Marathon-Frühling mit Höhepunkten in Boston, London, Rotterdam, Hamburg
Traditionell ist der April der Marathon-Monat des Jahres. Doch in diesem Jahr konzentrieren sich die Toprennen des Frühjahrs über die klassischen 42,195 km auf einen noch engeren Zeitraum. An den drei Wochenenden in der zweiten Monatshälfte werden bei den verschiedenen großen Läufen in der Welt deutlich über 150.000 Teilnehmer am Start sein. Alleine 96.000 Läufer hatten sich um eine Startnummer für den London-Marathon beworben. Per Losverfahren wurde im Herbst 2006 entschieden, wer starten darf. London, Boston und Rotterdam sind die traditionell hochklassigsten Rennen im Frühjahr. In den letzten Jahren haben aber auch Hamburg und Paris immer wieder hochklassige Resultate produziert. Und auch der Wien-Marathon hat sich in der internationalen Rangliste nach vorne geschoben.
Kein Rennen des gesamten Jahres wird so hochklassig besetzt sein wie der London-Marathon am 22. April – nicht einmal die Weltmeisterschaftsläufe von Osaka. Mit einem siebenstelligen Etat nur für Eliteathleten, der manches Gesamtbudget anderer Rennen übersteigt, können die Londoner arbeiten. Entsprechend liest sich das Starterfeld wie ein ,Who is Who’ des Laufsports. „Das Feld in London ist so stark – da muss man in Weltrekordform sein, um gewinnen zu können“, sagt der Südafrikaner Hendrick Ramaala und fügt hinzu: „Ich bin sehr motiviert und versuche in der besten Form meines Lebens zu sein.“
Zu Hendrick Ramaalas Konkurrenten gehören neben dem Vorjahressieger Felix Limo (Kenia) und dem Olympiasieger Stefano Baldini (Italien) sowie dem Weltmeister Jaouad Gharib (Marokko) vor allen der Weltrekordler Paul Tergat (Kenia) und der Superstar Haile Gebrselassie (Äthiopien). Drei Athleten mit Bestzeiten unter 2:06 Stunden sind am Start, drei weitere liefen bereits unter 2:07. Im vergangenen Jahr platzte das mit viel Spannung erwartete Duell zwischen Gebrselassie und Tergat, das früher mit faszinierenden Duellen über 10.000 m auf der Bahn seinen Lauf nahm, weil der Kenianer wenige Tage vor dem Rennen aufgrund einer Muskelzerrung passen musste.
Am Ende des Jahres 2006 war dennoch Paul Tergat ein Gewinner. Denn Haile Gebrselassie schaffte es weder in London noch in Berlin, wo er aber immerhin in der Jahresweltbestzeit von 2:05:56 Stunden gewann, seinem Erzrivalen den Weltrekord abzunehmen. Tergat war 2003 in Berlin 2:04:55 gelaufen. An London 2006 hat auch Haile Gebrselassie schlechte Erinnerungen. Regen machte ihm einen dicken Strich durch die Rechnung. Aufgrund seines Laufstils – Gebrselassie läuft auch beim Marathon auf dem Vorfuß und rollt nicht über den Ballen ab – bekam er Balanceprobleme auf dem nassen Pflaster. „Als ich morgens das Wetter sah, wusste ich, dass es nichts werden würde“, sagte er. Am Ende war lediglich Platz neun herausgekommen, den der Äthiopier als schlechteste Leistung seiner gesamten internationalen Karriere wertete.
Der Weltrekord ist weiterhin das Ziel von Haile Gebrselassie, doch dass es dazu in London kommen könnte, erscheint eher unwahrscheinlich. So enorm stark ist das Rennen besetzt, dass sich die Favoriten in der entscheidenden Phase wohl eher gegenseitig belauern werden anstatt füreinander Tempo zu machen.
