Irina Mikitenko und Sammy Wanjiru triumphieren in London

Von Jörg Wenig
„Hier geht es lang zum Ziel" – Irina Mikitenko bestimmt das Geschehen an der Spitze. Hinter ihr laufen Mara Yamauchi und Zhou Chunxiu (rechts). © www.photorun.net
„Hier geht es lang zum Ziel" – Irina Mikitenko bestimmt das Geschehen an der Spitze. Hinter ihr laufen Mara Yamauchi und Zhou Chunxiu (rechts). © www.photorun.net

Irina Mikitenko hat in beeindruckender Manier zum zweiten Mal in Folge den London-Marathon gewonnen. Die 36-jährige Läuferin triumphierte beim hochkarätigsten Cityrennen des Jahres über die klassische Distanz in der Jahresweltbestzeit von 2:22:11 Stunden vor der überraschend starken Britin Mara Yamauchi (2:23:12) und der russischen Debütantin Liliya Shobukova (2:24:24). Es ist die zweitschnellste Zeit der deutschen Rekordlerin (2:19:19) aus Freigericht (Hessen), die nach ihrem ersten Marathon (Zweite in Berlin 2007) alle folgenden drei Läufe über die 42,195 Kilometer gewonnen hat.

Für das beste Ergebnis des Tages sorgte im Rennen mit 36.000 Läufern der Olympiasieger: Sammy Wanjiru (Kenia) gewann nach einem spannenden Zweikampf mit Tsegay Kebede mit zehn Sekunden Vorsprung in 2:05:10 Stunden vor dem Äthiopier. Damit stellte der erst 22-jährige Wanjiru einen Streckenrekord auf und lief die neuntschnellste Zeit aller Zeiten. Dritter wurde Jaouad Gharib (Marokko) in 2:05:27.

London bietet offenbar das perfekte Pflaster für Irina Mikitenko. Dreimal ging die deutsche Marathon-Rekordlerin bisher bei einem Straßenrennen in der britischen Metropole an den Start, dreimal hieß die Siegerin Irina Mikitenko. Am Sonntag ließ die Läuferin des TV Wattenscheid bei ihrem Sieg sowohl die Olympiasiegerin Constantina Dita (Rumänien) als auch die Weltmeisterin Catherine Ndereba (Kenia) hinter sich. Zwischen diesen beiden Siegen war sie an der Themse auch bei einem 10-km-Straßenlauf nicht zu schlagen.

Mit dem zweiten Erfolg beim London-Marathon ist Irina Mikitenko nun in der Favoritenposition für den Weltmeisterschafts-Marathon in Berlin am 23. August, dem Tag ihres 37. Geburtstages. „Ich bin überglücklich, in London gewonnen zu haben, aber die Rolle der WM-Favoritin gefällt mir nicht”, sagte Irina Mikitenko, die auch in London im Vorfeld mit einer deutlich höheren Erwartungshaltung zurecht kommen musste. „Das zweite Mal in London zu gewinnen, war schwerer als der Sieg vor einem Jahr, denn ich stand doch ziemlich unter Druck.”

Favoritin ist Irina Mikitenko nun auch in der World Marathon Majors (WMM)-Serie 2008-2009. Nachdem sie im vergangenen Herbst bereits die Zwei-Jahres-Wertung 2007-2008 gewonnen hatte, führt sie nun mit der Maximalpunktzahl von 75 aus drei Rennen (Siege in London 2008 und 2009 sowie Berlin 2008) und hat bereits 35 Zähler Vorsprung. Auch bei den Männern führt in der WMM-Serie der London-Sieger mit einem schon vorentscheidenden 35-Punkte-Vorsprung: Olympiasieger Sammy Wanjiru hat 65 Zähler.

