Unser Rückblick auf die Laufevents der Europameisterschaften in Zürich
Marathon der Männer
Marathon der Frauen
Die Bahn-Langstrecken
3.000-m-Hindernis
Daniele Meucci und Christelle Daunay sind die neuen Marathon-Europameister. Der italienische Läufer setzte sich am Schlusstag der Titelkämpfe in Zürich in 2:11:08 Stunden durch, während der einzige deutsche Starter, André Pollmächer (Rhein-Marathon Düsseldorf), einen starken achten Platz erreichte. Die Französin Christelle Daunay gewann tags zuvor am Samstag mit einem Meisterschaftsrekord von 2:25:14. Über die Bahn-Langstrecken stand der Brite Mo Farah im Mittelpunkt. Er triumphierte zunächst über 10.000 m und gewann dann auch über die 5.000-m-Strecke. Für einen deutschen Triumph sorgte Antje Möldner-Schmidt (LC Cottbus), die über 3.000-m-Hindernis gewann.
Marathon der Männer: Daniele Meucci tritt in die Fußstapfen von Gelindo Bordin und Stefano Baldini
Mit einer persönlichen Bestzeit von 2:11:08 Stunden wurde Daniele Meucci Marathon-Europameister. Er gewann klar vor Yared Shegumo (Polen/2:12:00) und Aleksey Reunkov (Russland/2:12:15). Ein starkes Rennen lief auch André Pollmächer. Der 31-Jährige wurde Achter in 2:14:51. Das ist die beste Platzierung eines deutschen Läufers in einem EM-Marathon der Männer seit 1986. Damals gewann Herbert Steffny in Stuttgart die Bronzemedaille vor Ralf Salzmann. André Pollmächer war der einzige deutsche Läufer im Züricher EM-Feld.
Ein polnischer Teilnehmer stand lange Zeit im Blickpunkt beim Rennen über die 42,195 Kilometer, das bei sonnigem Wetter und warmen Temperaturen von teilweise über 20 Grad Celsius stattfand. Marcin Chabowski hatte sich bereits nach rund neun Kilometern vom Feld abgesetzt und lief einen großen Vorsprung heraus. Der 28-Jährige, der 2012 in Düsseldorf als Vierter mit 2:10:07 Stunden seine Bestzeit aufstellte, erreichte die Halbmarathonmarke nach 64:45 Minuten und lag damit schon fast eine Minute vor einer großen Verfolgergruppe. Nach 25 km war er sogar 70 Sekunden voraus.
Doch in dieser Phase begann die Verfolgergruppe aufzuholen. Es war der Schweizer Titelverteidiger Viktor Röthlin, der vor heimischem Publikum das letzte große Rennen seiner Karriere lief, der das Tempo verschärfte. Nach und nach fiel die Verfolgergruppe auseinander, während zugleich der Vorsprung von Marcin Chabowski bei steigenden Temperaturen schmolz. Dann war es Daniele Meucci, der sich aus der Gruppe absetzte und immer dichter an den führenden Marcin Chabowski herankam. Der italienische Athlet, der zuletzt bei den Europameisterschaften Medaillen über 10.000 m gewonnen hatte (Bronze 2010 sowie Silber 2012) und erst wenige Marathonrennen gelaufen war, überholte seinen polnischen Kontrahenten schließlich kurz vor der 35-km-Marke. Marcin Chabowski litt in der Folge unter Seitenstechen und musste bald darauf aufgeben.
Während Daniele Meucci, der im vergangenen November in New York als Zehnter mit 2:12:03 seine bisherige Bestzeit aufgestellt hatte, zu einem großen Erfolg in seiner Karriere und einem persönlichen Rekord von 2:11:08 lief, sicherte sich ein anderer polnischer Langstreckler die Silbermedaille. Yared Shegumo war nach 2:12:00 im Ziel. Von Platz sechs auf Rang drei lief auf den letzten sieben Kilometern Russlands Aleksey Reunkov, der in 2:12:15 Bronze gewann.
