Neue Weltmeister im Crosslauf: Imana Merga und Vivian Cheruiyot

Von Jörg Wenig
Das Männerrennen bei der Cross-WM. © www.photorun.net
Das Männerrennen bei der Cross-WM. © www.photorun.net

Im spanischen Punta Umbria lief der Äthiopier Imana Merga zum größten Triumph seiner noch jungen Karriere und erzielte damit zudem einen hervorragenden Erfolg für seine Mannschaft. Im vergangenen Jahr hatten die kenianischen Athleten alle vier Einzeltitel bei den Cross-Weltmeisterschaften (WM) gewonnen, und am Sonntag sah es so aus, als könnten sie dies in diesem Jahr wiederholen. Doch nach dem Erfolg von Vivian Cheruiyot im Frauenrennen sowie den Siegen von Geoffrey Kamworor und Faith Kipyegon in den Juniorenrennen setzte sich über 12 Kilometer bei den Männern überraschend der 22-jährige Imana Merga durch.

Das 12-km-Rennen der Männer

Imana Merga beim Schlussspurt zur Goldmedaille. © www.photorun.net
Imana Merga beim Schlussspurt zur Goldmedaille. © www.photorun.net

Beim Wettbewerb der Männer formierte sich bei sonnigem, warmem Frühlingswetter eine elfköpfige Spitzengruppe. Kenias sechsköpfiges Team war in dieser Gruppe komplett vertreten, während nach sechs Kilometern auf dem bewaldeten Rundkurs nur noch zwei äthiopische Läufer übrig blieben: Imana Merga und Hunegnaw Mesfin. Der Äthiopier Yenew Alamirew, der in der Hallensaison für Furore gesorgt hatte, als er in Stuttgart das 3.000-Meter-Rennen in 7:27,80 Minuten gewann und damit zum drittschnellsten Läufer aller Zeiten in der Halle wurde, gehörte zwar zum achtköpfigen äthiopischen Team, aber letztlich nicht zu jenen sechs, die starten durften.

Trotz der zahlenmäßigen Unterlegenheit waren es die beiden Äthiopier, die zu Beginn der fünften von sechs Runden die Initiative ergriffen. „Wir fühlten uns beide gut, und deswegen entschieden wir, das Tempo zu erhöhen“, erklärte Imana Merga später. Für Hunegnaw Mesfin wurde es allerdings bald darauf zu schnell, während sein Landsmann sich nun mit vier kenianischen Mitstreitern auseinandersetzen musste: Paul Tanui, Vincent Chepkok, Geoffrey Mutai und Mathew Kisorio. „Aber ich war zuversichtlich, dass ich Gold gewinnen würde und habe daher das Tempo nochmals etwas erhöht“, sagte der 22-Jährige. Während der Weltklasse-Marathonläufer Geoffrey Mutai rund 500 Meter vor dem Ziel zurückfiel, hielten die anderen drei kenianischen Läufer bis kurz vor dem Ziel noch den Anschluss. Aber gegen die Spurtkraft des neuen Weltmeisters konnte keiner von ihnen etwas ausrichten. Imana Merga gewann in 33:50 Minuten mit zwei Sekunden Vorsprung vor Paul Tanui. Bronze sicherte sich Vincent Chepkok (33:53) vor Mathew Kisorio (33:55) und Geoffrey Mutai (34:03). In der Teamwertung setzte sich die kenianische Mannschaft souverän vor Äthiopien und Uganda durch. Geoffrey Mutai wird am 18. April beim 115. Boston Marathon an den Start gehen.

Der Sieg von Imana Merga war durchaus überraschend, denn der Äthiopier hatte zuletzt im Dezember 2009 ein Crossrennen gewonnen. Sein größter internationaler Erfolg vor dem Cross-WM-Titel war ein vierter Platz im 10.000-m-Finale der Weltmeisterschaften 2009 in Berlin. „Ich habe mich immer mehr als Bahn-Langstreckler gesehen, aber jetzt werde ich sicherlich in der Zukunft mehr Crossrennen laufen“, sagte Imana Merga.

Der beste nicht-afrikanische Läufer in dem gut besetzten Feld von Punta Umbria war Craig Mottram. Der Australier belegte mit 35:33 Minuten Platz 21. Der beste Europäer war fünf Ränge weiter vorne: Ayad Lamdassem (Spanien) stammt allerdings aus Marokko. Er wurde 16. mit 35:12.

Steffen Uliczka, hier zu sehen 2010 bei einem Hindernisrennen in Brüssel, zeigte eine beachtliche Leistung. © www.photorun.net
Steffen Uliczka, hier zu sehen 2010 bei einem Hindernisrennen in Brüssel, zeigte eine beachtliche Leistung. © www.photorun.net

Gut hielt sich Steffen Uliczka bei seinem ersten Start bei einer Cross-WM. Der
26-Jährige lief nach 36:31 Minuten auf Rang 54 ins Ziel. Nach der Hälfte des Rennens lag der 3.000-m-Hindernisspezialist, der im vergangenen Sommer bei der EM überraschend Rang sechs belegt hatte, auf Platz 60. Dann arbeitete er sich noch etwas nach vorne. Mit Rang 54 kam er dicht an die beste Platzierung von Dieter Baumann bei einer Cross-WM heran: Im Jahr seines 5.000-m-Olympiasieges von Barcelona war Dieter Baumann bei der Cross-WM in Boston auf Rang 52 ins Ziel gekommen.

