Olympia spezial: Constantina Tomescu-Dita gewinnt Marathon-Gold
Constantina Tomescu-Dita heißt die Marathon-Olympiasiegerin von Peking. Die 38-jährige Rumänin gewann nach einem Alleingang in der zweiten Hälfte souverän in 2:26:44 Stunden vor Catherine Ndereba. Wie vor vier Jahren in Athen gewann die Kenianerin, die nach 2:27:06 im Ziel war, damit die Silbermedaille. Dritte wurde die Chinesin Chunxiu Zhou mit nur einer Sekunde Rückstand auf Ndereba. Eine Reihe von potenziellen Favoritinnen stieg während der 42,195 km aus, obwohl das Wetter längst nicht so extrem war wie befürchtet. Es herrschten 23 bis 24 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit lag um 70 Prozent, der Smog spielte keine Rolle. Die von Verletzungen geplagte Weltrekordlerin Paula Radcliffe (Großbritannien) lief in 2:32:38 Stunden auf Rang 23. Melanie Kraus (Bayer Leverkusen) zeigte als 38. in 2:35:17 ein im Rahmen ihrer Möglichkeiten gutes Rennen, Susanne Hahn (SV schlau.com Saarbrücken) kam mit 2:38:31 nicht über Rang 52 hinaus. Hunderttausende Zuschauer an der Strecke sowie rund 50.000 Zuschauer im Stadion sorgten am frühen Morgen für eine begeisternde Atmosphäre.
Der Sieg von Constantina Tomescu-Dita kam sicherlich etwas überraschend. Zur Gruppe der ganz großen Favoritinnen hatte die Rumänin nicht gezählt. Allerdings ist die erste olympische Marathon-Goldmedaille für Rumänien auch keine Sensation. 2005 hatte Constantina Tomescu-Dita bereits WM-Bronze gewonnen, im gleichen Jahr war sie zudem Halbmarathon-Weltmeisterin. Mit einer Bestzeit von hochklassigen 2:21:30 Stunden gehört sie seit Jahren zur Weltklasse über die 42,195 km. Auch bei großen City-Marathonrennen spielte Constantina Tomescu-Dita schon mehrfach eine starke Rolle. So gewann sie zum Beispiel 2004 in Chicago und war ein Jahr später Zweite in London.
Dennoch, auch die Mutter eines 13-jährigen Sohnes hatte nicht mit dem Olympiasieg gerechnet. „Hier waren sehr viele starke Läuferinnen am Start. Ich habe deswegen nicht an Gold gedacht, aber eine Chance für Silber oder Bronze gesehen“, erklärte Constantina Tomescu-Dita und fügte hinzu: „In der ersten Hälfte des Rennens wollte ich nur mitlaufen. Als das Tempo dann langsam war, habe ich forciert und mich dann gewundert, dass keine der anderen Läuferinnen mit mir mitging.“ Im zweiten Teil lief die Rumänin ein einsames Rennen an der Spitze und vergrößerte den Vorsprung zeitweilig bis auf 70 Sekunden. Zu spät, erst auf den letzten Kilometern, forcierten die Läuferinnen der siebenköpfigen Verfolgergruppe, unter anderen mit den Chinesinnen Chunxiu Zhou und Xiaolin Zhu sowie Weltmeisterin Catherine Ndereba, die Pace. Sie konnten Tomescu-Dita nicht mehr einholen. „Vielleicht hatten die anderen Läuferinnen zu viel Respekt vor dem Wetter und sind deswegen nicht mit mir mitgelaufen. Aber das war abgesehen von etwas Schwüle nicht so schlecht“, sagte Constantina Tomescu-Dita, die seit 2005 in der Höhenlage von Boulder (Colorado) lebt. „Ich bin sehr zufrieden mit meiner Silbermedaille, das ist ein großer Erfolg“, sagte Catherine Ndereba. Die Kenianerin ist nach Rosa Mota erst die zweite Marathonläuferin, die zwei olympische Medaillen gewonnen hat. Die Portugiesin war Dritte 1984 und siegte dann vier Jahre später.
Während Titelverteidigerin Mizuki Noguchi (Japan) aufgrund von extremen Müdigkeitsproblemen nach einem Trainingslager in der Schweiz auf ihren Start in Peking kurzfristig verzichtet hatte, stieg die Bronzemedaillengewinnerin von Athen, Deena Kastor (USA), aufgrund eines gebrochenen Fußes bereits nach fünf Kilometern aus. Ebenfalls nicht ins Ziel kamen die Äthiopierinnen Gete Wami und Berhane Adere, die in den letzten Jahren bei großen City-Marathonrennen sehr erfolgreich waren. „Ich hatte in der letzten Woche schon Probleme mit meinem Fuß und habe ihn mit Eis behandelt. Ich spürte beim Rennen dann plötzlich ein merkwürdiges Gefühl im Fuß und konnte dann nicht mehr auftreten. Ich hatte nicht erwartet, dass ich den Marathon in einem Bus beende – aber es gibt immer Höhen und Tiefen in einer Karriere. Das kann man sich leider nicht aussuchen“, erklärte Deena Kastor. Auch die zweite US-Läuferin im Rennen, Magdalena Lewy, beendete das Rennen vorzeitig nach 15 km.
„Ich bin glücklich und zufrieden mit meiner Leistung. Es war immer mein großes Ziel, bei einem Olympiamarathon an den Start zu gehen und ins Ziel zu kommen“, sagte Melanie Kraus und fügte hinzu: „Ich habe mir das Rennen gut eingeteilt und konnte am Ende noch zulegen.“ Ob sie nun als Titelverteidigerin beim Frankfurt-Marathon an den Start gehen wird, „darüber werde ich in der kommenden Woche nachdenken“.
Eine erstaunliche Leistung hat Paula Radcliffe vollbracht, obwohl sie kurz vor der 30-km-Marke den Kontakt zur Spitzengruppe verlor und schließlich abgeschlagen als 23. in 2:32:38 Stunden ins Ziel kam. Vor nicht einmal drei Monaten war bei ihr ein Ermüdungsbruch im Oberschenkel diagnostiziert worden und die Ärzte gaben ihr praktisch keine Chancen auf einen Start in Peking. Die 34-Jährige setzte alles auf eine Karte und startete. Doch es fehlten einfach zu viele Trainingswochen, um nach dem dramatischen Marathon-Aus 2004 in Athen nun im zweiten Anlauf Olympia-Gold zu gewinnen. Während des Rennens bekam sie zudem Muskelprobleme in der Wade und musste kurzzeitig anhalten. „Wir wussten, dass es ein Risiko sein würde, nach der Verletzung hier an den Start zu gehen. Ich habe in den letzten Wochen alles versucht und fühlte mich gut – aber ich konnte einfach nicht schneller laufen, das war frustrierend“, sagte Paula Radcliffe mit Tränen in den Augen nach dem Rennen.
Die Hoffnung auf olympisches Gold hat sie aber noch nicht aufgegeben: Bei den Spielen in London 2012 will sie es im Heimspiel noch einmal versuchen. Mut macht ihr dabei auch der Sieg der 38-jährigen Constantina Tomescu-Dita, denn in vier Jahren wird Paula Radcliffe ebenfalls 38 sein. „Das zeigt einmal mehr, dass im Marathon auch noch mit Ende 30 etwas geht.“ Die Rumänin ist nicht die erste Marathon-Siegerin in diesem Alter. Als der Portugiese Carlos Lopes 1984 in Los Angeles triumphierte, war er 37 Jahre alt.
- Erschienen am 17. August 2008
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