„Es war eine schwierige Strecke, und in der letzten Runde war ich sehr müde. Aber ich habe immer an mich geglaubt. Die Zuschauer haben mir sehr auf den letzten drei oder vier Kilometern geholfen. Die Atmosphäre war wundervoll“, sagte Daniele. „Wir arbeiten in Italien daran, weiter Marathon-Geschichte zu schreiben. Dies ist erst mein viertes Rennen über diese Distanz gewesen.“ Zum fünften Mal hat ein Italiener den EM-Marathon der Männer gewonnen. Jeweils zweimal triumphierten zuvor Gelindo Bordin (1990 und 1996) sowie Stefano Baldini (1998 und 2006), die beide auch Marathon-Olympiasieger waren.
Hinter dem viertplatzierten Javier Guerra (Spanien/2:12:32) folgte der umjubelte Viktor Röthlin in 2:13:07. Abdellatif Meftah (Frankreich/2:13:16) und Ruggero Pertile (Italien/2:14:18) kamen auf die Plätze sechs und sieben.
André Pollmächer zeigte zum dritten Mal in Folge eine starke Marathonleistung. Vor knapp einem Jahr hatte er sich beim Berlin-Marathon mit einer Bestzeit von 2:13:05 Stunden zurückgemeldet, im April erreichte er bei Dauerregen in Düsseldorf 2:13:59. Doch sein Züricher EM-Rennen vom Sonntagmorgen ist noch stärker einzuschätzen. Platz acht bei einer Meisterschaft in 2:14:51 Stunden – dieses Resultat macht Hoffnung für die Zukunft. Noch bei Kilometer 30 lag André, der die Halbmarathonmarke zuvor in 66:40 Minuten passiert hatte, auf Rang 18. Bis zum Ziel machte er noch zehn Plätze gut.
„Ich bin gleichmäßig gelaufen und habe auf diese Weise viele Plätze aufholen können. In der ersten Runde war ich in der großen Führungsgruppe. Das hat mir geholfen, gut ins Tempo reinzukommen. Ich habe lange nicht gewusst, dass ich so weit vorne liege“, sagte André und fügte hinzu: „Ich bin so froh und happy, dass sich alles ausgezahlt hat. Ich habe alles auf eine Karte gesetzt mit dem EM-Start und der Vorbereitung. Dazu gehörten vier Wochen Trainingslager in St. Moritz.”
Marathon der Frauen: Christelle Daunay überrascht
Im Alter von 39 Jahren feierte Christelle Daunay in Zürich einen herausragenden Sieg im Marathon. Die französische Läuferin konnte sich mit einem neuen Meisterschaftsrekord von 2:25:14 Stunden vor der WM-Zweiten von Moskau 2013, Valeria Straneo aus Italien (2:25:27), und der Portugiesin Jessica Augusto (2:25:41) durchsetzen. Obwohl die Strecke durch das Stadtzentrum von Zürich wellig und nicht einfach war, blieben alle drei Medaillengewinnerinnen unter der bisherigen Rekordzeit der Marathon-EM-Historie von 2:26:05 Stunden, die Maria Guida (Italien) bei ihrem Sieg in München 2002 erzielt hatte.
Die französische Rekordhalterin Christelle Daunay war bei den Marathonrennen in New York, Chicago und Paris mehrfach zwischen den Rängen zwei und fünf platziert. Einen Sieg über die 42,195 Kilometer konnte sie aber bisher nicht feiern. „Ich habe es geschafft. Ich habe mit der schönsten Medaille das Highlight meiner Karriere erreicht“, sagte die 39-Jährige, die ihren nationalen Rekord 2010 in Paris aufgestellt hatte. Damals wurde Christelle in 2:24:22 Stunden Zweite. In diesem Jahr überzeugte sie als Siebente bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften in Kopenhagen (Dänemark). Auf einen Frühjahrs-Marathon verzichtete Christelle, um sich auf das EM-Rennen zu konzentrieren.
Bei kühlen Temperaturen von 12 Grad Celsius und bedecktem Himmel formierte sich frühzeitig eine siebenköpfige Spitzengruppe, die ein Tempo rannte, das auf 2:25 Stunden abzielte. Auf der viermal zu durchlaufenden Runde spielten dann ein harter Anstieg und das folgende Bergab-Stück eine entscheidende Rolle. Schließlich waren nur noch Christelle Daunay und Valeria Straneo an der Spitze übrig, deren Ringen um den Sieg erst wenige Kilometer vor dem Ziel entschieden wurde. Bei Kilometer 39 löste sich die Französin von ihrer italienischen Konkurrentin. „Ich musste geduldig sein und wusste, dass ich auf der Bergab-Passage angreifen musste“, sagte Christelle nach dem Rennen.
