Robert Kiprono Cheruiyot – schon als Kind lief er täglich 28 km

Von Jörg Wenig
Robert Kiprono Cheruiyot auf dem Weg zum Sieg beim Boston-Marathon 2010. © www.photorun.net
Robert Kiprono Cheruiyot auf dem Weg zum Sieg beim Boston-Marathon 2010. © www.photorun.net

Es hätte vorher wohl kaum jemand für möglich gehalten, dass beim Boston-Marathon der Streckenrekord auf eine Zeit von unter 2:06 Stunden gesteigert wird. Jener Mann, der auf der schweren, hügeligen Strecke für diese Überraschung sorgte, heißt Robert Kiprono Cheruiyot. Der erst 21-Jährige krönte mit seinem sensationellen Kursrekord von 2:05:52 Stunden die 114. Auflage des Boston-Marathons im April. Am 10. Oktober wird er nun auf der schnellen Strecke des Bank of America Chicago-Marathons an den Start gehen.

Robert K. Cheruiyot wuchs in Bomet (Kenia) auf. Die Kleinstadt liegt im südlichen Teil des Great Rift Valley, aus dem viele der kenianischen Weltklasseläufer stammen. Die Gegend ist für ihre Teeplantagen bekannt. Wie Robert erzählte, hatte er einen Schulweg von sieben Kilometern, den er viermal am Tag absolvierte. Denn zum Mittagessen kam er zwischendurch nach Hause. Mit täglichen Läufen von insgesamt 28 Kilometern hat er offenbar schon als Kind beziehungsweise Jugendlicher unbewusst die Grundlage für seine leistungssportliche Entwicklung gelegt. Als Schüler schaffte er die 5.000 Meter bereits in 14:30 Minuten, dann lief er die 10 km in 30:33.

Zunächst trainierte er nach der Schule in Iten, einem bekannten Trainingscamp in der Nähe von Eldoret (der Läufer-Stadt im Great Rift Valley). Dort hatte er sich einem erfolgreichen kenianischen Marathonläufer angeschlossen: Christopher Cheboiboch, der 2002 sowohl beim Boston- als auch beim New York-Marathon Zweiter war. „Aber ich hatte das Gefühl, dass ich keine Fortschritte machte”, erzählte Robert K. Cheruiyot, der sich deswegen einer anderen Gruppe anschloss. Seitdem wird er von William Kiplagat in Eldoret betreut, dessen eigene Marathon-Bestzeit bei 2:06:50 Stunden liegt.

„Nach zwei Monaten Training wusste ich, dass Robert stark ist und das Training ernst nehmen würde. Auch wenn ich nicht selbst bei der Gruppe war, trainierte er diszipliniert nach meinen Vorgaben”, sagte William Kiplagat. Bei einem Halbmarathon in Nairobi erreichte Robert K. Cheruiyot 2007 eine 63er-Zeit, was angesichts der Höhenlage ein gutes Ergebnis war. William Kiplagat überredete ihn dann, zusammen mit ihm beim Commerzbank Frankfurt-Marathon 2008 an den Start zu gehen.

Das Problem war jedoch zunächst, dass der Eliteetat des Rennens bereits ausgeschöpft war. Doch William Kiplagat überzeugte auch seinen Manager, den Holländer Jos Hermens, davon, Robert K. Cheruiyot eine Chance zu geben. Jos Hermens bezahlte daraufhin das Flugticket aus eigener Tasche. Mit den Frankfurter Organisatoren wurde vereinbart: Läuft er unter 2:14 Stunden, bekommt der Manager die Kosten erstattet.

Nie zuvor war der damals gerade 20-jährige Kenianer einen Marathon gelaufen, und noch nie war er vor dem Rennen durch die Bankenmetropole außerhalb seines Heimatlandes an den Start gegangen. Bei seinem ersten Europa-Trip nutzte der Youngster die Chance seines Lebens. Dabei sah man beim Rennen, dass er über keinerlei Erfahrung bei solchen Läufen verfügt. Statt hinter den Tempomachern zu rennen, lief Robert K. Cheruiyot locker neben der Gruppe her. Schließlich setzte er sich von seinen Verfolgern ab und triumphierte mit einer Kursrekordzeit von 2:07:21 Stunden. Seinen zehntplatzierten Trainer William Kiplagat hatte er gut dreieinhalb Minuten hinter sich gelassen. „Ich bin völlig überrascht, dass ich hier gewonnen habe, daran hatte ich während des Rennens gar nicht gedacht”, erklärte Robert K. Cheruiyot, der mit diesem Sieg in Frankfurt für die größte Überraschung in der Geschichte des ältesten deutschen City-Marathons sorgte.

„Dieser Sieg hat mein Leben verändert”, sagte er. Mit den Prämien half das junge Lauftalent seiner Familie aus einer Notlage heraus: 2007 war sein Vater verstorben und seine Mutter, die noch vier weitere Kinder hat, übernahm die kleine Farm mit drei Kühen. „Ich habe ihr ein neues Haus gebaut und sieben weitere Kühe gekauft – jetzt hat sie zehn”, erzählte Robert K. Cheruiyot, der seit seinem Frankfurter Rennen 2008 gut vom Laufsport leben kann.

Robert K. Cheruiyot nach seinem Boston-Marathon Triumph. © www.photorun.net
Robert K. Cheruiyot nach seinem Boston-Marathon Triumph. © www.photorun.net

Im Frühjahr 2009 ging der Kenianer zum ersten Mal beim traditionsreichen Boston-Marathon an den Start und belegte einen beachtlichen fünften Platz in 2:10:06 Stunden. „Damals hatte ich leichte Probleme mit der rückseitigen Oberschenkelmuskulatur.” Im Herbst kam er als Titelverteidiger zurück nach Frankfurt und lief wiederum ein starkes Rennen. Als Zweiter verbesserte sich der inzwischen 21-Jährige auf 2:06:23 Stunden. Dann gewann er den Boston-Marathon im zweiten Anlauf. „Ich hatte wieder Probleme mit der Oberschenkelmuskulatur als ich nach Boston kam, jedoch bekam ich dieses Mal jeden Tag eine Massage”, erzählte er nach dem Rennen, das er mit einem halben Kilometer Vorsprung gewann. Weitere Informationen zum 114. Boston-Marathon können Sie hier finden.

In der Marathon-Vorbereitung läuft Robert Kiprono Cheruiyot – er ist weder mit dem mehrfachen Boston- und Chicago-Marathon-Sieger Robert Kipkoech Cheruiyot noch mit dem Chicago-Gewinner 2008, Evans Cheruiyot, verwandt – wöchentlich bis zu 250 Kilometer. Der längste Trainingslauf am Stück misst in der Regel 38 km. Zu den Trainingspartnern des
21-Jährigen, der zurzeit bei William Kiplagat wohnt, gehört unter anderen Vincent Kipruto. Dieser gewann den Paris-Marathon 2009 in 2:05:47.

Wer in Boston unter 2:06 läuft, sollte diese Zeit auf einem schnellen Kurs noch deutlich unterbieten können – Robert Kiprono Cheruiyot ist ein Athlet, von dem man noch hören wird.