Günther Weidlinger: „Ich will unter die Top acht bei der EM“

Von Jörg Wenig
Günther Weidlinger, hier beim Wien-Marathon 2009, tritt am 1. August zu seinem ersten internationalen Meisterschafts-Marathon an. © www.photorun.net
Günther Weidlinger, hier beim Wien-Marathon 2009, tritt am 1. August zu seinem ersten internationalen Meisterschafts-Marathon an. © www.photorun.net

Der Österreicher Günther Weidlinger könnte in Barcelona bei den Leichtathletik-Europameisterschaften, die vom 27. Juli bis 1. August stattfinden, der erfolgreichste deutschsprachige Läufer werden. Über die Marathondistanz gehört er zu einer größeren Gruppe von Favoriten. Der 32-Jährige, früher ein Weltklasseläufer über 3.000-Meter-Hindernis, steigerte sich in seinem zweiten Rennen über die 42,195 Kilometer im Oktober 2009 in Frankfurt auf 2:10:47 Stunden. Vor seinem EM-Start gab er das folgende Interview:

Zum ersten Mal starten Sie bei einer internationalen Meisterschaft über die Marathondistanz. Mit welchen Zielen gehen Sie in Barcelona an den Start?

Günther Weidlinger: Mein Ziel ist, eine Platzierung unter den ersten sechs beziehungsweise den ersten acht zu erreichen. Gemessen daran, dass dies mein erster internationaler Meisterschafts-Marathon sein wird, ist dies sicherlich ein hochgestecktes Vorhaben. Aber mit meiner Frankfurter Bestzeit von 2:10:47 Stunden stehe ich ganz gut da. Davon ausgehend, sollte ich in Barcelona in der Spitzengruppe dabei sein.

Wer sind voraussichtlich Ihre schärfsten Konkurrenten?

Günther: Ich glaube, dass in diesem Rennen viele Läufer eine Chance auf eine vordere Platzierung haben. Ich sehe eher keine ganz heißen Medaillenanwärter und schätze, dass 15 bis 18 Athleten um die Medaillen kämpfen könnten. Ich rechne mit dem Schweizer Viktor Röthlin und dem Spanier Jose Manuel Martinez. Die Spanier werden im eigenen Land sicherlich stark sein, auch die Portugiesen sind zu beachten. Ich kann mir aber ebenso vorstellen, dass am Ende – wie bei der EM 2002 in München mit dem Finnen Janne Holmen – ein echter Außenseiter vorne ist.

Beim Wien-Marathon im April litten Sie unter einem Wadenproblem und kamen daher nicht über Rang zwölf hinaus. Wann konnten Sie danach wieder richtig trainieren, und wie lief es bisher?

Günther: Es hat drei bis vier Wochen gedauert, bis die Wade wieder richtig in Ordnung war und das Gefühl im Muskel stimmte. Ich habe in dieser Zeit alternativ auf dem Rad und im Wasser trainiert. Drei Wochen nach dem Wien-Marathon habe ich mit langsamen Läufen begonnen. Danach ging es bis heute sehr gut, ich habe prima Trainingswerte. Um die Wade zu stärken, habe ich viel Krafttraining integriert.

Haben Sie in der Vorbereitung auf den EM-Marathon etwas anders gemacht als zu den vorherigen Marathonrennen?

Günther: Nein, es hat sich nichts Grundlegendes verändert. Ich absolviere jetzt in St. Moritz annähernd dasselbe Training wie in der Vorbereitung auf den Frankfurt-Marathon 2009. Allerdings achte ich stärker auf die allgemeine Kräftigung, auch im Oberkörper, und ich habe vor dem Höhentraining zwei Wochen in einem Höhenzelt mit einer simulierten Höhe von 2.800 Metern geschlafen. Die Kilometerumfänge sind nicht anders als vor meinen letzten beiden Marathonrennen. In St. Moritz bin ich zuletzt rund 200 km pro Woche gelaufen.

In Barcelona erwartet Sie ein Hitze-Marathon. Sind Sie ein guter Hitze-Läufer und wie bereiten Sie sich auf die hohen Temperaturen vor?

