Haile Gebrselassie läuft Weltrekord in Berlin

Von Jörg Wenig
Haile Gebrselassie stürmt in Weltrekordzeit ins Ziel in Berlin. © www.photorun.net
Haile Gebrselassie stürmt in Weltrekordzeit ins Ziel in Berlin. © www.photorun.net

Haile Gebrselassie hat das erste seiner zwei großen Ziele erreicht: In der Weltrekordzeit von 2:04:26 Stunden stürmte der 34-jährige Äthiopier ins Ziel des 34. real,- Berlin-Marathon. Gebrselassie verbesserte den vor vier Jahren von Paul Tergat (Kenia) mit 2:04:55 Stunden in Berlin aufgestellten Weltrekord um 29 Sekunden.

„Dieser Erfolg ist etwas sehr spezielles für mich – es ist schließlich der Marathon-Weltrekord! Das ist etwas anderes als die Bahnstrecken über 5.000 oder 10.000 Meter, denn es ist die Königsdisziplin des Langstrecken- laufes“, sagte Haile Gebrselassie, der in Berlin zum ersten Mal den Marathon-Weltrekord brach.
Insgesamt hat der zweifache 10.000-m-Olympiasieger in seiner einmaligen Karriere nunmehr bereits 24 Weltrekorde beziehungsweise Welt- bestzeiten aufgestellt. Haile sorgte für das große Highlight beim größten deutschen Marathonrennen, für das sich 40.215 Läufer aus 115 Nationen angemeldet hatten. Rund eine Million Zuschauer trieben den Äthiopier an: „Die Zuschauer haben mich in diesem Jahr noch besser unterstützt als 2006. Ich kann nur sagen: Danke Deutschland! Das Wetter war heute auch perfekt, es war nicht so windig wie vor einem Jahr“, erklärte Haile Gebrselassie, der im nächsten Jahr nun das zweite große Teilziel im Marathon erreichen möchte: den Olympiasieg in Peking.

Irina Mikitenko auf dem Weg bei einem glänzenden Debüt. © www.photorun.net
Irina Mikitenko auf dem Weg bei einem glänzenden Debüt. © www.photorun.net

Für einen äthiopischen Doppelsieg sorgte bei idealen Witterungs- bedingungen Gete Wami, die wie Haile Gebrselassie ihren Vorjahreserfolg in Berlin wiederholte. Wami rannte nach 2:23:17 Stunden ins Ziel, doch für die größte Überraschung im Frauenrennen sorgte Irina Mikitenko (TV Wattenscheid). Bei ihrem Marathon- debüt lief die 35-Jährige auf Rang zwei in hochklassigen 2:24:51 Stunden. Es ist das schnellste Debüt einer deutschen Läuferin aller Zeiten. Und in der deutschen Rangliste liegt Irina Mikitenko nun auf Anhieb hinter Uta Pippig (2:21:45) und Katrin Dörre-Heinig (2:24:35) auf Platz drei.

Geführt von Tempomachern lag Haile Gebrselassie praktisch durchweg auf Weltrekord-Kurs. Die erste Hälfte absolvierte er in 62:29 Minuten. Die Konkurrenz hatte dieses Tempo von Beginn an nicht angenommen – Haile lief sein eigenes Rennen durch Berlin. Bis zur 30-km-Marke hielten zwei der ursprünglich fünf Pacemaker durch. Dann gingen Eshetu Wondimu (Äthiopien) und der Kenianer Rodgers Rop (Kenia), der in diesem Jahr den Hamburg-Marathon in 2:07:32 Stunden gewonnen hatte und auch schon in New York und Boston triumphiert hatte, aus dem Rennen.

Im vergangenen Jahr hatte Haile Gebrselassie ebenfalls die letzten 12 km alleine absolvieren müssen – am Ende hatte er den Weltrekord um 61 Sekunden verpasst (2:05:56). Dieses Mal passierte ihm das nicht. Wesentlich gleichmäßiger lief er insgesamt die 42,195 km – und keinen 1.000-m-Abschnitt rannte er langsamer als 3:00 Minuten. Ohne Tempomacher lief Haile Gebrselassie dabei auf den letzten 12 km noch etwas schneller als zuvor. In dieser Phase des Rennens lagen die einzelnen Km-Zeiten teilweise deutlich unter 3:00 Minuten. Der 35. Kilometer war der schnellste in seinem Rennen mit 2:50.

Kurz nachdem Haile Gebrselassie ins Ziel rannte, klingelte bei Race-Direktor Mark Milde das Telefon. Paul Tergat war der Anrufer, er wollte Haile gratulieren. „Paul ist ein sehr guter Freund, und ich habe mich bei ihm dafür entschuldigt, dass ich ihm den Weltrekord weggenommen habe“, erzählte Haile Gebrselassie von dem Gespräch. 130.000 Euro verdiente er in Berlin insgesamt. „Aber ich renne nicht des Geldes wegen. Sonst könnte ich jede Woche irgendwo laufen“, sagte Haile Gebrselassie.

Der Kenianer Abel Kirui wurde in Berlin Zweiter in einer erstklassigen persönlichen Bestzeit von 2:06:51 Stunden, Rang drei belegte sein Landsmann Salim Kipsang mit 2:07:29. Bester deutscher Läufer war Falk Cierpinski (SG Spergau), der auf Rang 23 ins Ziel lief. Der Sohn des zweifachen Marathon-Olympiasiegers Waldemar Cierpinski rannte persönliche Bestzeit in 2:19:06 Stunden.

