Lel und Mikitenko eindrucksvolle Sieger in London

Von Jörg Wenig
Martin Lel gewinnt erneut in London. © www.photorun.net
Martin Lel gewinnt erneut in London. © www.photorun.net

Der Kenianer Martin Lel gewann eines der hochkarätigsten Marathonrennen aller Zeiten. In London triumphierte er in 2:05:15 Stunden und lief damit die fünftschnellste Zeit bisher. Eine Sensation schaffte Irina Mikitenko (TV Wattenscheid), die das Rennen der Frauen in 2:24:14 gewann.

Im Feld der rund 35.000 Läufer wiederholte der Kenianer Martin Lel bei wechselnden Wetterbedingungen – anfangs kühl und trocken, später zeitweise Regen und Wind – dabei seinen Vorjahressieg. Der 29-Jährige stellte mit der Weltklassezeit von 2:05:15 Stunden einen Streckenrekord auf und lief die fünftbeste Zeit aller Zeiten. Die sechs Jahre alte Kursbestzeit, die 2002 auch Weltrekord bedeutete, hatte damals Khalid Khannouchi (USA) mit 2:05:38 Stunden aufgestellt. Martin Lel hat nun nacheinander die Rennen von London, New York sowie wiederum London gewonnen und zählt sicherlich zu den Olympiafavoriten.

Lel triumphierte vor seinem Landsmann Sammy Wanjiru (2:05:24), der aller Voraussicht ebenfalls für Peking nominiert wird, sowie Abderrahim Goumri (Marokko/2:05:30). Zum ersten Mal blieben in einem Marathonrennen drei Läufer unter 2:06 Stunden, drei weitere rannten unter 2:07.

Den Weltrekord hält der Äthiopier Haile Gebrselassie, der im September 2007 in Berlin 2:04:26 Stunden gelaufen war. Lange Zeit lag die Spitzengruppe in London sogar auf Kurs für eine neue globale Bestmarke. Die erste Hälfte war nach 62:14 Minuten gelaufen, 30 km in 1:28:29 Stunden. Doch danach wurde das Wetter deutlich schlechter und der Rekord geriet außer Reichweite. Erst auf der letzten Meile ließ Martin Lel zunächst Goumri und danach wenige hundert Meter vor dem Ziel auch Wanjiru zurück. „Als Titelverteidiger stand ich unter Druck, denn von der Nummer eins wird immer etwas besonderes erwartet. Diese Leistung konnte ich heute zeigen“, sagte Martin Lel, der für den Sieg und den Streckenrekord insgesamt 130.000 US-Dollar erhielt. „Wir hatten heute die Chance, den Weltrekord zu brechen“, fügte der Sieger hinzu. Hinter dem viertplatzierten Emmanuel Mutai (Kenia/2:06:15) steigerte sich Ryan Hall auf 2:06:17. Der US-Amerikaner ist der derzeit stärkste nicht-afrikanische Marathonläufer. Man darf gespannt sein, welche Rolle er in Peking spielen kann.

Sensation perfekt: Irina Mikitenko triumphiert am Buckingham Palast. © www.photorun.net
Sensation perfekt: Irina Mikitenko triumphiert am Buckingham Palast. © www.photorun.net

Die Krönung gab es am Buckingham Palast für Irina Mikitenko. Über ein Jahrzehnt nach der Ära von Uta Pippig und Katrin Dörre-Heinig hat die deutsche Leichtathletik damit wieder eine Weltklasse-Marathonläuferin. Mit ihrem überraschenden Sieg beim hochkarätigsten Frühjahrs-Rennen stürmte Irina Mikitenko in die Weltelite über die klassischen 42,195 km und brach nebenbei auch noch den offiziellen deutschen Rekord, obwohl Uta Pippig 1994 in Boston mit 2:21:45 Stunden schneller war. Seit einigen Jahren gibt es neue Regeln bezüglich der Anerkennung von Rekorden. Da die Strecke von Boston ein so genannter Punkt-zu-Punkt-Kurs ist, Start und Ziel also weit auseinander liegen, werden dort gelaufene Zeiten nicht mehr als Rekorde geführt. In Deutschland galt daher offiziell Katrin Dörre-Heinig als Rekordhalterin. Nach 2:24:14 Stunden war nun die 35-jährige Irina Mikitenko aus Freigericht (Hessen) im Ziel. Damit war sie 21 Sekunden schneller als Katrin Dörre-Heinig 1999 beim Hamburg-Marathon.

