WM-Aktuell: Ibrahim Jeilan überrascht im 10.000-m-Finale

Von Jörg Wenig
Von links: Mo Farah, Ibrahim Jeilan und Imane Merga. © www.photorun.net
Von links: Mo Farah, Ibrahim Jeilan und Imane Merga. © www.photorun.net

In einer der spannendsten Lauf-Entscheidung der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Daegu gab es einen Überraschungssieger und die erste europäische WM-Medaille über 10.000 m seit 1987. Der Äthiopier Ibrahim Jeilan setzte sich in 27:13,81 Minuten knapp vor Mo Farah durch. Der Brite lief 27:14,07 und wurde erst auf der Zielgeraden von Ibrahim überholt. Bronze ging an Imane Merga in 27:19,14(Äthiopien). Hinter dem viertplatzierten Eritreer Zersenay Tadese (27:22,57) folgte Martin Mathathi als bester Kenianer auf Rang fünf mit 27:23,87. Eine starke Leistung zeigte ein US-Amerikaner: Galen Rupp wurde Siebenter in 27:26,84 Minuten. Matt Tegenkamp, der zur KIMbia-Gruppe gehört, folgte auf Platz zehn mit 28:41,62.

Während der äthiopische Newcomer Ibrahim Jeilan zum Sieg stürmte, musste Weltrekordler und Olympiasieger Kenenisa Bekele nach 6.000 Metern aufgeben. Er hatte den Anschluss an die achtköpfige Spitzengruppe verloren. Seit Januar 2010 war der Äthiopier verletzungsbedingt kein Rennen mehr gelaufen, überraschend ging er dann in Daegu an den Start. Viermal in Folge gewann er zuletzt den 10.000-m-Titel bei Weltmeisterschaften. „Ich war nicht fit, aber ich bin froh, dass ein Äthiopier gewonnen hat“, erklärte Kenenisa im Anschluss. Zwölf 10.000-m-Rennen war er zuvor in seiner Karriere gelaufen – alle hatte er gewonnen, darunter auch zwei bei Olympischen Spielen (2004 und 2008).

Mo Farah gewinnt Silber über 10.000 m. © www.photorun.net
Mo Farah gewinnt Silber über 10.000 m. © www.photorun.net

Lange Zeit an der Spitze liefen Zersenay Tadese (Eritrea), der in Berlin vor zwei Jahren WM-Zweiter war, sowie Sileshi Sihine (Äthiopien), der am Ende jedoch auf Rang acht zurückfiel. Auch noch zwei Runden vor Schluss war die achtköpfige Spitzengruppe intakt. Doch 600 m vor dem Ziel zog dann Mo Farah an. Der Brite setzte sich an die Spitze, legte zu Beginn der letzten Runde noch einmal zu und hatte rund fünf Meter Vorsprung vor den Äthiopiern Ibrahim Jeilan und Imane Merga.

Als Erster fiel dann Imane Merga zurück, doch Ibrahim Jeilan hielt den Abstand zunächst konstant und konnte ihn eingangs der Zielkurve Stück für Stück verkürzen. Auf der Zielgeraden ging er dann an Mo Farah vorbei und lief zum bislang bedeutendsten Erfolg seiner Karriere. Der 22-Jährige hatte im Juniorenbereich zwei große Siege errungen: 2006 gewann er bei der Junioren-WM die 10.000 m und zwei Jahre später triumphierte er bei der Cross-WM der Nachwuchsläufer. „Ich habe nicht gemerkt, dass [Kenenisa] Bekele aus dem Rennen ging. Eigentlich wollten wir uns alle gegenseitig helfen, aber dann wurden einige von uns müde“, erklärte Ibrahim und fügte hinzu: „Ich wusste, dass ich Mo Farah auf den letzten 200 Metern noch einholen könnte, denn ich bin ein guter Sprinter über 400 Meter.“

Für Mo war Ibrahim eine Überraschung. „Ich hatte keine Ahnung, wer er ist und was er kann. Um ehrlich zu sein: 300 Meter vor dem Ziel dachte ich, ich habe es geschafft. Ich habe ihn gesehen und habe versucht, alles zu geben und locker zu bleiben. Aber meine Beine konnten nicht mehr, ich hätte fast einen Krampf bekommen.“ Der zweite Platz ist ein Jahr vor den Olympischen Spielen in London jedoch ein großer Erfolg für den Briten, der nun auch über 5.000 m in Daegu starten wird. Er ist der erste europäische Medaillengewinner bei einer WM seit dem zweiten Platz von Francesco Panetta 1987 in Rom. Bei Olympischen Spielen war über 10.000 m ebenfalls ein Italiener der letzte europäische Medaillengewinner: 1988 wurde Salvatore Antibo in Seoul Zweiter.

