Top-Halbmarathonrennen in Lissabon, New York und Den Haag

Von Jörg Wenig
Zersenay Tadese, hier zu sehen bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften 2007, gewann mit großem Vorsprung in Lissabon. © www.photorun.net
Zersenay Tadese, hier zu sehen bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften 2007, gewann mit großem Vorsprung in Lissabon. © www.photorun.net

In den Wochen vor den großen April-Marathonläufen – zu denen unter anderem die World Marathon Majors-Events von London und Boston gehören – finden traditionell eine Reihe von gut besetzten Halbmarathonrennen statt. In Lissabon, New York und Den Haag gab es bemerkenswerte Ergebnisse. Es waren dabei hauptsächlich Halbmarathon-Spezialisten, die für die besten Ergebnisse sorgten.

Eine Reihe von starken Marathonläufern wie zum Beispiel Boston-Titelverteidiger Robert Kiprono Cheruiyot und Patrick Makau (Kenia) oder auch Irina Mikitenko (SC Gelnhausen) und die aktuelle World Marathon Majors (WMM)-Siegerin Liliya Shobukhova (Russland) verzichteten in diesem Jahr auf einen Test über die halbe Distanz. Sie konzentrieren sich vollkommen auf ihre Marathonstarts im April. Doch es gab auch einige, die nach guten Halbmarathonrennen optimistisch auf ihre Läufe über die 42,195 Kilometer in den nächsten Wochen blicken können. Dazu zählen Aberu Kebede (Äthiopien) und Kara Goucher (USA).

Zersenay Tadese siegt mit hervorragender Zeit in Lissabon

Für die schnellste Halbmarathonzeit des Frühjahrs sorgte Zersenay Tadese, der bis auf sieben Sekunden an seinen eigenen Weltrekord herankam – eine umso beeindruckendere Leistung, da er dreiviertel des Rennens allein an der Spitze lief. Der 29-jährige Läufer aus Eritrea gewann am 20. März den 21. edp Lissabon-Halbmarathon mit 58:30 Minuten. Das ist die zweitschnellste je gelaufene Zeit über die 21,0975 Kilometer lange Strecke und demzufolge auch eine Jahresweltbestzeit. Vor einem Jahr hatte Zersenay Tadese das Rennen in Portugals Hauptstadt in 58:23 Minuten gewonnen.

Der Punkt-zu-Punkt-Kurs führte die etwa 6.300 Teilnehmer des Halbmarathons über die eindrucksvolle Hängebrücke des 25. April (Ponte 25 de Abril) und bot ihnen am Beginn des Rennens einen phantastischen Ausblick. Die 3,2 Kilometer lange Brücke überspannt den Fluss Tejo und verbindet den Lissabonner Stadtteil Alcantara mit der Stadt Almada.

Bei warmem, sonnigem Frühlingswetter musste der vierfache Halbmarathon-Weltmeister Zersenay Tadese, der sich als Jugendlicher zunächst für den Radsport begeistert hatte, bereits nach fünf Kilometern bei seiner neuen Weltrekordjagd durch Lissabon alleine an der Spitze rennen. Die Tempomacher konnten die Geschwindigkeit deutlich früher als geplant nicht mehr halten. Im Lauf gegen die Uhr passierte er die 10-km-Marke nach 27:42 Minuten. Damit war er nur drei Sekunden langsamer als 2010. Doch bei zeitweiligem Gegenwind in der Schlussphase des Rennens verlor der frühere Crosslauf-Weltmeister an Geschwindigkeit und damit weitere wertvolle Sekunden.

Die Konkurrenz hatte Zersenay Tadese, der in diesem Frühjahr keinen Marathon laufen wird, weit hinter sich gelassen. Der zweitplatzierte Kenianer John Mwangangi erreichte genau zwei Minuten später das Ziel (60:30). Dritter wurde Silas Sang (Kenia) in 60:38.

Schnellste Frau war die real,- Berlin-Marathon-Siegerin des vergangenen Jahres, Aberu Kebede. Die Äthiopierin, die am 17. April beim Virgin London-Marathon starten wird, gewann in 68:28 Minuten vor Ana Dulce Felix. Die Portugiesin stellte mit 68:33 Minuten einen Landesrekord auf und blickte danach optimistisch auf den Wien-Marathon. Am 17. April hofft sie dort auf eine gute erste Marathonzeit ihrer Karriere. Auch die folgenden beiden kenianischen Läuferinnen blieben noch unter 69 Minuten: Grace Momanyi lief als Dritte 68:41, Pauline Njeri war nach 68:55 im Ziel.

Mo Farah gewinnt Debüt in New York

Mo Farah kam in New York knapp vor Gebre Gebremariam ins Ziel. © www.photorun.net
Mo Farah kam in New York knapp vor Gebre Gebremariam ins Ziel. © www.photorun.net

Der Brite Mo Farah lief in New York City (USA) am 20. März ein glänzendes Halbmarathon-Debüt und setzte sich mit einer Siegzeit von 60:23 Minuten an die Spitze der europäischen Jahresbestenliste. Der Doppel-Europameister von 2010, der in Barcelona im vergangenen Jahr sowohl über 5.000 Meter als auch über 10.000 m EM-Gold gewonnen hatte, brach auf Anhieb den 25 Jahre alten britischen Rekord. Der frühere walisische Marathon-Weltrekordler Steve Jones war 1986 beim Great North Run in Newcastle (Großbritannien) 60:59 Minuten gelaufen. Nach diesem Debüt könnte Mo Farah zukünftig auch in der Lage sein, den Halbmarathon-Europarekord des Spaniers Fabian Roncero anzugreifen, der 2001 in Berlin 59:52 erreicht hatte.