Das 8-km-Rennen der Frauen

Vivian Cheruiyot jubelt über ihren Cross-WM-Sieg. © www.photorun.net
Vivian Cheruiyot jubelt über ihren Cross-WM-Sieg. © www.photorun.net

Nach zwei Silbermedaillen bei Cross-Weltmeisterschaften in Folge war das Ziel von Linet Masai in Punta Umbria klar: Dieses Mal wollte sie unbedingt den Titel gewinnen, zumal die Vorjahressiegerin Emily Chebet bei den kenianischen Trials die Qualifikation verpasst hatte und somit nicht am Start war. In der vorletzten Runde begann die 10.000-m-Weltmeisterin damit, das Feld mit einer Tempoverschärfung auseinander zu ziehen. Doch Vivian Cheruiyot, die WM-Goldmedaillengewinnerin über 5.000 m von 2009, konnte mithalten. Fast immer hatte Linet Masai in den bisherigen Aufeinandertreffen der zwei im Crosslauf gewonnen. Als 10.000-m-Spezialistin schien sie die bessere Ausdauer zu haben – so auch bei den kenianischen Trials sowie beim stark besetzten Crossrennen von Edinburgh (Großbritannien) Anfang Januar.

Doch in Punta Umbria reichte es erneut nicht zur Goldmedaille für Linet Masai. Denn in der letzten Runde war es dieses Mal Vivian Cheruiyot, die sich entscheidend lösen konnte und das 8-km-Rennen in 24:58 Minuten mit neun Sekunden Vorsprung vor ihrer Landsfrau für sich entschied. Vivian Cheruiyot war im Jahr 2000 bereits Junioren-Weltmeisterin – insgesamt gewann sie als Junior acht Medaillen bei Cross-Weltmeisterschaften –, kam dann aber in der Frauenklasse vor den Meisterschaften in Punta Umbria nicht über Rang acht hinaus. „Ich bin sehr froh über diesen Sieg, denn ich hatte im Cross zuvor noch keine Medaille“, sagte die 27-Jährige.

Hinter Linet Masai (25:07) gab es im Kampf um Bronze eine Überraschung: Die US-Amerikanerin Shalane Flanagan konnte in der letzten Runde noch aufholen, ging an der Äthiopierin Meselech Melkamu (Vierte in 25:18) vorbei und hätte fast auch Linet Masai eingeholt. In 25:10 Minuten wurde die 29-Jährige schließlich Dritte und feierte nach der Bronzemedaille im olympischen 10.000-m-Finale von Peking 2008 (China) einen weiteren großartigen Erfolg ihrer Karriere.

Shalane Flanagan lief zu einer Bronzemedaille in Spanien. © www.photorun.net
Shalane Flanagan lief zu einer Bronzemedaille in Spanien. © www.photorun.net

Shalane Flanagan ist die erste nicht-afrikanische Medaillengewinnerin bei der Cross-WM seit Benita Willis (Australien), die 2004 in Brüssel (Belgien) sogar gewonnen hatte. Durch das Marathontraining sei sie stärker geworden, erklärte Shalane Flanagan in Punta Umbria. Im November 2010 war sie ihr Debüt über die klassische Distanz gelaufen und hatte in New York als Zweite mit 2:28:40 Stunden überzeugt. Mit dem dritten Platz in Spanien schuf Shalane Flanagan zudem die Grundlage für die Bronzemedaille, die das US-Team bei der Cross-WM hinter den Kenianerinnen und den Äthiopierinnen gewann. Bereits vor einem Jahr hatte es diese Reihenfolge bei der Teamwertung der Cross-WM gegeben. Schon damals war sie als Zwölfte die beste nicht-afrikanische Läuferin. Mehr über Shalane können sie auf unserer Website hier erfahren.

Eine bemerkenswerte Leistung zeigte Charlotte Purdue. Die erst 19-jährige Britin war die beste europäische Läuferin in Punta Umbria. Nach 26:03 Minuten kam sie auf Platz 14 ins Ziel und hatte lediglich einen Rückstand von 65 Sekunden. Ihr Beispiel zeigt, welchen Erfolg regelmäßiges Crosslaufen bringen kann.

Die Rennen der Junioren

Der Kenianer Geoffrey Kamworor setzte sich im 8-km-Lauf der Junioren souverän in 22:21 Minuten vor Thomas Ayeko (Uganda/22:27) und Patrick Mwikya (Kenia/22:32) durch. Der stärkste äthiopische Junior, Bonsa Dida, wurde Vierter mit 22:39 Minuten. Der 18-jährige Geoffrey Kamworor hatte sich frühzeitig an die Spitze des Feldes gesetzt und das Rennen kontrolliert. In der letzten von vier Runden konnte sich der Youngster von den anderen Läufern absetzen. Isiah Koech (Kenia), der in der vergangenen Hallensaison mit Weltklassezeiten in der Halle auf sich aufmerksam gemacht hatte, kam als Zehnter in 23:10 ins Ziel. In der Team-Wertung gewann die kenianische Mannschaft ebenfalls deutlich. Hier lief Äthiopien vor Uganda auf Rang zwei.

Deutlich stärker waren die äthiopischen Juniorinnen im 6-km-Wettbewerb, der die Titelkämpfe in Punta Umbria am Sonntag eröffnet hatte. Die Goldmedaille sicherte sich jedoch die erst 17 Jahre alte Kenianerin Faith Kipyegon. Nach ihrem vierten Platz bei der Cross-WM 2010 siegte sie nun in 18:53 Minuten nach einer knappen Spurtentscheidung vor den äthiopischen Läuferinnen Genet Yalew und Azemra Gebru (beide 18:54). So konnten die äthiopischen Juniorinnen die Team-Wertung vor den Kenianerinnen und den Japanerinnen gewinnen. Die japanische Mannschaft hatte trotz der katastrophalen Lage nach dem Erdbeben komplette Teams in allen vier Wettbewerben am Start und wurde mit dieser Bronzemedaille dafür belohnt.