie die Tennisspieler.

Männer kleben Ihre Brustwarzen oft mit Heftpflaster ab, um ein Scheuern zu vermeiden. Sollten Sie schlechte Erfahrungen mit juckendem Ausschlag oder einer Entzündung an den Oberschenkel-Innenseiten oder den Oberarmen gemacht haben, benutzen Sie eine Zink-Oxyd-Salbe. Diese sollten Sie jedoch ebenfalls vorher schon einmal ausprobiert haben.

Und zum Schluss: Die richtige Ausrüstung – das sind Kleidung und Wettkampfschuhe, die Sie schon vorher im Training oder bei anderen Rennen getestet haben und von der Sie wissen, dass sie bequem ist – ist die beste Voraussetzung für einen erfolgreichen Marathontag!

Ernährung

Start des Chicago-Marathons ... © www.photorun.net
Start des Chicago-Marathons … © www.photorun.net

Was für die Ausrüstung gilt, trifft auch auf die Ernährung zu: Probieren Sie nichts Neues aus, da Sie nicht wissen können, wie Ihr Körper auf etwas reagiert, das er nicht gewohnt ist. Wenn Sie normalerweise nicht scharf essen, vermeiden Sie es ebenso an den beiden letzten Tagen vor dem Marathon. Man kann nicht abschätzen, wie es sich auf Ihr Verdauungs-system auswirken wird.

Sie sollten gute, vorzugsweise frisch zubereitete Nahrung zu sich nehmen – etwas, was Sie auch sonst regelmäßig essen. Ich konzentriere mich darauf, viele Kohlenhydrate zu mir zu nehmen. Besonders empfehlenswert sind über den ganzen Tag verteilt kleine Portionen an kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln. Aktuelle Studien belegen, dass dies der bessere Weg ist, um Kohlenhydrate in Form von Glykogen zu speichern. Die alte Weisheit, am Abend vor dem Rennen ein riesiges Mahl zu sich zu nehmen, ist nicht zu empfehlen: Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse haben gezeigt, dass Sie Ihre Muskeln mit kleinen, über den Tag verteilten Mengen an Kohlenhydraten besser versorgen können. Zudem müssen Sie kein Völlegefühl oder ähnliche Probleme befürchten, wie sie bei großen Mahlzeiten auftreten können.

Ich empfehle Ihnen sechs kleinere, über den Tag verteilte Mahlzeiten. Wenn Sie beim Marathon nicht zu schnell loslaufen, verbrennen Sie vorzugsweise Fett und Ihre Glykogen-Speicher – Glykogen ist die Hauptenergiequelle des Körpers bei Langstreckenläufen – werden für das gesamte Rennen reichen.

Wie viele Langstreckenläufer bevorzuge auch ich Pasta-Gerichte. Sandwiches oder beispielsweise Linsensuppe sind ebenfalls empfehlenswert. Auch andere gesunde Nahrungsmittel, die Sie sonst zum Mittag zu sich nehmen, sind in Ordnung. Darüber hinaus empfehle ich Müsli und Haferbrei. Diese Gerichte haben einen hohen Kohlenhydratanteil, werden langsam verdaut, halten länger satt und belasten den Magen nicht. Wenn Sie gewöhnlich Fleisch essen, können Sie auch während der letzten beiden Tage vor dem Rennen kleine Mengen davon zu sich nehmen. Bedenken Sie jedoch, dass Sie für den Marathon vor allem Kohlenhydrate benötigen. Als Snack eignen sich Äpfel sehr gut. Zudem ist es wichtig, bereits am Tag vor dem Marathon anzufangen, stündlich kleinere Mengen Wasser zu trinken.

Der Start der Frauen beim Boston-Marathon. © www.PhotoRun.net
Der Start der Frauen beim Boston-Marathon. © www.PhotoRun.net

Am Tag des Marathons gilt das Gleiche wie an den zwei Tagen davor: Probieren Sie nichts Neues aus. Ich empfehle Ihnen, etwa vier bis fünf Stunden vor dem Rennen eine große Schale Haferbrei mit einem Apfel zu essen. Das ist eine gute Kombination. Etwa zwei Stunden vor dem Start sollten Sie dann noch einmal etwas essen. Wenn Sie vier Stunden oder länger unterwegs sein werden, eignet sich hier beispielsweise Vollkorntoast mit Nussbutter. Wenn Sie das Rennen langsam beginnen, dürfte die Verdauung normalerweise kein Problem sein. Energieriegel sind ebenfalls empfehlenswert; bis zu einer Stunde vor dem Start können Sie einen solchen Riegel noch zu sich nehmen. Achten Sie darauf, dass Hafer der Hauptbestandteil des Riegels ist, da dieser Ihnen lang anhaltende Energie geben wird. Für weitere Informationen über Ernährung am Tag des Rennens können Sie sich die Haferbrei- und Müslirezepte in unserem Artikel „Der optimale Start in den Tag“ anschauen.

Da Sie am Morgen des Rennens vielleicht aufgeregt sein werden, sollten Sie sich besonders viel Zeit zum Essen und zum Kauen nehmen. Je besser Sie das Essen kauen, desto leichter ist es für Ihren Körper, es zu verdauen.