Hinter den drei Medaillengewinnerinnen blieben noch drei weitere Läuferinnen bei diesem anspruchsvollen Rennen unter 2:30 Stunden. Lisa Christina Nemec (Kroatien) wurde in 2:28:36 Vierte vor Elvan Abeylegesse (Türkei/2:29:46) und Titelverteidigerin Anna Incerti (Italien/2:29:58).
Als beste deutsche Läuferin erreichte Mona Stockhecke (LTH Marathon Hamburg) in 2:35:44 Stunden den 22. Platz. Als zweite deutsche Teilnehmerin lief Katharina Heinig (Eintracht Frankfurt) bei ihrem ersten Marathon-Meisterschaftsrennen in 2:40:11 Stunden auf Rang 28. Doch die erhoffte gute Mannschafts-Platzierung ließ sich nicht realisieren, denn nur zwei deutsche Athletinnen statt der Mindestzahl von drei Läuferinnen kamen ins Ziel. Sabrina Mockenhaupt (LG Sieg), die am Dienstag über 10.000 Meter Rang sechs erreicht hatte, musste nach etwa 23 Kilometern aus dem Rennen gehen und humpelte mit Schmerzen im Fußgelenk von der Strecke.
Die Bahn-Langstrecken: Mo Farah meldet sich mit Doppelsieg zurück
Der 31-jährige Brite Mo Farah gewann erneut die Goldmedaillen über 10.000 und 5.000 m, die er bei diesen Titelkämpfen bereits vor vier Jahren in Barcelona geholt hatte. Im 10.000-m-Rennen triumphierte Mo am Mittwoch in 28:08,11 Minuten im strömenden Regen vor seinem Landsmann Andy Vernon (28:08,66), der auf den letzten Metern noch Ali Kaya (Türkei/28:08,72) überholt hatte.
„Dieser Sieg bedeutet mir viel. Vor ein paar Wochen war ich krank, aber zuletzt lief das Training gut“, sagte Mo, der zunächst im Frühjahr beim Halbmarathon in New York unglücklicherweise stürzte. Mit 2:08:21 Stunden lief er dann zwar ein ausgezeichnetes Marathondebüt im April in London, doch Mo hatte sich mehr erhofft. Zudem hatten die Vorbereitung und das Rennen mehr Energie gekostet als gedacht. Gesundheitsprobleme folgten in der Vorbereitung auf die Commonwealth Games, und so verzichtete Mo auf eine Teilnahme und konzentrierte sich stattdessen auf die EM. In Zürich gelang es ihm nun, sich eindrucksvoll zurückzumelden.
Vier Tage nach seinem 10.000-m-Sieg gewann Mo am Sonntag auch die 5.000 m. Damit ist er aktuell nicht nur Europameister, sondern auch Weltmeister und Olympiasieger über jeweils beide Langstrecken. Nach einem verhaltenen Rennen gewann der britische Spitzenathlet mit einer superschnellen letzten Runde in 14:05,82 Minuten vor Hayle Ibrahimov (Aserbaidschan/14:08,32), der ihm bis fast auf die Zielgerade auf den Fersen war. Dritter wurde Mo Farahs Landsmann Andy Vernon in 14:09,48.
Eine große Überraschung gab es im 10.000-m-Finale der Frauen: Die 40-jährige Britin Jo Pavey sicherte sich die Goldmedaille. Es war ein großartiger Sieg in ihrer langen Karriere. Jo hatte bei den Olympischen Spielen in London 2012 jeweils starke siebente Plätze über 5.000 und 10.000 m belegt und dann im vergangenen Jahr aufgrund einer Schwangerschaft keine Wettkämpfe bestreiten können.