Bei kühlen Temperaturen überquerten mehr als 10.000 Teilnehmer die Ziellinie von New York. Der Kurs führte sie durch den bekannten Central Park und am Times Square vorbei. Auf dem Weg zum Ziel wurden sie eindrucksvoll angefeuert und motiviert von Tausenden von Zuschauern und 18 Live-Bands.

„Ich bin in der besten Form meines Lebens. Zuletzt habe ich deutlich mehr Umfänge trainiert als zuvor“, erklärte der 27-Jährige, der als Kind einer Flüchtlingsfamilie im Alter von 10 Jahren aus Somalias Hauptstadt Mogadischu nach England gekommen war. Seit kurzem lebt er in den USA und hat sich dort der Trainingsgruppe von Alberto Salazar angeschlossen. Mittelfristig dürfte Mo Farah sicherlich auch sein Marathondebüt laufen. Doch mit Blick auf die WM im Sommer und Olympia 2012 in London hat die 10.000-m-Strecke noch Priorität.

Mo Farah ließ in New York den äthiopischen Crosslauf-Weltmeister von 2009, Gebre Gebremariam, nach einem starken Endspurt um zwei Sekunden hinter sich. Der äthiopische Läufer kam in 60:25 Minuten ins Ziel und bewies, dass er vor seinem Start beim Boston-Marathon am 18. April in sehr guter Form ist. Dritter wurde Mo Farahs neuer Trainingspartner Galen Rupp (USA) mit 60:30 – er konnte nach der Hälfte der Strecke trotz eines Sturzes wieder zur Spitze aufschließen.

Caroline Rotich stellte einen neuen Kursrekord in New York auf. © www.photorun.net
Caroline Rotich stellte einen neuen Kursrekord in New York auf. © www.photorun.net

Einen Kursrekord gab es im Rennen der Frauen. Auch hier fiel die Entscheidung erst in der Schlussphase. Rund 400 Meter vor dem Ziel konnte sich die Kenianerin Caroline Rotich von ihrer Landsfrau Edna Kiplagat und der US-Amerikanerin Kara Goucher lösen und gewann in der persönlichen Bestzeit von 68:52 Minuten mit acht Sekunden Vorsprung vor Edna Kiplagat. Dritte wurde Kara Goucher (69:03), die sich nach der Geburt ihres Sohnes Ende September in Vorbereitung auf den Boston-Marathon befindet, und damit ebenfalls noch unter dem ein Jahr alten Kursrekord von Mara Yamauchi (Großbritannien/69:25) blieb. „Es wäre natürlich schön gewesen, wenn ich gewonnen hätte – aber das Rennen war für mich trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung“, erklärte die 32-Jährige.

Fünf Läufer unter einer Stunde in Den Haag

Lelisa Desisa, hier zu sehen 2010 in New Delhi, siegte in Den Haag mit einer persönlichen Bestzeit. © www.photorun.net
Lelisa Desisa, hier zu sehen 2010 in New Delhi, siegte in Den Haag mit einer persönlichen Bestzeit. © www.photorun.net

Gleich fünf Läufer blieben eine Woche zuvor beim 37. ABN AMRO CPC Den Haag-Halbmarathon unter der prestigeträchtigen Stundenmarke. Der schnellste von ihnen war der Äthiopier Lelisa Desisa, der bei Temperaturen von 12 Grad Celsius in 59:37 Minuten gewann. Damit bestätigte das holländische Rennen, bei dem alle Nebenveranstaltungen mit eingerechnet etwa 30.000 Athleten teilnahmen, seine Position als einer der schnellsten Halbmarathonläufe der Welt.

Der erst 21-jährige Lelisa Desisa hatte im vergangenen Jahr bereits mit einem siebenten Platz bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften in China auf sich aufmerksam gemacht. Dann steigerte er sich im November beim Neu Delhi-Halbmarathon in Indien auf 59:39 Minuten und wurde damit knapp Zweiter. In Den Haag gab es ebenfalls ein knappes Rennen, doch dieses Mal setzte sich Lelisa Desisa durch. Zweiter wurde sein äthiopischer Landsmann Azmeraw Bekele in 59:39, als Dritter folgte mit einer Sekunde Rückstand der Kenianer Peter Kirui. Auch Ayele Abshero (Äthiopien/59:42) und Lucas Rotich (Kenia/59:44) blieben auf den Rängen vier und fünf noch unter 60 Minuten, während James Kwambai (Kenia) als sechster in 60:01 ins Ziel kam.

Beim Rennen der Frauen konnte die kenianische Siegerin Filomena Chepchirchir mit 69:06 unter 70 Minuten bleiben. Ihr folgten Tsgereda Girma (Äthiopien) mit 70:30 sowie Joyce Kandie (Kenia) mit 71:50.