Und zum Schluss: All diese Erfahrungswerte, denen ich bislang vor meinen Rennen vertraut habe, basieren vor allem auf gesundem Menschenverstand und sind nichts Außergewöhnliches. Diese Tipps entstammen ebenso der Erfahrung meines Trainers Dieter Hogen, der seit mehr als drei Jahrzehnten mit Marathonläufern arbeitet. Vergessen Sie Ihre Aufregung etwas und alles Komplizierte während dieser letzten Tagen vor Ihrem Marathon. Vertrauen Sie auf die einfachen und gewohnten Dinge. Sie haben lange trainiert und sich so gut vorbereitet, nun können Sie die Gelegenheit nutzen, um etwas Ruhe zu finden und ausreichend zu schlafen. Dies wird Ihnen dabei helfen, frisch und konzentriert am Marathontag zu sein. Geben Sie sich selbst die Chance, an Ihrem großen Tag in bester physischer und mentaler Verfassung zu sein.

Allgemeine Tipps

  • Sehen Sie sich die Marathonstrecke vor dem Rennen an. Falls das nicht möglich ist, laufen Sie wenigstens einige Stellen des Kurses ab. Wenn Sie einige Abschnitte gelaufen und den Großteil der Strecke mit dem Auto abgefahren sind, wird Ihnen das mehr Sicherheit für den Tag des Rennens geben und Sie können besser planen, wo Sie schneller oder langsamer laufen sollten. Hügel haben eine andere Wirkung, wenn man Sie außerhalb des Rennens betrachtet. Der berüchtigte Heartbreak Hill beim Boston-Marathon zum Beispiel erscheint gar nicht so schlimm und ,wird Ihnen nicht das Herz brechen’, wenn Sie sich gut vorbereitet haben und ein cleveres Rennen laufen.
  • Setzen Sie sich ein realistisches Ziel und legen Sie sich eine Rennstrategie zurecht. Besonders wichtig ist es, in der Anfangsphase des Marathons nicht zu schnell loszurennen. Sicher werden Sie am Start sehr aufgeregt sein, aber versuchen Sie dennoch, das Rennen mit Ihrem geplanten Durchschnittstempo anzugehen oder sogar etwas langsamer. Dadurch sparen Sie Kraft für den letzten Teil des Marathons.
  • Es ist eine gute Idee, die Marathon-Messe zu besuchen oder an einem Lauf-Workshop teilzunehmen, um sich für Ihren großen Tag zu motivieren und anzuspornen. An den Tagen vor einem großen Marathon ist immer viel los. Nehmen Sie etwas von dieser Begeisterung mit und erhöhen Sie so Ihren Energie-Level. Achten Sie jedoch darauf, dass Sie sich nicht zu sehr von den kostenlosen Essensangeboten verlocken und von niemandem Ihren Trainingsplan anzweifeln lassen.
  • Versuchen Sie, in den Tagen vor dem Marathon gut zu schlafen. Das kommt Ihnen besonders dann zugute, falls Sie durch Ihre Aufregung in der letzten Nacht vor dem Rennen nicht so gut schlafen sollten. Seien Sie jedoch beruhigt, denn selbst Elite-Athleten haben oftmals nur eine kurze Nacht vor ihrem Wettkampf. Es gibt eine einfache Regel: Gehen Sie am Abend vor dem Rennen zwölf Stunden vor dem Start ins Bett.
  • Nehmen Sie Sonnencreme und Toilettenpapier mit zum Start. Man weiß nie, wann man das gebrauchen kann!
  • Motivieren Sie einige Freunde oder Verwandte, an die Strecke zu kommen, um Sie anzufeuern und die den Wunsch haben, dass Sie gut laufen – setzen Sie deren Energie in Ihre eigene Energie um.
  • Legen Sie sich eine Aussteige-Strategie zurecht, falls es einfach nicht läuft. (Ich hoffe jedoch, dass Sie diesen Tipp nie umsetzen müssen.)
  • Tragen Sie Ihr Lieblingshemd oder ein anderes Kleidungsstück, das Sie besonders mögen oder an dem Sie hängen. Das könnte zum Beispiel ein Hemd sein, in dem Sie Ihren letzten Marathon gelaufen sind und das Sie an einen Erfolg erinnert. Viele Läufer tragen gern ein Hemd mit ihrem Namen, dem ihrer Universität oder einem anderen Namen mit persönlicher Bedeutung. Es wird Ihnen kleine Kraftschübe geben, wenn Sie Zuschauer am Streckenrand die Worte auf Ihrem Hemd rufen hören.
  • Machen Sie sich keine Sorgen. Was kann schon passieren? Seien Sie einfach positiv und aufgeregt, denn SIE werden es schaffen!
  • Haben Sie eine gute Ausrede parat, falls es schlecht läuft und Sie Ihr Ziel nicht erreichen können. Hier gibt es viele Möglichkeiten: Es war zu heiß oder zu kalt, die Strecke war zu flach oder zu hügelig, Sie sind zu schnell oder zu langsam gestartet usw. Wenn alle Stricke reißen, sagen Sie einfach: „Ich habe nur getan, was Uta empfohlen hat – das geht auf ihre Kappe!”

Abschließend wünsche ich Ihnen: VIEL GLÜCK UND GEBEN SIE NICHT AUF – ich werde Sie anfeuern! Haben Sie viel Spaß und eine großartige Zeit auf der Marathonstrecke!

Viel Erfolg und Alles Gute,

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Aktualisiert am 25. Februar 2016
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