Marathon-Weltrekordler Dennis Kimetto: Inspiriert von Paul Tergat

Von Jörg Wenig

Dennis Kimetto gewinnt den Berlin-Marathon mit einem Weltrekord. © www.PhotoRun.net
Dennis Kimetto gewinnt den Berlin-Marathon mit einem Weltrekord. © www.PhotoRun.net
Im September 2014 feierte der 30-jährige Kenianer Dennis Kimetto beim 41. BMW Berlin-Marathon einen begeisternden Sieg. Mit einer Zeit von 2:02:57 gelang ihm am Brandenburger Tor das erste Ergebnis unter 2:03 Stunden über 42,195 km und ein Weltrekord. Dennis begann bemerkenswerterweise erst im Alter von 24 Jahren mit dem Laufsport. Sein Vorbild: Marathonlegende Paul Tergat.

Vor elf Jahren stellte Paul Tergat bei dem Rennen in Berlin mit 2:04:55 ebenfalls einen Weltrekord auf und erzielte die erste Zeit unter 2:05 Stunden. Pauls Leistung hatte zur Folge, dass ihm viele junge Lauftalente in Kenia nacheiferten, darunter auch Dennis. Kenias nächste Generation von Marathon-Weltklasseläufern hat an gleicher Stätte in Berlin mittlerweile drei Weltrekorde in vier Rennen aufgestellt. Patrick Makau lief 2:03:38 Stunden in 2011, Wilson Kipsang zwei Jahre später 2:03:23 und nun Dennis Kimetto 2:02:57.

Nach seinem Marathon-Rekordrennen erzählte Dennis mit Hilfe eines prominenten Dolmetschers – der dreimalige Frankfurt-Marathon-Sieger Wilfred Kigen übersetzte aus Swahili für den noch nicht gut Englisch sprechenden Weltrekordler – über seinen Hintergrund, seine Karriere und seine Zukunft. Im Gespräch in seiner Landessprache erlebt man einen Läufer, der genau weiß, was er will, eine starke Persönlichkeit hat und aus armen Verhältnissen kommend zielstrebig seinen Weg gegangen ist.

Dennis wurde in dem Ort Kapngetuny geboren und ist unweit davon auf der Farm seiner Eltern aufgewachsen – es ist genau jenes Gebiet, in dem einige der Athleten des holländischen Managers Gerard van de Veen trainieren und ihr Trainingscamp haben. Darunter ist vor allen der Boston- und New York-Marathon-Streckenrekordler Geoffrey Mutai.

„Ich war immer interessiert an den Olympischen Spielen…“

Voller Freude präsentiert Dennis am Brandenburger Tor seine Rekordzeit. © www.PhotoRun.net
Voller Freude präsentiert Dennis am Brandenburger Tor seine Rekordzeit. © www.PhotoRun.net
Ursprünglich hatte Dennis, der vier Brüder und drei Schwestern hat, mit Laufen nichts im Sinn. In der Schule spielte er Fußball. „Ich war Stürmer“, erzählte er. „Aber ich war immer interessiert an den Olympischen Spielen und an den Weltmeisterschaften.“ Da seine Eltern sich keinen Fernseher leisten konnten, ging er in das Dorfzentrum, um dort die Olympischen Spiele 2000 in Sydney zu verfolgen. „Ich sah das 10.000-Meter-Finale mit Paul Tergat und Haile Gebrselassie“, erinnert sich Dennis. Doch bis er selbst zum Läufer wurde, dauerte es weitere acht Jahre.

Noch mit Anfang 20 ging Dennis auf die Grundschule. „Das ist nicht ungewöhnlich in Kenia, denn viele Kinder und Jugendliche verbringen viel mehr Zeit damit, ihren Eltern auf der Farm zu helfen, als in die Schule zu gehen“, erklärt Wilfred Kigen. So war es auch bei Dennis. „Ich habe immer auf der Farm meiner Eltern gearbeitet. Sie hatten kein Geld, mir eine weiterführende Schulausbildung zu finanzieren“, erzählt er. Nach der Schulzeit arbeitete Dennis zunächst 2007 ausschließlich auf der elterlichen Farm.

Doch er verfolgte auch die Karriere von Paul Tergat weiter und hatte gesehen, dass der kenianische Athlet in Berlin 2003 als erster Läufer die Marathondistanz unter 2:05 Stunden gelaufen war. „Ich sah ihn immer wieder im Fernsehen. Und irgendwann wollte ich so werden wie er“, erzählte Dennis. 2008 versuchte er es schließlich mit dem Laufsport und begann mit dem Training. Die Arbeit auf der Farm gab er dafür auf. Seine Eltern unterstützten ihn dabei. „Sie sagten, trainiere so hart du kannst – der Sport kann dein Leben verändern.“ Immer wieder kreuzten sich dabei die Laufwege von Dennis und der Trainingsgruppe von Geoffrey Mutai.

