Olympia spezial: 100 Jahre Marathon-Distanz

Stefano Baldini gewann den olympischen Marathon 2004 in Athen. Der Italiener wird auch in Peking am Start sein. © www.PhotoRun.net
Stefano Baldini gewann den olympischen Marathon 2004 in Athen. Der Italiener wird auch in Peking am Start sein. © www.PhotoRun.net

Schon bei der Olympia-Premiere 1896 stand der Marathon als zentrales Ereignis auf dem Programm der Leichtathletik-Wettbewerbe. Doch die heutige, klassische Streckenlänge von 42,195 Kilometern wurde zum ersten Mal bei den Olympischen Spielen von London vor 100 Jahren gelaufen.

Dass es zu dieser ,krummen’ Distanz kam, hängt – so kurios es klingt – mit einem Ausbruch des Vesuvs im Jahre 1906 zusammen. Eigentlich sollten die Olympischen Spiele 1908 nämlich in Rom stattfinden und nicht in London. Doch die Vulkan-Katastrophe mit über 100 Toten führte dazu, dass die Italiener die Spiele zurückgaben. Berlin war ein Kandidat, doch die deutsche Hauptstadt verfügte damals nicht über geeignete Sportstätten. So sprangen die Engländer ein.

Bei vorherigen Auflagen der Olympischen Spiele war die Marathon- distanz nicht genau festgelegt. Sie betrug rund 40 Kilometer. Das wäre auch in Rom so gewesen. In London jedoch wurden daraus 1908 zum ersten Mal 42,195 km. Dass diese Länge herauskam, lag vor allem am britischen Königshaus. Die Strecke wurde damals vom Eingang des Olympiastadions rückwärts vermessen. 40 Kilometer waren in Eton erreicht. Doch der Startpunkt sollte direkt an der Ost-Terrasse des Schlosses Windsor liegen, damit die königliche Familie bequem zuschauen konnte. Von Eton betrug die Distanz bis dorthin noch gut eine Meile. Damit war die Strecke 42 Kilometer lang.

Doch dabei blieb es nicht, denn auch im Olympiastadion war eine Anpassung nötig. Das Ziel musste vor der königlichen Loge platziert werden. So kamen noch einmal 195 Meter hinzu: 42,195 km. Der Londoner Marathon des Jahres 1908 wurde allerdings nicht gleich zum Standardmaß. Das IOC beschloss 1914 zunächst eine Marathonlänge von genau 42 Kilometern. Doch nachdem die Strecke in Amsterdam 1920 auf 42,75 km verlängert worden war, begann die Diskussion von neuem. Es war schließlich die Weltrekord-Kommission des 1913 in Berlin gegründeten internationalen Leichtathletik-Verbandes IAAF, die ein Jahr nach den Spielen von Amsterdam beschloss, dass die Distanz fortan 42,195 km betragen soll.

Jener Marathon von London 1908 ist jedoch nicht nur aufgrund der Streckenlänge besonders in Erinnerung geblieben. Vor 100 Jahren spielte sich bei dem Langstreckenrennen ein olympisches Drama ab. Und wenn die Strecke nicht um jene 195 Meter bis zur königlichen Loge verlängert worden wäre, hätte der Sieger nicht John Hayes (USA), sondern Dorando Pietri geheißen. Der Italiener lag in dem Hitzerennen lange Zeit in Führung und erreichte als erster das Stadion. Vollkommen erschöpft, lief er in die falsche Richtung. Nachdem ihm der richtige Weg gewiesen worden war, brach er zusammen, stand wieder auf und taumelte weiter Richtung Ziellinie. Noch mehrmals fiel Dorando Pietri hin, und als dann der erste Verfolger, John Hayes, das Stadion erreichte, konnten es einige Offizielle nicht mehr mit ansehen. Sie führten den Italiener über die Ziellinie, was natürlich zur Folge hatte, dass Dorando Pietri disqualifiziert wurde. Der Sieger hieß John Hayes in 2:55:18,4 Stunden.