Die außerordentliche Leistung von Irina Mikitenko, die aus Kasachstan stammt und seit zehn Jahren für Deutschland startet, wird deutlich, wenn man die Siegerlisten der großen Marathonrennen zurückverfolgt. Uta Pippig war die letzte deutsche Läuferin, die eines jener Rennen gewann, die heute zu den World Marathon Majors (WMM) zählen: Berlin, Boston, London, Chicago und New York hatten sich vor zwei Jahren zu den WMM zusammengeschlossen. 1996 gewann Uta Pippig den 100. Boston-Marathon. Von Berlin abgesehen, konnte sich danach bei diesen Rennen kein deutscher Läufer mehr unter den ersten drei platzieren.

Neben der Siegprämie von 55.000 Dollar erhielt Irina Mikitenko in London weitere 10.000 für ihre Zeit unter 2:25 Stunden. Doch wertvoller ist der größte Sieg ihrer Karriere sicherlich auch im Hinblick auf zukünftige Startgelder. Ihre nächsten beiden Marathonstarts scheinen so gut wie sicher: Nach den Olympischen Spielen in Peking dürfte sie in einem Jahr zur Titelverteidigung in London antreten.

Am Sonntag war sie in der Metropole noch als Außenseiterin an den Start gegangen. Nach einer erfolgreichen Karriere über die Bahn-Langstrecken, in der sie unter anderem 2000 Olympia-Fünfte über 5.000 m geworden war, war sie erst vor gut einem halben Jahr ihren ersten Marathon gelaufen. In Berlin erzielte sie dabei als Zweite auf Anhieb eine Topzeit von 2:24:51 Stunden – das war bereits das schnellste Debüt einer deutschen Marathonläuferin. Nach einem vierwöchigen Trainingslager in Kirgisien in der Nähe ihrer früheren Heimat war sie Mitte März in Paderborn bereits im Halbmarathon mit 68:51 Minuten persönliche Bestzeit gelaufen. Trotzdem hatten sie die englischen Buchmacher nicht richtig auf der Rechnung. Wettquoten zwischen 10/1 und 18/1 wurden auf einen Sieg von Irina Mikitenko, die die siebtschnellste Zeit in der Londoner Startliste hatte, angeboten.

In ihrem zweiten Marathonrennen lief Irina Mikitenko zum größten Erfolg ihrer Karriere. Couragiert hatte sie auf der Strecke zwischen Greenwich und dem Buckingham Palast immer wieder das Tempo bestimmt und sich an die Spitze des Feldes gesetzt. Und das, obwohl sie mit den Äthiopierinnen Gete Wami und Berhane Adere zwei der besten Marathonläuferinnen der letzten Jahre im Rücken hatte. „Ich habe mich topfit gefühlt und wollte noch schneller laufen“, sagte Irina Mikitenko, die glaubt, dass bei idealen Bedingungen eine Zeit um 2:21 Stunden für sie möglich ist. „Ich habe mich gewundert, dass keine der anderen sich um das Tempo gekümmert hat – im Gegenteil Berhane Adere hat mir sogar zu verstehen gegeben, dass ich langsamer laufen soll.“ Nach 1:12:52 Stunden waren noch neun Läuferinnen in der Spitzengruppe zusammen. „Bei Kilometer 30 wusste ich, dass ich eine Siegchance haben würde.“ Vier Kilometer vor dem Ziel löste sie sich von den letzten zwei Konkurrentinnen. Svetlana Zakharova (Russland/2:24:39) und Gete Wami (2:25:37), die bei Kilometer 30 ins Stolpern gekommen und sogar hingefallen war, hatten der Schlussoffensive von Irina Mikitenko nichts mehr entgegen zu setzen. Sie belegten die Ränge zwei und drei.