In der Schlussphase des Rennens ging Jo an die Spitze. In einem Zweikampf gegen Clémence Calvin (Frankreich) konnte die britische Ausnahmeathletin dann auf der Zielgeraden nochmals zulegen und lief zu einem souveränen Sieg in 32:22,39 Minuten vor ihrer französischen Gegnerin (32:23,58). Bronze ging an Laila Traby (Frankreich/32:26,03). Sabrina Mockenhaupt (LG Sieg) belegte einen starken sechsten Platz mit 32:30,49. „Ich bin sprachlos und begeistert. Das war ein langer Weg bis hierhin. Es ist schon irgendwie komisch, dass ich jahrelang einer Goldmedaille hinterhergelaufen bin und sie nun mit 40 Jahren doch noch gewinne“, sagte Jo, die vor zwei Jahren bei der EM in Helsinki Silber über 10.000 m gewonnen hatte.
Im 5.000-m-Finale vier Tage später wurde Jo Pavey Siebente in 15:38,41 Minuten. Den EM-Titel sicherte sich die Schwedin Meraf Bahta in 15:31,39 Minuten vor den Niederländerinnen Sifan Hassan (15:31,79) und Susan Kuijken (15:32,82).
Hindernis-Triumph für Antje Möldner-Schmidt
Für die deutschen Langstreckenläufer gab es am Schlusstag dieser Titelkämpfe noch einen Höhepunkt. Antje Möldner-Schmidt gewann Gold über 3.000-m-Hindernis. Die 30-jährige Läuferin des LC Cottbus konnte in einer Saisonbestzeit von 9:29,43 Minuten zum Sieg stürmen. Antje Möldner-Schmidt, die vor zwei Jahren Bronze bei der EM in Helsinki gewonnen hatte, lief ein taktisch kluges Rennen. Sie war stets vorne dabei und sorgte mit dafür, dass das Tempo ihr letztlich entgegenkam. Es war nicht zu langsam und nicht zu schnell, so dass die frühere Mittelstrecklerin am Ende ihre Grundschnelligkeit entscheidend ausspielen konnte.
In der letzten Runde waren vier Läuferinnen im Rennen um die Medaillen. Neben Antje waren dies die Schwedin Charlotta Fougberg, die Spanierin Diana Martin und Sviatlana Kudzelich (Weißrussland). In der letzten Kurve zog Antje Möldner-Schmidt an und schob sich zunächst auf Rang zwei hinter Charlotta Fougberg. Eingangs der Zielgeraden hatte sie im Gegensatz zu ihrer schwedischen Mitstreiterin den besseren Schritt. Während Charlotta Fougberg am letzten Hindernis Mühe hatte, kam die Deutsche Meisterin nicht aus dem Rhythmus und lief flüssig durch – das war die Entscheidung. In 9:29,43 gewann Antje vor Charlotta Fougberg (9:30,16), Diana Martin (9:30,70) und Sviatlana Kudzelich (9:30,99). Mit etwas Abstand folgte die zweite deutsche Läuferin auf einem guten fünften Platz: Gesa-Felicitas Krause (Eintracht Frankfurt) war nach 9:35,46 im Ziel.
„Ich hatte auf eine Medaille gehofft – und ein bisschen auch auf Gold. Aber es waren zwei Läuferinnen im Rennen, die in dieser Saison bereits unter 9:30 Minuten gelaufen waren, so dass ein Sieg nicht sehr wahrscheinlich war“, sagte Antje und fügte hinzu: „Es ist unglaublich!”
Antje hatte bereits vor fünf Jahren ein Weltklasseniveau erreicht, als sie bei den Weltmeisterschaften in Berlin mit der nach wie vor aktuellen deutschen Rekordzeit von 9:18,54 Minuten Neunte wurde. Nach diesem starken Rennen musste sie jedoch einen Schicksalsschlag hinnehmen. Eine schwere Erkrankung warf sie aus der Bahn. 2011 startete sie ihr Comeback. Die WM in Daegu (Südkorea) kam damals für sie noch zu früh. 2012 meldete sich Antje dann mit Rang drei bei der EM und einem starken siebenten Platz im Olympia-Finale in der internationalen Spitze zurück. Im vergangenen Jahr folgte Rang acht im WM-Finale in Moskau.
- Erschienen am 17. August 2014