Viele Läufer stimmten sich bei Silvesterrennen auf 2012 ein

Von Jörg Wenig

Mit einer Reihe von spannenden Straßenrennen ließen Laufbegeisterte weltweit das Jahr 2011 sportlich ausklingen. An keinem anderen Tag werden so viele Wettläufe gestartet wie am 31. Dezember. Hier haben wir für Sie einen Überblick zusammengestellt…

Bozen: Edwin Soi siegt zum vierten Mal

Edwin Soi triumphiert in Bozen knapp vor Wilson Kiprop. © Daniele Mosna/BOclassic
Edwin Soi triumphiert in Bozen knapp vor Wilson Kiprop. © Daniele Mosna/BOclassic

Der Kenianer Edwin Soi hat zum vierten Mal den prestigeträchtigen Silvesterlauf über 10 Kilometer in Bozen gewonnen. Der Olympiadritte von 2008 konnte sich beim BOclassic in Südtirol gegen Wilson Kiprop (Kenia) und Imane Merga (Äthiopien) durchsetzen. Bei den Frauen wiederholte die dreifache Weltmeisterin Vivian Cheruiyot ihren Vorjahressieg vor 15.000 begeisterten Zuschauern bei der 37. Auflage dieses Rennens.

Durch ihren Leistungen holten Vivian Cheruiyot und Edwin Soi die Erfolge Nummer 19 und 20 für ihr Land. Kenianischen Athleten gelang damit in Bozen zum insgesamt fünften Mal ein Doppelsieg.

Im spannenden Lauf der Männer fiel die Entscheidung erst auf den allerletzten Metern. Der Halbmarathon-Weltmeister Wilson Kiprop, der praktisch das ganze Rennen geführt hatte, wurde am Ende von seinem Landsmann Edwin Soi noch eingeholt. Edwin benötigte für die 10 km 28:17 Minuten. Das ist die schnellste Siegerzeit seit 1998. Wilson Kiprop lief sogar persönliche Bestzeit über diese Distanz (28:18). Für den Olympiadritten Edwin Soi war es bereits der vierte Triumph in Bozen. Damit fehlt dem 25-Jährigen nur noch ein Erfolg, um mit dem Bozener Rekordsieger Serhiy Lebid (Ukraine) gleich zu ziehen. Der neunfache Cross-Europameister belegte in diesem Jahr mit 29:20 Rang sieben. Der äthiopische Vorjahressieger und Cross-Weltmeister Imane Merga konnte gut die Hälfte des Rennens mit den beiden kenianischen Läufern mithalten und belegte schließlich mit einem Rückstand von 41 Sekunden Rang drei (28:57 Minuten). Vierter wurde der Marokkaner Abdelaziz El Idrissi mit 28:59 vor dem Franzosen Abdelhatif Meftah (29:02).

„Der BOclassic ist offensichtlich mein Rennen. Das war der bestmögliche Start für das Jahr 2012, das für mich ein Schlüsseljahr sein kann. Mein Ziel ist der 5.000-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen. Ich hatte schon vor dem Rennen ein gutes Gefühl, da ich [Imane] Merga erst kürzlich geschlagen hatte. Ich will unbedingt Rekordsieger dieser Veranstaltung werden. Mit 25 Jahren habe ich ja noch Zeit, um zu [Serhiy] Lebid aufzuschließen“, erklärte Edwin Soi.

Bei den Frauen sorgte die 5.000-m-Weltmeisterin Vivian Cheruiyot ebenfalls für einen kenianischen Erfolg. Allerdings blieb die erst 20-jährige äthiopische Juniorin Asfera Godfay in dem 5-km-Lauf bis ins Ziel an den Fersen der Siegerin. Das lag auch am eher langsamen Rhythmus des Rennens. In 16:03 Minuten war Vivian Cheruiyot fast eine halbe Minute über dem Streckenrekord der Deutschen Kathrin Ullrich aus dem Jahr 1991. Dafür versprach Vivian, die den Laufsport ernsthaft seit ihrer Schulzeit betreibt, im nächsten Jahr mit einer stärkeren Vorstellung wiederkommen zu wollen. Asfera Godfay wurde schließlich in 16:04 Minuten Zweite. Rang drei ging an die Lokalmatadorin Silvia Weissteiner (Italien) mit 16:14. Vierte wurde Fatna Maraoiu (Italien/16:27), Platz fünf belegte Ana Dias (Portugal/16:29).

Teil der Veranstaltungen um den BOclassic durch die historische Bozner Altstadt ist auch der Jugendcup. Mit diesen Rennen möchten die Organisatoren Südtiroler Nachwuchstalente und laufbegeisterte Jugendliche fördern.

