Oslo im Dibaba-Fieber: Weltrekord über 5.000 Meter

Von Jörg Wenig
Tirunesh Dibaba in Oslo. © www.photorun.net
Tirunesh Dibaba in Oslo. © www.photorun.net

Tirunesh Dibaba krönte das AF Golden League-Meeting in Oslo mit einem Weltrekord über 5.000 Meter. Die 23-jährige Äthiopierin stürmte bei den legendären Exxon Mobil Bislett Games in einer warmen norwegischen Sommernacht vor rund 15.000 begeisterten Zuschauern zur Traumzeit von 14:11,15 Minuten. Damit verbesserte Tirunesh Dibaba die vor einem Jahr in Oslo aufgestellte Marke ihrer Landsfrau Meseret Defar um rund fünfeinhalb Sekunden.

Tirunesh Dibaba hat in Oslo eine Tradition fortgesetzt. Denn das Bislett-Stadion ist legendär angesichts der Kette von Mittel- und Langstreckenrekorden, die hier aufgestellt wurden. Ron Clarke (Australien), John Walker (Neuseeland), Henry Rono (Kenia), Ingrid Kristiansen (Norwegen), die beiden Engländer Steve Ovett und Sebastian Coe oder Haile Gebrselassie (Äthiopien) finden sich in den Weltrekordlisten des Traditions-Meetings, dessen Geschichte 1924 begann.

Auch der Name Tirunesh Dibaba stand schon vor dem Freitagabend in den Osloer Rekordlisten. 2003 hatte die damals gerade 18-jährige Athletin einen Juniorinnen-Weltrekord aufgestellt. Es war damals der Beginn einer steilen Karriere: Im gleichen Jahr wurde sie bei den Weltmeisterschaften in Paris die jüngste Weltmeisterin in einer Einzeldisziplin. Genau 18 Jahre und 90 Tage alt war die Läuferin, als sie überraschend die 5.000 m gewann. Bei den Olympischen Spielen in Athen wurde sie dann 2004 im 5.000-m-Finale Dritte und damit zur jüngsten olympischen Medaillengewinnerin ihres Landes aller Zeiten. Bei der WM 2005 setzte Tirunesh Dibaba in Helsinki die Erfolgsstory fort: Nie zuvor hatte eine Frau in der WM-Geschichte sowohl die 5.000 m als auch die 10.000 m gewonnen. Die damals 20-Jährige war in Finnland nicht zu schlagen. Im vergangenen Jahr verteidigte sie den 10.000-m-Titel trotz eines Sturzes in Osaka, verzichtete dann aber auf das 5.000-m-Rennen und musste sogar die Saison beenden. In diesem Jahr meldete sich Dibaba wieder mit Goldmedaillen zurück: Zunächst siegte sie bei der Cross-WM in Edinburgh Ende März, dann gewann sie Anfang Mai bei den Afrikameisterschaften die 10.000 m.

Nun begann sie in Oslo ein neues Kapitel ihrer Karriere: Sieht man von der Juniorinnen-Bestmarke ab, stellte Tirunesh Dibaba zum ersten Mal einen Freiluft-Weltrekord über eine Bahn-Langstrecke auf. „Das ist ein toller Tag für mich. Ich habe lange daran gedacht, diesen Weltrekord zu laufen – jetzt habe ich es umsetzen können. Seit den Afrikameisterschaften habe ich mich ausschließlich auf dieses Rennen vorbereitet“, erklärte Tirunesh Dibaba, die vor zwei Jahren bei einem 5.000-m-Rekordversuch in Oslo noch gescheitert war.

Am Freitagabend konnte sie sich bei ihrer Weltrekordjagd sogar auf familiäre Hilfe verlassen. Nachdem Anna Alminova (Russland) für das richtige Tempo gesorgt hatte und das Rennen nach knapp der Hälfte der Distanz beendete, übernahm Tirunesh Dibabas 25-jährige Schwester Ejegayehu den Job der Pacemakerin. „Ich bin ihr dankbar, dass sie mir geholfen hat. Das hatten wir so verabredet“, erklärte Tirunesh Dibaba. Allerdings konnte Ejegayehu Dibaba, die 10.000-m-Olympiazweite von Athen, das Tempo nicht lange genug halten. An der 3.000-m-Marke lag Tirunesh Dibaba im Weltrekord-Fahrplan plötzlich rund sechs Sekunden zurück. Doch nun ging sie selbst an die Spitze und brachte sich mit enormer Tempohärte wieder auf Kurs. „Zwei Runden vor Schluss war ich mir sicher, dass ich es schaffen würde“, sagte Tirunesh Dibaba, die den letzten Kilometer in knapp 2:43 Minuten lief und dabei noch einige überrundete Läuferinnen außen überholen musste, weil keine die Innenbahn freimachte.

