Olympia aktuell: Sammy Wanjiru – Kenias Stolz im Marathon
Sammy Wanjiru hat sich in Peking den Status eines kenianischen Volkshelden erlaufen. Der 21-Jährige wurde am Sonntag zum ersten Marathon-Olympiasieger seines Landes. Obwohl die Kenianer seit Jahren die Marathonszene dominieren, war es zuvor in der olympischen Geschichte nie einem ihrer Topläufer gelungen, den Klassiker über 42,195 km zu gewinnen. Im letzten Wettbewerb der olympischen Leichtathletik stellte Sammy Wanjiru einen olympischen Rekord auf: Nach 2:06:32 Stunden lief er ins Ziel im Olympiastadion, wo am Morgen rund 60.000 Zuschauer auf die Marathonläufer warteten.
Für den kenianischen Youngster war es erst der dritte Marathon seiner Karriere: Im Dezember 2007 hatte er sein Debüt in Fukuoka (Japan) gewonnen und war dabei mit 2:06:39 Stunden das drittschnellste Marathondebüt aller Zeiten gelaufen. Im April wurde er dann knapp geschlagener Zweiter beim London-Marathon in 2:05:24 Stunden. Sieger war damals sein Landsmann Martin Lel (2:05:15), der in Peking als Fünfter mit 2:10:24 ins Ziel kam.
Hinter Sammy Wanjiru gewann der Marokkaner Jaouad Gharib die Silbermedaille mit 2:07:16 Stunden, auf den Bronzerang lief Tsegay Kebede in 2:10:00. Erst im Stadion hatte der Äthiopier seinen Landsmann Deriba Merga (2:10:21) überholt und noch auf Rang vier verdrängt. Als bester nicht-afrikanischer Läufer zeigte der WM-Dritte Viktor Röthlin (Schweiz) einmal mehr eine hochklassige Leistung. Als Sechster lief er 2:10:35 Stunden.
In einem Meisterschaftsrennen bei warmem Wetter mit Temperaturen die im Laufe des Rennens von 24 auf 30 Grad Celsius stiegen und einer von 52 auf 39 Prozent fallenden Luftfeuchtigkeit ist die Siegzeit von 2:06:32 Stunden außerordentlich stark. Bei einem City-Marathonrennen mit Tempomachern und kühlen Temperaturen sollte Sammy Wanjiru in der Lage sein, den Weltrekord von Haile Gebrselassie (Äthiopien/2:04:26 Stunden) brechen zu können. Den 24 Jahre alten olympischen Rekord von Carlos Lopes verbesserte der Kenianer in Peking um fast drei Minuten. Der Portugiese hatte 1984 in Los Angeles in 2:09:21 Stunden gewonnen.
„Unsere Athleten haben für Kenia schon viele Medaillen gewonnen, aber ich bin froh, dass ich diese hier gewonnen habe. Es ist ein tolles Gefühl, Geschichte geschrieben zu haben für Kenia“, sagte Samuel Wanjiru, der im vergangenen Jahr bereits Haile Gebrselassie den Halbmarathon-Weltrekord abgenommen hatte und auf 58:33 Minuten gesteigert hatte.
Beim olympischen Rennen durch Peking überraschten die Kenianer, weil sie von Anfang an ein für Meisterschaftsrennen ungewöhnlich schnelles Tempo vorlegten. „Es war unser Plan, schnell loszulaufen, denn wir wollten die Spreu vom Weizen trennen und vor allem die Europäer und Amerikaner hinter uns lassen“, erklärte Martin Lel. Diese Taktik ging auf. Schnell zog sich das Feld der 95 Läufer weit auseinander. Als die Halbmarathonmarke nach extrem schnellen 62:34 Minuten erreicht war, waren die Afrikaner unter sich: Neben Sammy Wanjiru und Martin Lel rannten der Äthiopier Deriba Merga und Yonas Kifle (Eritrea) sowie der Marokkaner Jaouad Gharib an der Spitze. Rund fünf Kilometer vor dem Ziel löste sich Wanjiru dann von seinem letzten, verbliebenen Konkurrenten Gharib.
„Es war ein hartes Rennen aufgrund der hohen Temperaturen“, erklärte Sammy Wanjiru, der teilweise in Japan lebt und die Sprache beherrscht. Im Alter von 16 Jahren hatte er ein Stipendium bekommen und war nach Japan gezogen. Eine Reihe von kenianischen Weltklasseläufern hatten dies bereits vor ihm gemacht. „Das war am Anfang nicht einfach, aber ich hatte einen sehr rücksichtsvollen Lehrer, der mir sehr geholfen hat“, erzählte Sammy Wanjiru, dessen Trainer Koichi Morishita ist. Der Japaner hatte beim olympischen Marathon in Barcelona 1992 die Silbermedaille gewonnen. Für den Olympia-Marathon hat Wanjiru allerdings in Kenia trainiert. Sein nächstes Ziel ist klar: „Im nächsten Jahr werde ich in Berlin starten. Aber nicht bei der WM, sondern beim Berlin-Marathon. Auf der schnellen Strecke möchte ich den Weltrekord brechen und unter 2:04 Stunden laufen“, erklärte der Olympiasieger.
Glänzend schlug sich einmal mehr Viktor Röthlin. Der 33-jährige Schweizer, der in diesem Jahr bereits den Tokio-Marathon gewonnen hatte, musste dabei weite Teile des Rennens alleine laufen. „Hier Sechster zu werden und bester Weißer zu sein, das ist super für mich. Eine Medaille wäre natürlich der Supergau gewesen, leider hat es dazu nicht gereicht“, erklärte Viktor Röthlin und fügte hinzu: „Das Tempo war am Anfang zu schnell für mich. Ich wollte hier nicht im Bus enden, sondern ins Stadion laufen. Ich denke, ich habe eine sehr gute Balance gefunden. Ich bin am Limit gelaufen, aber nicht über das Limit hinaus gegangen“, sagte Viktor Röthlin. „Diese Olympischen Spiele waren meine Chance, denn vor vier Jahren war ich noch nicht so weit und in vier Jahren werde ich zu alt sein.“ Hinter dem Schweizer überzeugten auch zwei weitere Nicht-Afrikaner: Die beiden US-Amerikaner Dathan Ritzenhein (2:11:59) und Ryan Hall (2:12:33) liefen auf die Plätze neun und zehn.
- Erschienen am 24. August 2008
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