„Dies war für mich ein idealer Test für die Olympischen Spiele – deswegen bin ich auch in London gelaufen und nicht bei einem deutschen Marathon“, sagte Irina Mikitenko, die in der britischen Metropole nun als zweite deutsche Läuferin nach der dreimaligen Gewinnerin Katrin Dörre-Heinig (1992 bis 1994) in den Siegerlisten steht. „Jetzt habe ich gesehen, dass ich in einem Marathon sogar selbst das Tempo bestimmen kann.“ Dieser Stil erinnert an Weltrekordlerin Paula Radcliffe, die in London aufgrund einer Zehenverletzung fehlte. Ob sie sich zutraut im olympischen Marathon auch Paula Radcliffe zu schlagen, wurde Irina Mikitenko in London gefragt: „Bis dahin ist es noch eine Weile hin, wir werden sehen. Wer am besten vorbereitet ist, der wird gewinnen. Eigentlich sollte Paula ja auch heute hier laufen.“ Irina Mikitenko ist bereit für den ultimativen Test: den olympischen Marathon.

Ergebnisse, London-Marathon:

Männer:

1. Martin LelKEN2:05:15
2. Sammy WanjiruKEN2:05:24
3. Abderrahim GoumriMAR2:05:30
4. Emmanuel MutaiKEN2:06:15
5. Ryan HallUSA2:06:17
6. Abraham ChelangaETH2:06:38
7. Yonas KifleERI2:08:51
8. Felix LimoKEN2:10:34

Frauen:

1. Irina MikitenkoGER2:24:14
2. Svetlana ZakharovaRUS2:24:39
3. Gete WamiETH2:25:37
4. Salina KosgeiKEN2:26:30
5. Ludmila PetrovaRUS2:26:45
6. Souad Ait SalemALG2:27:41
5. Berhane AdereETH2:27:42
6. Constantina DitaROM2:27:45

Kursrekord beim Rotterdam-Marathon

Eine Weltklasse-Männersiegzeit gab es am Sonntag auch beim Rotterdam-Marathon: An einem Tag, an dem bereits in London drei Läufer unter 2:06 Stunden blieben, fiel in der holländischen Küstenstadt der Streckenrekord. William Kipsang rannte mit 2:05:50 die erste Zeit unter 2:06 bei dem traditionell immer wieder sehr schnellen Rennen von Rotterdam. Schnellste Frau war die Russin Lyubov Morgunova in 2:25:12.

Eine Gruppe von sieben Läufern hatte im Rennen auf den bisherigen Kursrekord von Felix Limo (Kenia), der vor vier Jahren 2:06:16 gelaufen war, die Halbmarathonmarke nach 62:54 Minuten erreicht. Die Entscheidung zugunsten von William Kipsang fiel kurz vor Kilometer 35. Hier setzte sich der 30-Jährige von seinen Landsleuten ab. Nachdem er im vergangenen Jahr im Rotterdamer Hitzerennen Dritter gewesen war, triumphierte er dieses Mal vor vier weiteren Kenianern: Daniel Rono wurde in 2:06:58 Stunden Zweiter, der ehemalige 10.000-m-Weltmeister Charles Kamathi belegte Rang drei mit 2:07:33. Richard Limo (2:08:43) und Paul Kirui (2:09:46) folgten. William Kipsang hatte vor dem Rotterdam-Marathon eine Bestzeit von 2:06:39 Stunden, mit der er 2003 in Amsterdam gewonnen hatte. In Den Haag hatte er sich vor einem Jahr im Halbmarathon auf 60:25 Minuten gesteigert.

Im Frauenrennen führte lange Zeit die am Ende zweitplatzierte Äthiopierin Zekeros Adanech (2:27:32). Doch im Schlussteil des Rennens zog Lyubov Morgunova an ihr vorbei und siegte in persönlicher Bestzeit. Rang drei belegte die Spanierin Alessandra Aguilar mit 2:29:03.