80.000 Dollar an Sieg- und Zeitprämien verdiente Irina Mikitenko sich für ihren souveränen Erfolg in London, bei dem sie frühzeitig das Geschehen dominierte. Während die deutsche Titelverteidigerin die Halbmarathonmarke an der Tower Bridge nach 1:10:53 Stunden gemeinsam mit der überraschend starken Britin Mara Yamauchi und der chinesischen London-Marathon-Siegerin des Jahres 2007, Zhou Chunxiu, erreichte, lagen Weltmeisterin Catherine Ndereba (Kenia) und Olympiasiegerin Constantina Dita (Rumänien) bereits mit über einer Minute zurück. Sie konnten Irina Mikitenko zu keiner Zeit gefährden. Anders sah das mit Mara Yamauchi aus. Nachdem die Olympia-Dritte Chunxiu nach 28 km zurückgefallen war, leistete die Britin, die in Peking Rang sechs belegt hatte, starke Gegenwehr und ließ sich nicht so leicht abschütteln. „Ich wusste, dass Mara 2:22 Stunden laufen wollte, aber ich dachte mir, dass ich sie gegebenenfalls in einem Schlussspurt schlagen könnte”, sagte Irina Mikitenko, die über eine deutlich bessere Grundschnelligkeit verfügt als die Britin. Zwischen Kilometer 35 und 40 fiel die Entscheidung zugunsten von Irina Mikitenko, die am Ende noch einen Vorsprung von gut einer Minute auf Yamauchi (2:23:12) herauslief. Dritte wurde überraschend die russische Debütantin Liliya Shobukova in 2:24:24.

„Ich musste immer das Tempo an der Spitze hoch halten, damit die Verfolgergruppe nicht mehr herankommen konnte. Das war nicht leicht, denn auf der zweiten Hälfte hatten wir auch Gegenwind”, sagte Irina Mikitenko, der in London als erste Frau seit Paula Radcliffe (Großbritannien) eine Titelverteidigung gelang. Die Weltrekordlerin hatte 2002 und 2003 gewonnen. Mikitenko könnte nun im nächsten Jahr den London-Rekord von Katrin Dörre-Heinig einstellen: Die einzige weitere deutsche Siegerin des Rennens an der Themse gewann von 1992 bis ’94 dreimal in Folge.

Sammy Wanjiru auf dem Weg zum Streckenrekord in London. © www.photorun.net
Sammy Wanjiru auf dem Weg zum Streckenrekord in London. © www.photorun.net

Ohne Titelverteidiger Martin Lel wurde 45 Minuten nach den Frauen das Rennen der Männer gestartet. Der Kenianer, der als Erster den London-Marathon zum vierten Mal hätte gewinnen können, musste aufgrund eines Hüftproblems passen und sah sich den Lauf im Fernsehen an. „Ich bin enttäuscht, aber ich muss vorsichtig sein. Es ist zwar keine schwere Verletzung, aber ich hätte dadurch nicht mein 100-prozentiges Leistungsvermögen zeigen können”, sagte Martin Lel, der seinem zeitweiligen Trainingspartner Sammy Wanjiru die Daumen drückte.

Mit extrem hohem Tempo begann das Rennen. Dabei trieb Sammy Wanjiru auf den ersten Kilometern immer wieder die Tempomacher an. Die 10-km-Marke war nach 28:20 Minuten erreicht – das ist eine Geschwindigkeit, die gut ist für eine Zielzeit von ziemlich genau zwei Stunden! „Ich mag es, am Anfang schneller zu laufen und hatte auch mit diesem Tempo kein Problem”, erklärte Sammy Wanjiru. Dass ihn das anfangs zu schnelle Tempo vielleicht den Weltrekord kostete (2:03:59 Stunden von Haile Gebrselassie), darüber machte sich Sammy Wanjiru keine großen Gedanken. „Ja, ich war am Ende sehr müde, aber ich ärgere mich nicht. Denn ich habe wertvolle Erfahrungen gesammelt und denke, dass ich beim nächsten Mal den Weltrekord brechen kann”, erklärte der Kenianer.

Nach dem superschnellen Beginn wurde das Rennen im Mittelteil etwas langsamer. Neun Läufer erreichten in der Spitzengruppe die Halbmarathonmarke nach 61:35 Minuten. Darunter war neben den drei am Ende Erstplatzierten auch der Halbmarathon-Weltmeister Zersenay Tadese (Eritrea), der in London bei seinem Marathondebüt jedoch später aufgab. Einen vorentscheidenden Vorstoß startete Sammy Wanjiru kurz vor der 30-km-Marke. Zwei Läufer allerdings folgten dem Olympiasieger: Tsegay Kebede (Äthiopien) und Jaouad Gharib (Marokko), die in Peking hinter dem Kenianer bereits die Ränge drei beziehungsweise zwei belegt hatten. Als es vom Tower aus in Richtung Big Ben ging, sah es mehrfach so aus, als könnte Kebede eine olympische Revanche gelingen. In dem packenden Rennen kam er bis auf wenige Schritte an Wanjiru heran. Doch immer wenn sich der Kenianer umdrehte und Kebede dicht hinter sich sah, war er in der Lage das Tempo wieder zu forcieren. Etwa eine Meile vor dem Ziel war der Äthiopier schließlich geschlagen.