„Wir sind froh darüber, dass wir ein derartig starkes Feld verpflichten konnten. Mit dem Weltrekordler, Olympiasieger, Weltmeister, Titelverteidiger und einem starken Haile Gebrselassie werden wir sicherlich ein weiteres sehr spannendes Rennen auf den Straßen von London erleben“, sagte Race-Direktor David Bedford. Im Frauenfeld mussten die Londoner, ebenso wie die Berliner im vergangenen September, die verletzungsbedingte Absage der Olympiasiegerin Mizuki Noguchi (Japan) hinnehmen. Dennoch, das zeigt das enorme Potenzial des London-Marathons, ist auch das Frauenfeld das hochklassigste, das im Frühjahr an den Start gehen wird. Die Chinesin Chunxiu Zhou ist die schnellste im Feld mit 2:19:51. Zwei weitere Athletinnen blieben bisher unter 2:21, jeweils drei unter 2:22 und 2:23.
In London geht es wie auch sechs Tage zuvor beim traditionsreichen Boston-Marathon um Punkte für die World Marathon Majors. Die ersten Sieger einer WMM-Serie, zu der auch die Herbstrennen von Berlin, Chicago und New York sowie die WM-Marathonläufe in Osaka gehören, werden in diesem Jahr spätestens in New York feststehen. Zugleich beginnt in Boston am 16. April die nächste WMM-Serie 2007 – 2008, so dass die besten Läufer ab sofort jeweils doppelt punkten. In Boston werden die beiden Spitzenreiter der WMM-Wertung an den Start gehen: Robert Kipkoech Cheruiyot (Kenia) trifft als Boston-Titelverteidiger auf sehr starke Landsleute während Jelena Prokopcuka (Lettland) sich mit der US-Rekordlerin Deena Kastor und der Vorjahressiegerin Rita Jeptoo (Kenia) auseinandersetzen muss.
Kein anderer Marathon der Welt kann Boston in punkto Tradition und Geschichte das Wasser reichen. Inspiriert vom Marathon der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen 1896, starteten die damaligen Organisatoren die Boston-Marathon-Premiere 1897. Seitdem hat das Rennen, auch in Kriegszeiten, jährlich stattgefunden. Der 100. Boston-Marathon, den Uta Pippig 1996 spektakulär gewann, war der Höhepunkt der Geschichte des Rennens, das reich ist wie kein anderes an Kuriosa und Dramatik.
Rotterdam setzt mit seiner sehr flachen, schnellen Strecke in der Regel hauptsächlich auf das Männerrennen. So ist es auch in diesem Jahr. Vier Athleten sind am Start, die schon unter 2:07 Stunden gelaufen sind – und der Rotterdamer Kurs ist gut für neue persönliche Bestzeiten. Der europäische Rekordhalter Benoit Zwierzchlewski (Frankreich/2:06:36) hat zwar die schnellste Zeit dieser vier, doch voraussichtlich werden es eher die anderen drei sein, die um den Sieg rennen werden: Die Kenianer William Kipsang (2:06:39), Wilson Onsare (2:06:47) und Charles Kibiwott (2:06:52). Kibiwott war im vergangenen Jahr mit seiner Bestzeit Dritter in Rotterdam, wobei er am Ende unter Rückenproblemen litt. Der Streckenrekord von 2:06:14 scheint nicht außer Reichweite zu sein – zumal möglicherweise auch noch der Vorjahressieger Sammy Korir hinzukommt. Der Kenianer ist mit seinen 2:04:56 Stunden aus Berlin 2003 der zweitschnellste Marathonläufer aller Zeiten.
