Olympia aktuell: Tiki Gelana gewinnt Marathon in olympischer Rekordzeit
Tiki Gelana heißt die neue Marathon-Olympiasiegerin. Die 24-jährige Äthiopierin gewann das Rennen bei zeitweilig starken Regenschauern und Temperaturen von knapp 20 Grad Celsius in der olympischen Rekordzeit von 2:23:07 Stunden vor der Kenianerin Priscah Jeptoo (2:23:12). Dritte wurde überraschend die Russin Tatyana Petrova mit 2:23:29. Die Favoritin des Rennens, Mary Keitany (Kenia), belegte Rang vier in 2:23:56. Insgesamt 118 Läuferinnen gingen auf dem Boulevard zwischen dem Buckingham Palace und dem Trafalgar Square an den Start.
In der Geschichte des olympischen Frauen-Marathons, die 1984 begann, war es das knappste Rennen um die Medaillen. Nur fünf Sekunden betrug der Vorsprung von Tiki Gelana und nur 22 lagen zwischen den Rängen eins und drei.
Trotz des Regens säumten Tausende von jubelnden Zuschauern den kurvenreichen Rundkurs, der die Athleten entlang vieler Londoner Sehenswürdigkeiten wie beispielsweise den Buckingham Palast, die St. Pauls Kathedrale und das Parlament vorbeiführte. Mit wehenden Fahnen in den Händen, feuerten die begeisterten Lauffans ihre Favoriten an.
Irina Mikitenko (SC Gelnhausen) belegte auf der Strecke durch die Londoner Innenstadt, die mit etlichen kleinen Anstiegen versehen war, einen starken 14. Platz mit 2:26:44. Bis kurz vor Kilometer 25 hatte die deutsche Marathon-Rekordlerin noch in der Spitzengruppe gelegen. Die zweite deutsche Läuferin im Rennen, Susanne Hahn (SV schlau.com Saarbrücken) erreichte in dem Topfeld Rang 32 mit 2:30:22.
Mit einem für ein Meisterschaftsrennen typischen, etwas verhaltenen Anfangstempo hatte der Marathon begonnen. Der 10-Kilometer-Punkt wurde nach 34:46 Minuten erreicht, was auf eine Zeit von etwa 2:27 Stunden hindeutete.
28 Läuferinnen waren nach der ersten Hälfte noch vorne dabei. Die große Gruppe hatte diese Marke nach 1:13:13 Stunden erreicht. Bereits deutlich zurück lag zu diesem Zeitpunkt Liliya Shobukhova. Die russische Gewinnerin der World Marathon Majors (WMM)-Serie 2010-2011 war nach ihrem Sieg beim Chicago-Marathon im vergangenen Jahr kein Rennen mehr gelaufen. Noch vor der 25-km-Marke musste die russische Läuferin in London aussteigen und fasste sich an die Oberschenkel-Rückseite. Sie hatte offenbar ein muskuläres Problem.
Kurz vor Kilometer 25 forcierte die kenianische Marathon-Weltmeisterin Edna Kiplagat dann das Tempo und riss das Feld damit auseinander. Schnell formte sich eine fünfköpfige Spitzengruppe, in der es zu dem erwarteten Länderduell zwischen den Teams aus Kenia und Äthiopien kam. Die Verfolgergruppe, in der sich auch Irina Mikitenko befand, hatte zunächst nur wenige Sekunden Rückstand.
Doch dies änderte sich noch vor Erreichen der 30-Kilometer-Marke. Die erste Gruppe lief diesen 5-km-Abschnitt in16:21 Minuten. Danach hatten Mary Keitany, Edna Kiplagat, Priscah Jeptoo (alle Kenia), Tiki Gelana und Mare Dibaba (beide Äthiopien) mit einer Zwischenzeit von 1:42:44 einen Vorsprung von neun Sekunden auf die Russin Tatyana Petrova, die sich überraschend von der Verfolgergruppe lösen konnte. Diese Gruppe war inzwischen auseinander gerissen, und auch Irina Mikitenko fiel weiter zurück. Die zweifache London-Marathon-Siegerin (2008 und 2009) lag auf Rang 13 mit 1:43:22.
Während in der Folge Mare Dibaba sich nicht mehr in der Führungsgruppe halten konnte, schaffte Tatyana Petrova den Anschluss. Die russische Läuferin war die Überraschung in diesem Marathon. Mit einer Bestzeit von 2:25:01, die sie im vergangenen Jahr in Berlin aufgestellt hatte, war sie ins Rennen gegangen. In London gelang ihr nun sogar eine Steigerung um rund eineinhalb Minuten. Kurz vor der 35-km-Marke fiel Edna Kiplagat zurück. Sie belegte in der Folge Platz 20. Die anderen vier – Mary Keitany, Priscah Jeptoo, Tatyana Petrova und Tiki Gelana – blieben auch jenseits der 40-km-Marke zusammen.
Es war dann Mary Keitany, die rund eineinhalb Kilometer vor dem Ziel Schwierigkeiten bekam und nicht mehr Schritt halten konnte. Berichten zufolge machten ihr Krämpfe im Rücken zu schaffen. Tiki Gelana, die während des Rennens gefallen war und sich am Ellenbogen verletzt hatte, suchte ihrerseits die Entscheidung und konnte einen kleinen, aber maßgebenden Vorsprung herauslaufen.
„Es war ein tolles Rennen. Ich mag es, im Regen zu laufen und war froh, als der Regen einsetzte. Ich lief schon als Kind im Regen“, sagte Tiki Gelana, die im April mit einem eindrucksvollen Sieg in Rotterdam mit 2:18:58 Stunden überrascht hatte.
Das Vorbild der 24-Jährigen ist ihre Landsfrau Fatuma Roba. Sie hatte den olympischen Marathon 1996 in Atlanta gewonnen. „Fatuma ist meine Heldin“, sagte Tiki nach dem Rennen gegenüber der Presse. „Ich bin sehr froh, ein Stück Laufgeschichte mit ihr teilen zu können. Diese Goldmedaille ist ein Geschenk für alle Äthiopier.“
Irina Mikitenko erklärte im Anschluss: „Es sind Olympische Spiele, deswegen bin ich auf Risiko gelaufen, als das Tempo vor der 25-km-Marke schneller wurde. Ich habe versucht mitzuhalten und meine Chance zu suchen. Leider hat es nicht gereicht. Die Strecke war sehr schwer mit den vielen Kurven und einigen rutschigen Kopfsteinpflasterpassagen – es war wie ein Stop and Go.“ Irina fügte anerkennend hinzu. „Die Zuschauerunterstützung war sehr stark in London.”
- Erschienen am 5. August 2012