Kosgei gewinnt in Berlin, Masai überrascht Kastor
Es war der Berlin-Marathon, der in den letzten Jahren immer wieder internationale Standards setzte. Fünf Weltrekorde wurden bei dem hochkarätigsten deutschen Straßenlauf bisher aufgestellt. Gestern nun schloss der Berliner Halbmarathon auch spitzensportlich endgültig zum ,großen Bruder’ auf. Einen Weltrekord gab es zwar nicht, doch rund 150.000 Zuschauer erlebten am Streckenrand eines der hochkarätigsten Halbmarathon-Rennen aller Zeiten mit insgesamt 20.419 Athleten. Nur in ganz wenigen Läufen über diese Distanz wurden weltweit bisher bessere Siegzeiten von Männern und Frauen in einem Rennen erzielt.
Dabei gab es auf der schnellen Berliner Strecke nicht nur eine Reihe von Rekorden, sondern auch Überraschungen. Bei den Männern sorgte dafür in erster Linie Paul Kosgei. Vor zwei Jahren hatte der Kenianer in Berlin bereits einen Weltrekord über 25 Kilometer aufgestellt (1:12:45 Stunden). Doch im vergangenen Jahr war er aufgrund von Verletzungsproblemen weit weg von seiner Bestzeit, und noch bei den kenianischen Crossmeisterschaften im März spielte er keine Rolle. Doch in Berlin meldete sich der 27-jährige Halbmarathon-Weltmeister von 2002 nun eindrucksvoll zurück.
Mit einer enormen Tempoverschärfung löste sich Paul Kosgei bei Kilometer 18 von seinem einzig verbliebenen Rivalen Evans Cheruiyot (Kenia). Schließlich stürmte Kosgei in der zweitschnellsten Zeit aller Zeiten ins Ziel am Berliner Dom: Bei 59:07 Minuten blieben die Uhren stehen. Lediglich Haile Gebrselassie (Äthiopien) war bei seinem Weltrekord in diesem Jahr noch zwölf Sekunden schneller gewesen. Spekulationen, dass Gebrselassies Rekordzeit eventuell nicht anerkannt werden würde und Kosgeis Zeit als Weltrekord geführt werden könnte, dürften sich jedoch aller Voraussicht nach als falsch erweisen. Mit 59:29 Minuten blieb auch der zweitplatzierte Evans Cheruiyot noch unter dem alten, fünf Jahre alten Streckenrekord des Spaniers Fabián Roncero (59:52). Dritter wurde Wilfred Taragon (Kenia) in 60:46.
„Berlin tut mir gut”, sagte Paul Kosgei in Anspielung auf seinen Weltrekord vor zwei Jahren und seinen gestrigen Streckenrekord, der zudem auch ein neuer kenianischer Rekord ist. Bezüglich eines Marathon-Debüts hat Berlin nun eine Favoritenstellung bei Paul Kosgei: „Die Strecke ist schnell. Es ist durchaus möglich, dass ich im September wieder komme”, erklärte Kosgei, der seine persönliche Bestzeit um 51 Sekunden steigerte.
War es der unerwartet starke Kosgei, der bei den Männern überraschte, sorgte bei den Frauen eine Landsfrau für ein unerwartetes Resultat: Edith Masai bezwang die favorisierte US-Amerikanerin Deena Kastor. Die 33-jährige dreifache Cross-Weltmeisterin siegte in der Jahresweltbestzeit von 67:16 Minuten und erzielte die fünftbeste Zeit aller Zeiten. „Ich bin froh über den Streckenrekord und eine persönliche Bestzeit”, erklärte Edith Masai, die ebenso wie Kosgei eine Siegprämie von 2500 Euro kassierte. Kurz nach Kilometer 14 hatte sich die Kenianerin von Deena Kastor gelöst, während Titelverteidigerin Luminita Zaituc (LG Braunschweig) das Rennen bereits vorzeitig beendet hatte.
„Ich wollte natürlich gewinnen, aber immerhin habe ich einen neuen US-Rekord aufgestellt”, erklärte Deena Kastor, die deutlich vor der drittplatzierten Mary Ptikany (Kenia/69:43) ins Ziel kam. Das war ein bisschen untertrieben, denn auf dem Weg zum zweiten Platz in amerikanischer Kontinental-Rekordzeit von 67:34 Minuten brach sie noch drei weitere US-Rekorde: 12 km passierte die Marathon-Olympia-Dritte von Athen 2004 in 38:24 Minuten, 10 Meilen in 51:31 und 20 km in 64:07. „Um zu gewinnen, muss ich wohl noch einmal wieder kommen”, sagte Deena Kastor. Vielleicht war das ein Wink mit dem Zaunpfahl für Race-Direktor Mark Milde. Der 24. September bietet eine gute Möglichkeit. Dann wird der Berlin-Marathon gestartet.
- Erschienen am 2. April 2006
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