Madrid: Gelungenes Silvester-Comeback von Tirunesh Dibaba

Tirunesh Dibaba, hier zu sehen bei den Boston Indoor Games 2008, siegt in Madrid nach langer Verletzungspause. © www.photorun.net
Tirunesh Dibaba, hier zu sehen bei den Boston Indoor Games 2008, siegt in Madrid nach langer Verletzungspause. © www.photorun.net

Knapp eineinhalb Jahre nach ihrem letzten Rennen, einem 5.000-m-Sieg beim Londoner Diamond League-Meeting im August 2010, hat sich Tirunesh Dibaba zurückgemeldet. Die äthiopische Doppel-Olympiasiegerin (5.000 und 10.000 m) zeigte beim Silvesterlauf in Madrid ein tolles Comeback. Die 26-Jährige gewann auf der 10-km-Strecke in sehr guten 31:30 Minuten zeitgleich vor ihrer Landsfrau Gelete Burka. Die Mittelstrecken-Spezialistin Gelete Burka hatte kurz vor dem Ziel noch knapp in Führung gelegen, doch Tirunesh Dibaba konnte im Spurt überzeugen – so wie in den Rennen vor ihrer Verletzungspause. Mit Abstand folgte Susan Partridge (Großbritannien/32:44) auf Platz drei. Vierte wurde Marta Dominguez (Spanien) mit 32:49.

„Ich habe mich jetzt komplett erholt von den Verletzungen, und mein Training läuft gut“, wird Tirunesh Dibaba auf der Internetseite iaaf.org des internationalen Leichtathletik-Verbandes zitiert. „Ich freue mich darauf, bei den Olympischen Spielen in London im kommenden Sommer zu starten und will meine Goldmedaillen verteidigen.“

Eine Überraschung gab es im Männerrennen. Hier überzeugte der äthiopische Nachwuchsläufer Hagos Gebrehiwot im Spurt. Der 17-Jährige, der niemals zuvor außerhalb von Äthiopien gestartet war und erst kurzfristig nachgemeldet wurde, konnte sich gegen den Favoriten Teklemariam Medhin (Eritrea) durchsetzen. Beide Läufer wurden zeitgleich mit 27:57 Minuten gestoppt. Rang drei ging an den Spanier Ayad Lamdassem (28:10), Vierter wurde sein Landsmann Chema Martinez mit 28:34.

Bei dem Silvesterlauf in Madrid gingen insgesamt 38.000 Läufer an den Start. Das Rennen ist damit weltweit das größte seiner Art.

São Paulo: Tariku Bekele und Priscah Jeptoo vorne

Priscah Jeptoo, hier zu sehen bei den Leichtathletik Weltmeisterschaften 2011, stellte in São Paulo einen Veranstaltungsrekord auf. © www.photorun.net
Priscah Jeptoo, hier zu sehen bei den Leichtathletik Weltmeisterschaften 2011, stellte in São Paulo einen Veranstaltungsrekord auf. © www.photorun.net

Tariku Bekele und Priscah Jeptoo sind die Sieger des Silvesterlauf-Spektakels von São Paulo. Bei dem Klassiker, der bereits zum 87. Mal gestartet wurde, herrschten widrige Wetterbedingungen mit starkem Regen. Trotzdem stellte die kenianische Läuferin Priscah Jeptoo auf dem neuen 15-km-Kurs einen Veranstaltungsrekord von 48:48 Minuten auf. Äthiopiens Tariku Bekele, der jüngere Bruder des mehrfachen Olympiasiegers und Weltrekordlers Kenenisa Bekele, gewann das Männerrennen souverän in 43:35.

In dem stark besetzten Lauf löste sich der 24-Jährige bereits nach etwa der Hälfte der Strecke von seinen Konkurrenten und vergrößerte den Vorsprung dann ständig. „Der Regen hat mich nicht gestört, ich habe meine Taktik genau umsetzen können“, erklärte Tariku Bekele gegenüber der Internetseite des internationalen Leichtathletik-Verbandes (iaaf.org). „Ich hoffe, dass dieser Sieg eine Motivation sowohl für mich als auch für Kenenisa ist, mit dem ich zusammen trainiert habe“, fügte Tariku hinzu. Er wird sich auf einen Start bei den Hallen-Weltmeisterschaften im März in Istanbul vorbereiten.

In São Paulo konnte Tariku Bekele drei kenianische Mitstreiter hinter sich lassen: Mark Korir wurde in 43:58 Minuten Zweiter vor den Marathonläufern Matthew Kisorio (44:12) und Martin Lel (44:28). Platz fünf belegte der Marokkaner Najin El Qady mit 44:32.

Im Frauenrennen übernahmen Priscah Jeptoo und die Äthiopierin Ayelew Wude nach rund 5 km die Führung. Der Zweikampf der beiden afrikanischen Weltklasseläuferinnen wurde erst auf der Zielgeraden entschieden. Hier hatte Priscah Jeptoo, die im August bei den Weltmeisterschaften in Daegu (Südkorea) die Silbermedaille im Marathon gewonnen hatte, die besseren Reserven. Im Spurt erlief sie noch einen Vorsprung von vier Sekunden. Mit ihrer Siegzeit von 48:48 war die 27-Jährige die erste Frau, die beim „Corrida Internacional de São Silvestre“ die 50-Minuten-Marke unterbieten konnte. Im vergangenen Jahr hatte Alice Timbilil mit 50:19 einen Kursrekord aufgestellt.