Günther: Trockene Hitze, wie wir sie zum Beispiel bei der WM 1999 in Sevilla hatten, bereitet mir nicht so viel Probleme, feuchte Hitze wäre allerdings nicht so gut. Ich konnte das natürlich bisher nicht testen, aber ich hoffe, dass ich das Laufen bei hohen Temperaturen auch über die Dauer eines Marathons gut durchhalte. Die Spanier haben hier sicherlich einen Heimvorteil, aber ich habe zeitweise bewusst in der Mittagszeit trainiert. Man muss allerdings vorsichtig sein, dass ein Training in der Hitze nicht zu sehr an die Substanz geht. Daher glaube ich, dass es keinen Sinn gemacht hätte, jetzt in Spanien zu trainieren.

Es wird sich sicherlich kein schnelles, sondern ein taktisches Rennen entwickeln, das dann im letzten Drittel schneller werden dürfte ist das ein Vorteil für Sie aufgrund Ihrer Grundschnelligkeit?

Günther: Wir haben ja hier keinen Sammy Wanjiru im Rennen, der vom Start weg losstürmt. Insofern erwarte ich auch ein eher langsames Tempo, bei dem man sich längere Zeit belauern wird. In der letzten oder vorletzten Runde wird es dann sicher schneller. Ich bin bezüglich eines solchen Rennens guter Dinge. Meine Grundschnelligkeit sollte mir helfen, obwohl ich heute natürlich nicht mehr so schnell bin wie noch zu Zeiten vor dem Marathontraining.

Sie haben in Barcelona noch ein weiteres Ziel Sie kandidieren für das Athletengremium des europäischen Leichtathletik-Verbandes EAA. Wofür würden Sie sich einsetzen, sollten Sie gewählt werden?

Günther: Ich würde als Athletensprecher einige Punkte ansprechen und versuchen, Einfluss auf Entscheidungen auszuüben. Warum zum Beispiel müssen wir bei der EM um 10:05 Uhr starten und in die Mittagshitze hinein rennen? Bei den zusätzlichen Europameisterschaften, die ab 2012 jeweils in den Jahren der Olympischen Spiele stattfinden, sollte es niedrigere Normen geben, denn ich sehe diese Titelkämpfe in erster Linie als Möglichkeit für junge Athleten, um internationale Erfahrung zu gewinnen. Für die europäischen Topathleten sind diese Europameisterschaften in einer Olympiasaison eher nicht interessant. Ich finde auch, dass der Straßenlauf bei großen Meisterschaften stärker vertreten sein müsste. Ein 10-km-Rennen, bei dem die Athleten direkt an den Zuschauern vorbeilaufen, fände ich interessanter als 10.000 m auf der Bahn mit 25 Runden.

Werden Sie eventuell noch bei einem Herbstmarathon an den Start gehen und wäre Frankfurt dann am 31. Oktober Ihre erste Wahl?

Günther: Es ist eher unwahrscheinlich, dass ich in diesem Jahr noch einen Marathon laufen werde. Ich glaube, drei Marathonrennen wären etwas zu viel – speziell, wenn ich auf die nächsten Jahre schaue. Im Herbst 2011 geht es schon um die Olympia-Qualifikation. Ich plane nach der EM gut zu regenerieren und will dann eher bei kürzeren Straßenrennen starten. Falls ich mich aber doch noch für einen Marathon entscheiden sollte, wäre Frankfurt ein Thema.

Wenn Sie auf einer Skala von eins bis 100 bewerten müssten, wo Sie sich bisher im Marathon befinden, gemessen an Ihren langfristigen Zielen und Ihrem Vermögen, bei welchem Wert stehen Sie?

Günther: Ich denke, ich wäre jetzt bei 75 Prozent. Es ist also noch einiges drin im Marathon. Ich möchte eine Zeit von unter 2:10 Stunden erreichen und denke, dass ich auch das Potenzial habe für ein Ergebnis unter 2:09. Es muss aber dafür alles zusammen passen.

Wie lange wollen Sie Ihre Karriere noch fortsetzen?

Günther: Der Marathon bei den Olympischen Spielen 2012 ist ein großes Ziel. Danach werde ich voraussichtlich von Jahr zu Jahr entscheiden. Mal sehen, ob ich dann noch die Europameisterschaften 2014 mitmache. Das wird auch von meiner beruflichen Zukunft abhängen.

Gibt es ein Marathon-Traumziel für die Zukunft?

Günther: Eine 2:08-Stunden-Zeit zu laufen, das ist ein Traumziel – ebenso eine Platzierung unter den besten zehn bei den Olympischen Spielen. Das klingt hoch gegriffen, aber verschiedene Europäer haben in der Vergangenheit gezeigt, dass ein solches Ergebnis bei Olympia möglich ist.