Marathon Europameisterin Maisch im Interview: „Ich möchte jetzt New York laufen“
Ulrike Maisch (LAV Rostock) hat bei den Europameisterschaften in Göteborg sensationell Gold im Marathon geholt. Die Stralsunderin lief in neuer persönlicher Bestzeit von 2:30:01 Stunden als erste ins Göteborger Ullevi-Stadion ein. Es war nach dem Hamburg-Marathon im Frühjahr ihr zweites Rennen in diesem Jahr, nachdem sie sich im November 2004 einer Fußoperation hatte unterziehen müssen.
Sie sind die erste Deutsche, die es geschafft hat, einen internationalen Titel im Marathon zu holen. Wie fühlt sich das an?
Ulrike Maisch: Das ist einfach Wahnsinn. Ich kann es noch immer nicht glauben. Ich hätte im Leben nicht daran geglaubt, nicht mal an eine Medaille hatte ich im Vorfeld geglaubt. Eine Platzierung unter den ersten Acht hatte ich mir vorgenommen. Da steh ich jetzt wohl in den Sportgeschichtsbüchern.
Wann haben Sie gewusst, dass Sie es schaffen würden Gold zu holen?
Ulrike: Zuerst habe ich nicht im Traum an Gold gedacht. Als ich die Dritte plötzlich vor mir sah, wollte ich sie unbedingt einholen, denn Vierte wollte ich auf keinen Fall werden. Dann hatte ich sie, und ich wusste, dass es in jedem Fall Bronze werden würde. Denn wenn ich erstmal eine eingeholt habe, kommen die nicht wieder an mir vorbei. Dann habe ich die Zweite gesehen und konnte es gar nicht fassen. Als ich die Russin überholte, wusste ich, dass ich den Titel habe, und dass nicht nur meine Familie im Stadion mich anfeuern würden, sondern auch viele Freunde vor dem Fernseher.
Die äußeren Bedingungen waren ja nicht ideal. War es für Sie trotzdem ein perfektes Rennen?
Ulrike: Definitiv. Besser hätten die Bedingungen für mich kaum sein können. Es hat nur etwas genieselt, und der Wind war kein Problem, dadurch dass ich in der Gruppe relativ windgeschützt war. Am Ende des Rennens, als ich dann alleine gelaufen bin, wehte kaum noch Wind. Der Kurs hat mir gut gelegen. Ich mag es, wenn es ein wenig hügelig ist. Das war der Fall in Göteborg. Auch war das Tempo am Anfang des Rennens sehr langsam, und das ist gut für mich. Als ich dann ins Stadion kam, musste ich fast ein bisschen heulen vor Freude.
Waren Sie nicht beunruhigt, als die Russinnen das Tempo verschärft hatten?
Ulrike: Nein, mir war klar, dass ich mein eigenes Rennen laufen muss, und ich wäre so oder so nicht mit denen gelaufen. Eigentlich dachte ich, sie würden schneller anfangen. Das war ja am Ende mein Glück, da ich sie dann zum Schluss alle einsammeln konnte. Wenn ich das Tempo mitgegangen wäre, dann hätte ich dieses am Schluss nicht so gut halten können.
Wie haben Sie sich auf die Europameisterschaften vorbereitet?
Ulrike: Ich habe mich in St. Moritz in der Schweiz vorbereitet. Das war gut, denn dadurch hatte ich hügeliges Terrain, was sich hier ja bezahlt gemacht hat. Gelaufen bin ich so um die 150 Kilometer in der Woche, wobei ich, für eine Marathonläuferin, sehr wenig Umfänge laufe. Ich gehe lieber Wandern oder mache Aqua-Jogging. Ich war topfit, als ich hierher kam, und ich konnte es ja auch beweisen.
Sie sind im Jahr 2000 Ihren ersten Marathon gelaufen. Was haben Sie vorher gemacht?
Ulrike: Ich war früher Mehrkämpferin, und mein Vater hatte mich trainiert. Dann fiel die Mauer, und ich bin irgendwie beim Laufen hängen geblieben. Das hat mir auch immer mit am meisten Spaß gemacht. Früher bin ich zwischen 3.000 und 10.000 Meter auf der Bahn gelaufen. 2000 rannte ich dann meinen ersten Marathon in Berlin. Das Rennen hat mir Spaß gemacht. Schade, dass dieser Lauf in diesem Jahr aufgrund des nahen Datums zur EM nicht möglich ist für mich. Ich bin damals 2:40 Stunden gelaufen, und mein Trainer fand das für die Vorbereitung die wir hatten so gut, dass er meinte, ich solle auf der Strecke bleiben. Und so blieb ich dann beim Marathon und konnte bis jetzt jedes Mal eine neue Bestzeit aufstellen.
Nun sind Sie Europameisterin. Was steht als nächstes an?
Ulrike: Erstmal muss ich verdauen, dass ich wirklich Europameisterin bin. Ich weiß, dass es so eine Chance, einen internationalen Titel zu gewinnen, nicht allzu oft geben wird. Bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen sind die Asiaten und Afrikaner einfach zu weit weg. Ich werde mich jetzt auf meinen nächsten Marathon vorbereiten. Ich möchte in New York laufen. Da wollte ich eh gerne mal hin, und jetzt wurde ich eingeladen, das muss man doch nutzen. Mein Ziel ist es, dort zumindest unter 2:31 Stunden zu laufen, die hügelige Strecke in New York kommt mir sehr gelegen. Ich weiß natürlich, dass ich da nicht um die ersten Plätze mitlaufen kann, aber vielleicht komme ich unter die ersten zehn. Unter 2:30 zu laufen, ist auch ein großes Ziel.
Sie sehen ja nicht wie eine typische Läuferin aus. Ist das ein Vorteil?
Ulrike: Für mich ist das ganz sicher ein Vorteil. Ich war noch nie so dünn wie andere. Ich denke, ich habe aber Power, um am Ende noch mal zu kontern. Es passiert mir oft, dass ich zum Ende eines Rennens am stärksten werde, während alle anderen eher schwächer werden.
- Erschienen am 15. August 2006
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