Ayelew Wude, die das Rennen bereits 2008 gewonnen hatte, war nach 48:52 Minuten im Ziel. Rang drei belegte mit deutlichem Abstand Eunice Kirwa (Kenia) in 50:58, gefolgt von Nadia Ejjafini (Italien/51:19).

Peuerbach: Leonard Komon siegt, Irina Mikitenko Dritte

Irina Mikitenko, hier zu sehen beim Chicago-Marathon 2009, erreichte in Peuerbach Rang drei und blickt optimistisch auf das Olympiajahr 2012. © www.photorun.net
Irina Mikitenko, hier zu sehen beim Chicago-Marathon 2009, erreichte in Peuerbach Rang drei und blickt optimistisch auf das Olympiajahr 2012. © www.photorun.net

Mit einem dritten Platz hat die Weltklasse-Marathonläuferin Irina Mikitenko das Jahr 2011 beendet. Beim Silvesterlauf im oberösterreichischen Peuerbach konnte die
39-jährige Athletin des SC Gelnhausen über 5,1 km bis zum Endspurt an den beiden Äthiopierinnen Asmera Bekele Workeba und Fikre Kifle Alem dran bleiben. Die Siegerin Asmera Bekele Workeba erreichte in 16:24 zeitgleich vor ihrer Landsfrau das Ziel. Irina Mikitenko lief 16:31 Minuten, und Andrea Mayr (Österreich) folgte als Vierte mit 16:46.

Im Männerrennen setzte sich der aktuelle
10-km-Weltrekordler Leonard Komon (Kenia) in 18:51 Minuten souverän vor seinem Landsmann und Trainingspartner Josphat Bett (18:58) durch. Dritter wurde Yehwalaeshet Zewdie-Miliyon (18:59), gefolgt von Zelalem Regasa (beide Äthiopien/19:22). Mit nur einer Sekunde Rückstand belegte Günther Weidlinger (Österreich) Rang fünf. Darauf folgte Steffen Uliczka (SG Kronshagen/Kiel/19:41) als Sechster. Marathonläufer Jan Fitschen (TV Wattenscheid/19:56) belegte Platz neun.

„Ein Jahr ohne Silvesterlauf als Abschluss – das geht nicht. Diese Rennen stehen bei mir immer auf dem Programm. Es herrscht stets eine sehr nette Atmosphäre und eine prima Stimmung – so war es auch heute in Peuerbach“, sagte Irina Mikitenko, die während des Rennens durchweg in der Spitzengruppe mit den beiden äthiopischen Läuferinnen lag. Erst auf den letzten 300 Metern fiel sie im Spurt zurück. „Es war trotzdem ein gutes Rennen für mich. Bis auf die letzten 300 Meter war alles perfekt. Aber das ist normal, dass ich in dieser Zeit, in der keinerlei Schnelligkeitstraining auf dem Programm steht, nicht so spurtstark bin.“

Nach dem gelungenen Jahresabschluss beim Internationalen Raiffeisen Silvesterlauf Peuerbach kann Irina Mikitenko nun optimistisch auf 2012 schauen. „Das große Ziel, der olympische Marathon in London, kommt jetzt natürlich immer näher. Aber bis dahin ist erst einmal noch viel Trainingsarbeit zu leisten“, sagte Irina, die vor Olympia am 22. April beim Virgin London-Marathon starten wird.

Trier: Äthiopische Läufer dominieren den Silvesterlauf

Bei dem „deutschen São Paulo“ mit Konfettiregen und rund 2.000 Läufern setzte sich im
8-km-Rennen der Männer der Favorit durch: Der Newcomer Musnet Geremew, der im November noch den Great Ethiopian Run über 10 km in Addis Abeba gewonnen hatte, siegte in 22:37 Minuten vor seinen Landsleuten Bane Tola, Yigrem Demelash (beide 22:39) und Taye Damte Kuashu (22:43). Als bester deutscher Läufer kam Arne Gabius (Asics Tübingen) nach 22:46 Minuten als Fünfter im Ziel.

Schnellste Frau über die 5-km-Distanz war die 22-jährige Almensch Belete. Die äthiopische Läuferin, die im vergangenen Jahr in Trier noch Vierte war, setzte sich souverän mit 15:56 Minuten durch. Rang zwei belegte Corinna Harrer (LG Telis Regensburg) in 16:04. Dritte wurde überraschend Diana Sujew (SC Potsdam/16:08), gefolgt von Gesa Felicitas Krause (Eintracht Frankfurt/16:15).