Kenias Frauen erobern Daegu im Sturm

Vivian Cheruiyot siegt vor Sally Kipyego. © www.photorun.net
Vivian Cheruiyot siegt vor Sally Kipyego. © www.photorun.net

Tags zuvor stand das 10.000-m-Finale der Frauen auf dem Programm. Nach dem einmaligen Dreifach-Triumph im Marathon konnten sich die kenianischen Läuferinnen auch im 10.000-m-Finale alle drei Medailllen sichern. Vivian Cheruiyot gewann dabei in 30:48,98 Minuten vor ihren Landsfrauen Sally Kipyego (30:50,04) und Titelverteidigerin Linet Masai (30:53,59). Sogar der vierte Platz ging mit Priscah Cherono (30:56,43) an das kenianische Team.

Dass eine Nation im 10.000-m-Rennen der Frauen alle drei WM-Medaillen gewann, gab es bereits zweimal: Den äthiopischen Läuferinnen gelang dies in Edmonton 2001 und in Helsinki 2005. Die ersten vier Plätze haben aber noch nie Athletinnen aus einem Land belegt. In dieser Hinsicht war auch die Leistung der kenianischen 10.000-m-Läuferinnen ein Novum. Meselech Melkamu, die derzeit stärkste Äthiopierin lief dahinter auf Rang fünf in 30:56,55 Minuten. Shitaye Eshete (Bahrain/31:21,57) und Shalane Flanagan (USA/31:25,57) folgten auf den weiteren Plätzen.

„Das ist ein großer Tag für Kenia gewesen. Erst gewinnen wir drei Medaillen im Marathon, dann belegen wir die ersten vier Plätze im 10.000-m-Finale“, sagte Vivian Cheruiyot. Morgens haben sich die kenianischen 10.000-m-Läuferinnen noch den Marathon angeschaut und waren begeistert vom Dreifach-Erfolg ihrer Landsleute. „Das war toll und eine große Motivation für uns. Wir haben uns gesagt, das machen wir ihnen nach“, erzählte Vivian Cheruiyot. Abends liefen sie dann auf die ersten vier Plätze. Ein derartiges Ergebnis hat es über diese Strecke weder bei den Männern noch bei den Frauen in der Geschichte der globalen Titelkämpfe schon einmal gegeben. Am ersten Tag der Weltmeisterschaften im südkoreanischen Daegu hatte das kenianische Team damit alle sechs möglichen Langstreckenmedaillen gewonnen.

Von links: Sally Kipyego, Linet Masai und Vivian Cheruiyot. © www.photorun.net
Von links: Sally Kipyego, Linet Masai und Vivian Cheruiyot. © www.photorun.net

„Es war ein tolles Gefühl, als ich mich im Ziel umdrehte und sah, dass sie alle hinter mir ins Ziel kamen und wir dadurch die ersten vier Plätze belegt haben. Wir sind sehr stolz über unseren Lauf und über diesen tollen ersten Tag für Kenia“, sagte Vivian Cheruiyot. Auch Titelverteidigerin Linet Masai freute sich über Bronze. „Ich wollte, dass wir alle Medaillen gewinnen. In der letzten Runde war Meselech Melkamu noch dabei, deswegen war ich froh, dass ich sie hinter mir lassen konnte“, sagte sie.

„Ich denke, dieser Auftakt ist für Kenia sehr gut für die nächsten Rennen. Wir werden weitere Medaillen gewinnen“, kündigte Vivian Cheruiyot an. Sie selbst hat gute Chancen, ein zweites Mal zu triumphieren. Denn als Titelverteidigerin startet Vivian über 5.000 m. „Jetzt ruhe ich mich etwas aus, dann jogge ich ein bisschen, und am Dienstag starte ich dann in meinem Vorlauf.“