Der hochklassigste deutsche Marathon im Frühjahr wird am letzten April-Sonntag in Hamburg gestartet. „Der Wettbewerb ist im April natürlich groß“, sagt Organisator Wolfram Götz, der am 29. April vor voraussichtlich 700.000 Zuschauern trotzdem wieder ein erstklassiges Feld am Start haben will. „Hinter Rotterdam müssen wir uns nicht mehr verstecken“, sagt Götz. Sein Streckenrekordler Julio Rey (Spanien), der im vergangenen Jahr mit 2:06:52 Stunden die erste Zeit unter 2:07 in der Geschichte des Rennens erzielte, wird dieses Mal allerdings unter den rund 31.500 Läufern des Paris-Marathons sein. Mit Wilfred Kigen (Kenia) kommt dafür der Kursrekordler des Frankfurt-Marathons (2:08:29). Weitere Verpflichtungen bei den Männern konnte Wolfram Götz zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht nennen.
Bei den Frauen will Edith Masai zeigen, dass sie auch im Marathon Weltklasse sein kann. Am 4. April wird die Kenianerin 40, so dass sie durchaus den Masters-Weltrekord in Hamburg brechen könnte. Der steht seit 20 Jahren bei 2:26:51. Priscilla Welch (Großbritannien) lief diese Zeit 1987 in London. Bisher hat Edith Masai eine Bestzeit von 2:27:06 Stunden, die sie vor zwei Jahren bei ihrem Debüt-Sieg in Hamburg gelaufen war. Ein dickes Fragezeichen steht sicherlich hinter dem Start von Ulrike Maisch (LAV Rostock). Die Sensations-Europameisterin von 2006 hatte Verletzungsprobleme und konnte bis vor kurzem nicht mehr als 15 km am Stück laufen – ein vernünftiges Marathonrennen erscheint kaum möglich.
Der Wien-Marathon hat sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt. Fast 24.000 Teilnehmer – Rahmenwettbewerbe eingeschlossen – gingen hier vor einem Jahr an den Start. Und es sieht so aus, als ob diese Zahl wieder erreicht und vielleicht sogar übertroffen werden könnte. Am Start sein wird die japanische Vorjahressiegerin Tomo Morimoto, die sich in Wien 2006 auf 2:24:33 verbesserte. Bei den Männern gab es vor einem Jahr durch den Marokkaner Lahoucine Mrikik einen Streckenrekord von 2:08:20. Prominente Starter stehen hier bei den Männern jedoch noch nicht fest.
Marathon-Termine im April
15. April: | Rotterdam, Paris, Turin |
16. April: | Boston |
22. April: | London, Madrid, Belgrad |
29. April: | Hamburg, Wien |
Die größten Marathonrennen 2006 (Läufer im Ziel):
New York | 37.866 |
Chicago | 33.618 |
London | 32.974 |
Paris | 30.646 |
Berlin | 30.190 |
Honolulu | 24.575 |
Washington | 20.879 |
Los Angeles | 20.169 |
Boston | 19.688 |
Hamburg | 16.409 |
Die Top-Vier-Frühjahrs-Marathonrennen im Vergleich
LONDON
Vorauss. Teilnehmerzahl: 35.000 Siegprämie: 65.000 Dollar Gesamtpreisgeld (ohne Zeitprämien): 295.000 Dollar
Streckenrekorde: 2:05:38 – Khalid Khannouchi (USA) 2:15:25 – Paula Radcliffe (GRB/WR)
Favoriten und Bestzeiten Männer: Paul Tergat (KEN) 2:04:55, Khalid Khannouchi (USA) 2:05:38, Haile Gebrselassie (ETH) 2:05:56, Felix Limo (KEN) 2:06:14, Martin Lel (KEN) 2:06:41, Hendrick Ramaala (RSA) 2:06:55, Jaouad Gharib (MAR) 2:07:02, Stefano Baldini (ITA) 2:07:22, Benson Cherono (KEN) 2:07:58, Hicham Chat (MAR) 2:07:59, Marilson Gomes dos Santos (BRA) 2:08:48, Jon Brown (GBR) 2:09:31, Meb Keflezighi (USA) 2:09:53, Ryan Hall (USA) Debüt. Frauen: Chunxiu Zhou (CHN) 2:19:51, Berhane Adere (ETH) 2:20:42, Galina Bogomolova (RUS) 2:20:47, Constantina Tomescu-Dita (ROM) 2:21:30, Geta Wami (ETH) 2:21:34, Susan Chepkemei (KEN) 2:21:46, Lornah Kiplagat (NED) 2:22:22, Lyudmila Petrova (RUS) 2:22:33, Benita Johnson (AUS) 2:22:36, Salina Kosgei (KEN) 2:23:22, Isabella Ochichi (KEN) Debüt.