Hinter der Kenianerin Lucy Wangui (14:33,49 Minuten) wurde Ejegayehu Dibaba mit 14:36,78 Dritte im Weltrekordrennen von Bislett. Doch das war noch nicht alles, was Familie Dibaba in Oslo zu bieten hatte: Als Siebente lief Tiruneshs jüngere Schwester Genzebe mit persönlicher Bestzeit von 15:02,41 ins Ziel. Die 17-Jährige hatte bei der Cross-WM im März als Siegerin des Rennens der Juniorinnen auf sich aufmerksam gemacht. „Es ist das erste Mal, dass wir alle drei in einem Bahnrennen an den Start gegangen sind“, sagte Tirunesh Dibaba in Oslo. Ihrer jungen Schwester prophezeit sie eine große Karriere.

Defar und Bekele verpassen Weltrekorde

Zwei Tage nach Oslo wollte sich Meseret Defar beim Grand Prix-Meeting in Eugene den 5.000-m-Weltrekord zurückholen. Doch die Äthiopierin scheiterte deutlich. In 14:38,73 Minuten gewann sie das Rennen zwar überlegen, jedoch war sie damit fast eine halbe Minute langsamer als Tirunesh Dibaba am Freitagabend. „Ich bin enttäuscht. Meine Beine waren nicht ausgeruht genug“, sagte Meseret Defar. Ebenfalls den avisierten Weltrekord verpasst hat Kenenisa Bekele. Der Äthiopier hält die 10.000-m-Bestmarke mit 26:17,53 Minuten und wollte diese Zeit unterbieten. In Eugene war er mit großem Vorsprung in 26:25,97 im Ziel. Immerhin ist das die viertbeste Zeit aller Zeiten. „Ich habe mein Bestes gegeben“, sagte Kenenisa Bekele.

Hilda Kibet gewinnt 10 km in New York

Hilda Kibet hat den 10-km-Frauenlauf der New York Road Runners im Central Park gewonnen. Die Holländerin war auf dem welligen Rundkurs nach 32:43 Minuten im Ziel und hatte sechs Sekunden Vorsprung vor Madai Perez (Mexiko). Dritte wurde Deena Kastor (USA), die sich auf ihren Start beim olympischen Marathon in Peking vorbereitet. Die Olympia-Dritte von Athen lief 33:14 Minuten. Bei der 37. Auflage des Rennens erreichten über 4.000 Läuferinnen das Ziel.

Deena Kastor hatte sich anfangs an die Spitze des Feldes gesetzt. Die 5-km-Marke erreichte die Amerikanerin nach 16:12 Minuten gemeinsam mit Hilda Kibet und Madai Perez. Zwei Sekunden später folgte Everlyne Lagat (Kenia), die am Ende hinter Magdalena Lewy Boulet (USA) Fünfte wurde. Rund 3,5 km vor dem Ziel fiel Deena Kastor zurück. Hilda Kibet setzte sich dann auf dem letzten Kilometer von Madai Perez ab. „Das war ein hartes Rennen“, sagte die 27-jährige Hilda Kibet. Die gebürtige Kenianerin startet seit kurzem für Holland. Sie ist die Kusine und Trainingspartnerin von Lornah Kiplagat, die schon länger nicht mehr für ihr Geburtsland Kenia, sondern für Holland startet. Beide dürften bei Olympia über 10.000 m an den Start gehen. „Ich bin zufrieden mit meinem Rennen“, sagte Deena Kastor, deren großes Ziel es ist, Marathon-Olympiasiegerin zu werden. Dafür allerdings wird sie sich in den verbleibenden Wochen deutlich steigern müssen.