Mo Farah – Doppel-Europameister trotz schwieriger Kindheit

Von Jörg Wenig
Mo Farah triumphierte als Doppel-Europameister in Barcelona. © www.photorun.net
Mo Farah triumphierte als Doppel-Europameister in Barcelona. © www.photorun.net

Vier Jahre hatte er auf diesen Tag gewartet: In Barcelona wurde Mo Farah schließlich Europameister – und das gleich zweimal. Zunächst gewann er souverän das
10.000-Meter-Finale, und dann triumphierte er vier Tage später auch über 5.000 m. Es war der erste Langstrecken-EM-Doppelsieg bei den Männern seit dem Italiener Salvatore Antibo 1990 in Split (Kroatien).

2006 war Mo Farah als britische Gold-Hoffnung in Göteborg über 5.000 m gestartet, musste aber am Ende mit Silber vorlieb nehmen. Nun gewann der 27-Jährige im Olympiastadion und schrieb auch noch ein Kapitel britische Leichtathletik-Geschichte. Denn nie zuvor hatte ein Läufer aus Großbritannien bei Europameisterschaften das Männer-Finale über 10.000 m gewonnen. „Vor vier Jahren bin ich nach Hause gegangen und wusste: Ich muss vier Jahre warten, um eine neue Chance auf einen EM-Titel zu erhalten. Das war nicht leicht”, erklärte Mo Farah.

Mo Farah, der im vergangenen Jahr bereits Hallen-Europameister über die 3.000-m-Distanz wurde und 2006 den kontinentalen Cross-Titel gewonnen hatte, ist als Kind einer Flüchtlingsfamilie im Alter von 10 Jahren aus Somalias Hauptstadt Mogadischu nach England gekommen. Seinem Sportlehrer Alan Watkinson fiel das Lauftalent auf. Er ließ Mohamed Farah viel Fußball spielen, brachte ihn zu einem Laufklub, und 1997 hieß der englische Crosslauf-Schulmeister Mo Farah.

Als 18-Jähriger wurde Mo Farah dann 2001 Junioren-Europameister über 5.000 m. In der damaligen Zeit traf Mo Farah übrigens auch auf den zwei Jahre älteren Chris Thompson, der im 10.000-m-Rennen von Barcelona hinter seinem Landsmann Silber gewann.

Ein Grund für den Erfolg von Mo Farah ist, dass er sich immer wieder konsequent starke Trainingspartner sucht. Schon vor fünf Jahren trainierte er gemeinsam mit dem Australier Craig Mottram und dem Kenianer Micah Kogo, mit dem er heute noch zusammen arbeitet und gut befreundet ist. Mo Farah lebt im Südwesten von London, wo große Parkanlagen ideale Trainingsbedingungen bieten. Eine Reihe von kenianischen Weltklasseathleten nutzen Teddington als Sommer-Basis. „Sie schlafen, essen, trainieren und ruhen sich aus – das ist alles, was sie machen. Aber genau das musst du machen. Ich will nicht nur der beste Brite sein, ich will mit den Besten der Welt konkurrieren können.” Vor knapp zwei Jahren fuhr Mo Farah in der Vorbereitung auf die Crosslauf-Europameisterschaften mit den Hindernisläufern Mustafa Mohamed (Schweden) und Bob Tahri (Frankreich) ins Trainingslager nach Äthiopien, auf die EM in Barcelona bereitete er sich teilweise in Kenia vor.

„Dieser Sieg heute bedeutet auch für meine Familie viel”, erzählte Mo Farah nach dem bisher größten Erfolg seiner Karriere in Barcelona. In der Vorbereitung auf die EM musste auch seine Frau zurückstecken. Nach den Flitterwochen im Frühjahr auf Sansibar (Tansania) wollten beide eigentlich nach London zurückfliegen und Mo Farah dann weiter zum Meeting nach Stanford (USA). Aufgrund der Aschewolke, die den Flugverkehr lahm legte, gab es für Mo Farah jedoch keine Möglichkeit, rechtzeitig nach Amerika zu kommen. „Da habe ich mir gesagt, dann fahre ich eben gleich wieder ins Trainingslager nach Kenia und meine Frau ist von Sansibar aus alleine nach Hause geflogen.”

Dass Mo Farah in dieser Saison in Topform ist, hatte er bereits im Mai und Juni bewiesen. Zunächst gewann er einen 10-km-Straßenlauf in London in der nationalen Rekordzeit von 27:44 Minuten, wobei er den früheren Weltrekordler über 10 km, Micah Kogo, hinter sich ließ. Dann setzte er sich überlegen beim 10.000-m-Europa-Cup in Marseille durch und stellte mit 27:28,86 Minuten eine persönliche Bestzeit auf.

Im 5.000-m-Finale von Barcelona ließ er unter anderen zwei Läufer hinter sich, gegen die er in den vergangenen zwei Jahren bittere Niederlagen hatte einstecken müssen. 2008 war er bei den Cross-Europameisterschaften Zweiter hinter Sergiy Lebid (Ukraine), und 2009 reichte es bei diesen Titelkämpfen wieder nicht ganz zum Sieg. In Dublin bezwang ihn der Spanier Alemayehu Bezabeh. Mo Farah hatte bis zum Umfallen gekämpft und brach im Ziel vor Erschöpfung zusammen. Er benötigte sogar medizinische Hilfe, und gleiches passierte bei einem zweiten Crossrennen im Januar in Edinburgh. Tests ergaben danach, dass er einen Magnesium- und Eisenmangel hatte. Die Probleme ließen sich schnell beheben. In diesem Sommer meldete sich Mo Farah nun zurück und ist so stark wie nie zuvor.