New York City-Marathon abgesagt

Von Jörg Wenig
Tausende von Läufern starten in jedem Jahr in New York City. © www.PhotoRun.net
Tausende von Läufern starten in jedem Jahr in New York City. © www.PhotoRun.net

Zum ersten Mal in seiner Geschichte, die 1970 auf einer Rundstrecke im Central Park begann, fand der ING New York City-Marathon nicht statt. Am Freitagnachmittag hatte der Bürgermeister der Stadt, Michael Bloomberg, entschieden, dass das Rennen doch nicht abgehalten werden kann. Tags zuvor hatte er noch „Grünes Licht“ gegeben und erklärt, die Stadt werde nach dem Hurrikan „Sandy“ symbolisieren, dass sie sich auch in schweren Zeiten nicht aus der Bahn werfen lässt. Zudem sei der Marathon ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Die Kritik an dieser Entscheidung nahm jedoch mehr und mehr zu.

„Wir wollen nicht, dass eine dunkle Wolke über dem Rennen oder seinen Teilnehmern hängt. Deswegen haben wir entschieden, es abzusagen“, sagte der New Yorker Bürgermeister daraufhin, während Race-Direktorin Mary Wittenberg erklärte: „Sehr schweren Herzens müssen wir mitteilen, dass wir der Stadt am besten helfen, wenn wir den New York City-Marathon absagen.“

In einem Statement der New York Road Runners, die den Marathon veranstalten, heißt es: „Obwohl das Rennen keinerlei Ressourcen von den Rettungsarbeiten abgezogen hätte, sorgt es inzwischen für Kontroversen und Uneinheitlichkeit. Wir können nicht zulassen, dass es Kontroversen bezüglich einer Leichtathletik-Veranstaltung gibt – auch wenn sie so bedeutend ist wie diese – und dadurch von den für New York so wichtigen Wiederaufbauarbeiten abgelenkt wird.“

Hurrikan Sandy

Mary Wittenberg, die Race-Direktorin des New York City-Marathons. © www.PhotoRun.net
Mary Wittenberg, die Race-Direktorin des New York City-Marathons. © www.PhotoRun.net

Am Montagabend war der Hurrikan „Sandy“ unter anderem in New York City auf die US-Ostküste gestoßen und hatte schwere Verwüstungen angerichtet. Einen Tag später erhielten die Veranstalter der New York Road Runners die vermeintlich definitive Zusage vom Bürgermeister der Metropole, dass das Rennen stattfinden würde. Er begründete diese Entscheidung auch mit der wirtschaftlichen Bedeutung des Marathons für die Stadt. Rund die Hälfte der Teilnehmer des größten Marathonrennens der Welt, bei dem vor einem Jahr 47.323 Läufer im Ziel registriert wurden, kommen aus dem Ausland. Tausende weitere reisen aus anderen Teilen der USA an. Für viele von ihnen war die Zusage Bloombergs am Donnerstag das entscheidende Signal, nach New York zu kommen.

Doch die Lage und die Stimmung wurden nicht ausreichend evaluiert. Während die Vorbereitungen für den Marathon liefen, wurde das wahre Ausmaß der Katastrophe vor allem im Stadtteil Staten Island immer offensichtlicher. Mindestens 19 Menschen starben in dem Gebiet, wo der Marathon gestartet werden sollte. Bürger und Politiker aus Staten Island reagierten entsetzt über die Entscheidung die Veranstaltung stattfinden zu lassen. Die Kritik wuchs und in Folge dessen sagte der Bürgermeister das Rennen am Freitag ab.

Sabrina Mockenhaupt: „Es gibt Wichtigeres, als von A nach B zu laufen“

Die deutsche Topläuferin Sabrina Mockenhaupt war enttäuscht, zeigte zugleich aber volles Verständnis für die Absage des 43. New York-Marathons. Die Topathleten, deren Hotel in Manhattan in der Nähe des Central Parks liegt, bekamen wenig von der Katastrophe mit. „Für mich war alles gut. Man hat in unserer Umgebung gar nichts von dem Sturm gemerkt. Hier klappte alles reibungslos. Allerdings waren wir natürlich nicht in den betroffenen Gebieten untergebracht“, sagte Sabrina und fügte hinzu: „Die Stadt war voll mit Läufern, und der Marathon sollte ja eigentlich ein Signal der New Yorker sein. Wir sind da, wir lassen uns nicht unterkriegen. Bürgermeister Bloomberg hat ja gesagt, New York sei speziell und deswegen müsse der Marathon stattfinden. Denn er gibt den Menschen Hoffnung und Mut.“