BOSTON
Vorauss. Teilnehmerzahl: 20.000 Siegprämie: 100.000 Dollar Gesamtpreisgeld (ohne Zeitprämien): 575.000 Dollar
Streckenrekorde: 2:07:14 – Robert K. Cheruiyot (Kenia) 2:20:43 – Margaret Okayo (Kenia)
Favoriten und Bestzeiten Männer: Robert Cheboror (KEN) 2:06:23, Benjamin Maiyo (KEN) 2:07:09, Robert Kipkoech Cheruiyot (KEN) 2:07:14, Philip Manyim (KEN) 2:07:41, Teferi Wodajo (ETH) 2:08:11, Hailu Negussie (ETH) 2:08:16, Stephen Kiogora (KEN) 2:09:21, Ruggero Pertile (ITA) 2:10:12, Stanley Leleito (KEN) 2:10:17, Hosea Rotich (KEN) 2:10:18, James Kipsang Kwambai (KEN) 2:10:20. Frauen: Deena Kastor (USA) 2:19:36, Jelena Prokopcuka (LAT) 2:22:56, Madai Perez (MEX) 2:22:59, Rita Jeptoo (KEN) 2:23:38, Roba Tola Guta (ETH) 2:24:35, Lidiya Grigoryeva (RUS) 2:25:10, Lyubov Denisova (RUS) 2:25:18, Alice Chelangat (KEN) 2:26:36.
HAMBURG
Vorauss. Teilnehmerzahl: 18.000 Siegprämie: 40.000 Dollar Gesamtpreisgeld (ohne Zeitprämien): 200.000 Dollar
Streckenrekorde: 2:06:52 Julio Rey (ESP) 2:24:35 Katrin Dörre-Heinig (GER)
Favoriten und Bestzeiten: Männer: Wilfred Kigen (KEN) 2:08:29 Frauen: Edith Masai (KEN) 2:27:06, Ulrike Maisch (LAV Rostock) 2:30:01, Claudia Dreher (Gänsefurther SB) 2:27:55. Weitere Topathleten werden demnächst bekannt gegeben.
ROTTERDAM
Vorauss. Teilnehmerzahl: 20.000 (mit Rahmenwettbewerben) Siegprämie: Höhe abhängig von Leistungen
Streckenrekorde: 2:06:14 – Felix Limo (Kenia) 2:21:47 – Tegla Loroupe (Kenia)
Favoriten und Bestzeiten: Männer: Benoit Zwierzchlewski (FRA) 2:06:36, William Kipsang (KEN) 2:06:39, Wilson Onsare (KEN) 2:06:47, Charles Kibiwott (KEN) 2:06:52, Rodgers Rop (KEN) 2:07:34, Patrick Ivuti (KEN) 2:07:46, Jimmy Muindi (KEN) 2:07:50, Joseph Ngolepus (KEN) 2:07:57, Salim Kipsang (KEN) 2:08:04, Daniel Yego (KEN) 2:08:16, Solomon Bushendich (KEN) 2:08:52. Frauen: Malgorzata Sobanska (POL) 2:26:08, Martha Tenorio (ECU) 2:27:58, Nadja Wijenberg (NED) 2:28:45, Ana Dias (POR) 2:28:49, Helena Kiprop Loshanyang (KEN) 2:28:51, Dulce Maria Rodrigu (MEX) 2:28:54.
- Erschienen am 8. April 2007
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