Bei den Frauen lief Gete Wami wie Haile Gebrselassie von Beginn an den Konkurrentinnen davon. Die Äthiopierin, die vor einem Jahr in Berlin mit 2:21:34 Stunden einen Landesrekord aufgestellt hatte, diesen aber in der Zwischenzeit an Berhane Adere verlor, wurde ebenfalls von Tempomachern geleitet. Nach 70:25 Minuten war sie an der Halbmarathonmarke angekommen, in der zweiten Hälfte tat sie wohl nicht mehr mehr als nötig, um den Sieg sicherzustellen. Denn Gete Wami wird bereits fünf Wochen später auch in New York starten.

Hintergrund ist, dass sie den Jackpot der World Marathon Majors-Serie 2006-2007 gewinnen möchte. Hier ist sie nach ihrem Sieg in Berlin in Führung gegangen vor Jelena Prokopcuka (Lettland). Wenn sie in New York vor der Lettin ins Ziel kommt, gewinnt sie 500.000 Dollar. „Ich bin voller Zuversicht ins Rennen gegangen, denn ich wusste, dass meine Form stimmt. Ich werde mich jetzt eine Woche lang erholen und dann mit dem Training für New York beginnen – ich denke, dass ich durchaus den Jackpot der WMM gewinnen kann“, sagte Gete Wami.

Spannender war das Rennen um Platz zwei. Hinter Gete Wami lagen nach der ersten Hälfte mit deutlichem Rückstand Helena Kiprop und die Japanerin Naoko Sakamoto (beide 72:31). Weitere 26 Sekunden zurück folgte eine Dreier-Gruppe mit Irina Mikitenko. Die Debütantin lief dann eine tolle zweite Hälfte und schob sich noch auf Rang zwei nach vorne. Die zweite Hälfte rannte sie in 1:11:54 und war damit bei der Premiere im zweiten Abschnitt schneller als im ersten. Das zeigt, dass sie sicherlich noch Potenzial hat über die Marathonstrecke, über die sie sich bereits für Olympia qualifizierte.

„Es war ein tolles Rennen, und ich freue mich riesig über mein Ergebnis. Bei Kilometer 30 fühlte ich mich sehr gut und dachte, wann fängt es eigentlich an, schwierig zu werden“, erzählte Irina Mikitenko. „Das selbe Gefühl hatte ich dann bei 35 km, aber mein Trainer sagte, warte noch und bleibe cool. Bei 37 km habe ich gedacht, du musst jetzt endlich loslaufen, und dann bin ich gerannt.“

Paula Radcliffe beim Comeback Zweite

Kara Goucher © www.photorun.net
Kara Goucher © www.photorun.net

Marathon-Weltrekordlerin Paula Radcliffe (2:15:25 Stunden) musste sich bei ihrem Comeback nach 21 Monaten geschlagen geben. Die 33-jährige Britin, die zunächst eine Babypause eingelegt hatte und dann aufgrund von Verletzungen nicht starten konnte, lief am Sonntag beim Great North Run in Newcastle. Bei dem Halbmarathon rannte Paula Radcliffe 67:53 Minuten und kam als Zweite ins Ziel bei dem Rennen, in dem sie mit 65:40 Minuten den Streckenrekord hält.

Eine dicke Überraschung gelang der US-Amerikanerin Kara Goucher, die sich kurz vor der Hälfte der Strecke absetzte. Die 29-Jährige, die bereits bei der WM in Osaka unerwartet eine Bronzemedaille über 10.000 Meter errungen hatte, gewann das Rennen in 66:57 Minuten. Dies ist die schnellste Zeit des Jahres in der Welt und zudem die schnellste einer US-Amerikanerin aller Zeiten. Da es sich bei dem Great North Run jedoch um eine Punkt-zu-Punkt Strecke mit leichtem Gefälle handelt, dürften diese Zeiten nicht als Rekorde beziehungsweise Bestzeiten gelistet werden. Dritte wurde die Ungarin Aniko Kalovics in 70:17.

„Natürlich bin ich enttäuscht, dass ich das Rennen nicht gewonnen habe, denn das war mein Ziel. Ich hatte vier, fünf Wochen gut trainiert, aber Kara war heute ein bisschen zu schnell für mich“, erklärte Paula Radcliffe und fügte hinzu: „Aber das ist kein Desaster. Es ist ein Anfang und ich habe einen Level von dem aus ich aufbauen kann.“

„Für mich war das selbst eine Überraschung, denn bisher war mein längstes 10.000 Meter. Ich bin einfach nach meinem Gefühl gelaufen. Und ich hatte immer gedacht, dass Paula dicht hinter mir sein würde und noch an mir vorbeiziehen könnte”, sagte Kara Goucher.

Eine kleine Überraschung gab es auch im Rennen der Männer, denn der Halbmarathon-Weltrekordler (58:35 Minuten) Samuel Wanjiru musste sich im Finish seinem kenianischen Landsmann Martin Lel geschlagen geben. Der London-Marathon-Sieger Lel siegte in 60:10 Minuten vor Wanjiru (60:18). Dritter wurde der Südafrikaner Hendrick Ramaala (62:37). Alle drei werden beim New York-Marathon am 4. November erneut aufeinander treffen.