Auf die Frage, wie sie die Absage am Freitagnachmittag aufgenommen hat, erklärte Sabrina: „Natürlich war ich enttäuscht, denn ich bin ja angereist, weil es hieß, der Marathon finde statt – aber die Absage ist nachvollziehbar. Es gibt jetzt weitaus wichtigere Dinge, als von A nach B zu laufen. Allerdings hätte man früher absagen können, spätestens am Mittwoch.“

Meb Keflezighi beim New York City-Marathon 2011. © www.PhotoRun.net
Meb Keflezighi beim New York City-Marathon 2011. © www.PhotoRun.net

Meb Keflezighi sagte gegenüber USAToday.com: „ Es geht nicht um mich, es geht um die Stadt. Wenn wir einen negativen Einfluss haben, dann haben sie das Recht [das Rennen] abzusagen“. Meb rief auf seiner Facebook-Seite am Freitag seine Fans dazu auf, die Hilfsmaßnahmen nach Möglichkeit zu unterstützen.

Kurzzeitig hatten die New Yorker Veranstalter überlegt, einen reinen Elite-Marathon mit den eingeladenen Topathleten zu veranstalten, der auf dem früheren Kurs des Rennens (vier Runden im Central Park) hätte stattfinden können. Doch diese Idee wurde schnell wieder verworfen.

Was passiert mit dem Startgeld der Läufer?

Noch nicht absehbar sind die finanziellen Folgen für den Veranstalter. Offenbar gibt es eine Versicherung für einen wetterbedingten Ausfall. Geklärt werden muss, ob und inwieweit Sponsorengelder zur Verfügung stehen und welchen Anteil des Startgeldes die Topläufer erhalten können. Den Breitensportlern soll ein Startplatz beim nächsten New York City-Marathon zugesichert werden – was allerdings heißen könnte, dass dieses Rennen damit fast schon ausgebucht ist. Das Startgeld müssten die Teilnehmer allerdings neu entrichten. Und die New York Road Runners erklärten zunächst, dass den Läufern für das ausgefallene Rennen nichts erstattet wird. Hierüber wollen die Veranstalter aber noch einmal beraten. Einige Teilnehmer erklärten, dass das Startgeld als Spende den Opfern des Hurrikans zur Verfügung gestellt werden sollte.

New York Road Runners unterstützen Rettungsarbeiten

Unabhängig von der Absage unterstützen die New York Road Runners die Rettungs- und Aufbauarbeiten in der Metropole. Eine Million US-Dollar hat der Veranstalter umgehend zur Verfügung gestellt, weitere 1,6 Millionen Dollar wurden inzwischen gesammelt. Auch freiwillige Helfer werden von den New York Road Runners vermittelt, um bei den Aufräumarbeiten zu helfen. Das Motto lautet dabei: „Race to Recover“. Weitere Informationen können Sie im Internet unter www.INGNYCMarathon.org finden.

Mary Keitany gewinnt World Marathon Majors-Serie

Mary Keitany beim Training in Kenya. © www.PhotoRun.net
Mary Keitany beim Training in Kenya. © www.PhotoRun.net

Angesichts der Situation in New York City verzichteten die World Marathon Majors (WMM), zu denen die Marathonrennen von Boston, London, Berlin, Chicago und New York City gehören, auf die traditionelle Siegerehrung am Montag. Während der Kenianer Geoffrey Mutai bereits vor dem New York City-Marathon als Sieger der WMM-Serie 2011-2012 feststand, wurde seine Landsfrau Mary Keitany zur Gewinnerin erklärt. Die London-Marathon-Siegerin hat in der nun abgeschlossenen Serie 65 Punkte und lag 15 Punkte vor Edna Kiplagat (Kenia). Die beiden Sieger teilen sich ein Preisgeld von einer Million US-Dollar.

In New York City wurde zuvor bekannt gegeben, dass der Tokio-Marathon ab 2013 zu der World Marathon Majors (WMM)-Serie gehören wird, die vor sechs Jahren von den Rennen in Boston, London, Berlin, Chicago und New York gegründet wurde. Der nächste Tokio-Marathon findet am 24. Februar statt. Das Rennen hatte zuletzt 36.000 Teilnehmer. Die Rekordzahl von 300.000 Bewerbungen um eine Startnummer registrierten die Veranstalter für das Rennen im kommenden Jahr.