„An der 40-km-Marke sah ich, dass ich den Weltrekord nicht mehr erreichen kann, aber ich wusste, dass ich den Streckenrekord noch brechen könnte”, sagte Sammy Wanjiru, der für die Kursbestzeit und den Sieg insgesamt 155.000 Dollar erhielt.

Ergebnisse, Männer:
1. Sammy Wanjiru (KEN) 2:05:10
2. Tsegay Kebede (ETH) 2:05:20
3. Jaouad Gharib (MAR) 2:05:27
4. Emmanuel Mutai (KEN) 2:06:53
5. Hendrick Ramaala (RSA) 2:07:44
6. Abderrahim Goumri (MAR) 2:08:25
7. Yonas Kifle (ERI) 2:08:28
8. Atsushi Sato (JPN) 2:09:16

Frauen:
1. Irina Mikitenko (GER) 2:22:11
2. Mara Yamauchi (GBR) 2:23:12
3. Liliya Shobukova (RUS) 2:24:24
4. Svetlana Zakharova (RUS) 2:25:06
5. Berhane Adere (ETH) 2:25:30
6. Inga Abitova (RUS) 2:25:55
7. Catherine Ndereba (ETH) 2:26:22
8. Tomo Morimoto (ETH) 2:26:29

Äthiopier Tside und Spainier Aguilar gewinnen Hamburg-Marathon

Mit einer persönlichen Bestzeit von 2:11:47 Stunden hat der Äthiopier Solomon Tside den Hamburg-Marathon gewonnen, während auch die Frauen-Siegerin so schnell war wie nie zuvor: Die Spanierin Alessandra Aguilar gewann mit 2:29:01. Rund 15.000 Läufer gingen beim zweitgrößten deutschen Marathon an den Start. Dass die Ergebnisse der Spitzenläufer in Hamburg in diesem Jahr nicht so schnell waren wie in den vergangenen Jahren hängt mit Budget-Schwierigkeiten der Veranstalter zusammen.

Das Männerrennen wurde anfangs klar dominiert von den Läufern aus Ostafrika, obwohl der schnellste auf der Startliste nicht dabei war: Joseph Riri (Kenia), der eine Bestzeit von 2:06:49 Stunden aufweist, war noch drei Tage zuvor in der Pressekonferenz als Favorit angekündigt worden, doch er kam nie in Hamburg an. Hoffnungen auf eine Zeit von unter 2:10 Stunden hatten damit einen Dämpfer erhalten und gingen trotz guter Wetterbedingungen bei 15° Celsius nicht in Erfüllung.

Kurz nach der 26-km-Marke war es Charles Ngolepus, der sich aus der Spitzengruppe löste. Eigentlich als Tempomacher verpflichtet, entschied sich der Kenianer weiterzulaufen. Nur einer konnte ihm folgen: Solomon Tside. Ngolepus sah schon wie der Sieger aus, doch am Ende hatte Tside mehr Reserven. Vor der 40-km-Marke überholte der Äthiopier seinen Konkurrenten, der in der Schlussphase unter einem Magenproblem litt. Ngolepus wurde aber immerhin noch Zweiter in 2:13:25. Jose Telles des Souza (Brasilien/2:14:46) und Jose Moreira (Portugal/2:14:57) belegten die nächsten Ränge.

Alessandra Aguilar hatte frühzeitig im Rennen die Führung übernommen. Mit Hilfe von Tempomachern lief sie ein sehr gleichmäßiges Rennen, in dem Publikumsliebling Ulrike Maisch (Rostock) schon bald nicht mehr mithalten konnte. Mit einer Siegzeit von 2:29:01 schaffte die Spanierin die WM-Qualifikation für Berlin und erreichte damit ihr Ziel. Tigist Abdi Sheni (Äthiopien) wurde in 2:34:01 Stunden Zweite während Ulrike Maisch (2:34:28) und Emily Kimurya (Kenia/2:37:44) die nächsten Plätze belegten.

Die deutsche Sensations-Europameisterin von 2006, Ulrike Maisch, verpasste zwar die WM-Norm von 2:32 Stunden, blieb aber trotzdem optimistisch. Über die B-Norm könnte sie nominiert werden, schließlich will der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) voraussichtlich auch mit einem Team in Berlin am Start sein. Im vergangenen Jahr konnte Ulrike Maisch aufgrund von Verletzungs- und Krankheitsproblemen kein Marathonergebnis vorweisen.