Überraschend hatte Dennis 2012 als Newcomer den Halbmarathon in Ras Al Khaimah gewonnen. © www.PhotoRun.net
Überraschend hatte Dennis 2012 als Newcomer den Halbmarathon in Ras Al Khaimah gewonnen. © www.PhotoRun.net
Es war dann auch Geoffrey, dem das Talent von Dennis auffiel. Er lud ihn ein, mit der Gruppe zu trainieren. Das war der entscheidende Augenblick für seine zukünftige Karriere. 2009 zog Dennis ins Trainingscamp zu Geoffrey Mutai und Co. In den folgenden zwei Jahren gewann er eine Reihe von Straßenläufen in Kenia, darunter den Nairobi-Halbmarathon 2011. Seine Zeit von 61:30 Minuten in der leistungsmindernden Höhenluft deutete sein Vermögen an. Gerard van de Veen, der als Manager unter anderen auch Geoffrey Mutai betreut, vermittelte ihm sein erstes internationales Rennen 2012, den Halbmarathon in Ras al Khaimah. Der Lauf in den Vereinigten Arabischen Emiraten gehört zu den hochklassigsten Rennen über die „halbe Distanz“ weltweit.

„Ich ging dort an den Start und schaute mich um. Ich hatte großen Respekt und fast Angst, denn es standen plötzlich Weltklasseläufer wie Wilson Kipsang neben mir. Keiner wusste, wer ich war“, sagte Dennis, der seine Gegner ebenso wie alle Experten überraschte und das Rennen gewann. Sein nächster Sieg folgte in Berlin. Beim Halbmarathon im Frühjahr blieb er mit 59:14 Minuten unter einer Stunde. Im Mai 2012 kam sein Weltrekordrennen bei den Big 25 Berlin. Mit 1:11:18 Stunden erzielte er eine 25-km-Zeit, die bis heute unerreicht ist und übrigens für ein Tempo gut wäre, um einen Marathon in unter zwei Stunden zu laufen.

Dennis (rechts) umarmt seinen Trainingspartner Geoffrey Mutai nach seinem Marathondebüt 2012 in Berlin. © www.PhotoRun.net
Dennis (rechts) umarmt seinen Trainingspartner Geoffrey Mutai nach seinem Marathondebüt 2012 in Berlin. © www.PhotoRun.net
Im September 2012 lief Dennis das bisher schnellste Marathondebüt. Als Zweiter hinter Geoffrey Mutai erreichte er in Berlin bereits fantastische 2:04:16 Stunden. Triumphe bei den Marathonrennen in Tokio und Chicago 2013 folgten. „Mit den Prämien habe ich mir eine Farm in Eldoret gebaut und Land gekauft”, erzählt Dennis, der einen zweijährigen Sohn hat. Außerdem baute er ein Haus für seine Eltern und übernahm das Schulgeld für seine Geschwister.

Ob er noch schneller laufen kann als im September in Berlin? „Ja, ich glaube, dass ich meinen Weltrekord noch verbessern kann – ich würde im nächsten Jahr gerne wieder in Berlin starten. Ich fühle mich wohl in der Stadt“, antwortete Dennis, der wie die anderen Läufer seiner Trainingsgruppe ohne Coach arbeitet. „Die Läufer setzen sich zusammen und legen selber ihr Trainingsprogramm fest“, erklärte Gerard van de Veen. Neu in dieser Gruppe ist mit Vincent Kiprop Kimetto seit kurzem auch ein jüngerer Bruder von Dennis.

Nach noch nicht einmal drei Jahren im internationalen Straßenlauf plant Dennis eine längere Karriere. „Ich glaube, ich kann vielleicht noch zehn Jahre auf hohem Niveau laufen – sofern ich keine Verletzungsprobleme bekomme. Ich hätte allerdings nie gedacht, dass ich derart erfolgreich sein könnte, als ich 2012 mein erstes internationales Rennen lief – es ist erstaunlich“, erzählte der Weltrekordler, der im November in Athen von der Association of International Marathons and Distance Races (AIMS) als Marathonläufer des Jahres ausgezeichnet wurde. Sein nächstes großes Ziel: der Olympia-Marathon 2016 in Rio.

Die Marathonrennen von Dennis Kimetto

 2.  Berlin 2012    2:04:16 Stunden 
 1.  Tokio 2013  2:06:50 
 1.  Chicago 2013  2:03:45 
 –  Boston 2014  ausgestiegen 
 1.  Berlin 2014  2:02:57