Emmanuel Mutai und Mary Keitany triumphieren in London

Von Jörg Wenig
Die Führungsgruppe des Männerrennens. © www.photorun.net
Die Führungsgruppe des Männerrennens. © www.photorun.net

Das fünftschnellste Ergebnis aller Zeiten bei den Männern und die siebtbeste je über die klassischen 42,195 Kilometer erzielte Zeit bei den Frauen – der Virgin London-Marathon hat alles gehalten, was man sich von dem stark besetzen City-Rennen erhofft hatte. Emmanuel Mutai und Mary Keitany heißen die großen Gewinner, die am Buckingham Palace in 2:04:40 beziehungsweise 2:19:19 Stunden als souveräne Sieger in der britischen Hauptstadt ins Ziel liefen. Es war zugleich ein toller Doppelerfolg für Kenia, und es zeichnet sich schon jetzt ab, dass das Rennen um die drei Startplätze für die Olympischen Spiele 2012 in London für die kenianischen Männer fast so schwer sein wird wie der Kampf um die Goldmedaille.

Beide Siegzeiten sind Jahresweltbest- marken, und das Ergebnis von Emmanuel Mutai ist zudem ein Streckenrekord. Es ist die erste Zeit in London unter 2:05 Stunden. Die alte Kursbestzeit hielt Olympiasieger Sammy Wanjiru (Kenia) mit 2:05:10.

Eine gute Leistung gab es auch aus deutscher Sicht: Irina Mikitenko (SC Gelnhausen) belegte einen siebenten Platz in 2:24:24 Stunden und zeigte, dass sie nach einem schwierigen Jahr 2010 – sie verletzte sich damals im Frühjahr – wieder im Aufwärtstrend ist. Es ist ihre schnellste Zeit seit zwei Jahren und eine deutsche Jahresbestzeit.

Fast 35.000 Teilnehmer erreichten das Ziel in der laufbegeisterten Metropole. Dazu zählten tausende von Charity-Läufern, die in zum Teil lustigen Kostümen an den Start gingen. Zudem genossen viele tausend Zuschauer die Atmosphäre um den Marathon herum an der Strecke und feuerten begeistert die Teilnehmer auf ihrem Weg zum Ziel an.

Das Rennen der Männer

Emmanuel Mutai siegte in London. © www.photorun.net
Emmanuel Mutai siegte in London. © www.photorun.net

Wenige Tage vor dem Start hatte der äthiopische Vorjahressieger Tsegaye Kebede überraschend eine Jagd auf den Weltrekord seines Landsmannes Haile Gebrselassie angekündigt, der in Berlin 2008 in 2:03:59 gewonnen hatte. Bei guten Wetterbedingungen war ihm seine Zuversicht trotz des enorm starken Feldes von Beginn an anzusehen. Tsegaye Kebede lief meist direkt hinter den Tempomachern und sollte später als Erster die Initiative ergreifen. Die ersten Zwischenzeiten lagen noch so, dass ein Weltrekord möglich gewesen wäre, was vielleicht auch mit der anfangs teilweise leicht abfallenden Strecke zu tun hatte. Nach 29:24 Minuten hatte eine 12-köpfige Spitzengruppe die 10-Kilometer-Marke erreicht. Doch in der Folge wurde das Tempo etwas langsamer, und bereits die 15-km-Zwischenzeit deutete eher auf ein Ergebnis von etwa 2:05 Stunden hin. An der Halbmarathonmarke bestätigte sich diese Tendenz. Nach 62:44 hatten elf Läufer diesen Punkt an der Tower Bridge erreicht. Darunter waren neben Tsegaye Kebede auch die Kenianer Patrick Makau, Martin Lel, der nach diversen Verletzungsproblemen seinen ersten Marathon seit den Olympischen Spielen 2008 in Peking (China) rannte, und Emmanuel Mutai.

Als an der 30-km-Marke (1:29:20 Stunden) der letzte Tempomacher aus dem Rennen ging, übernahm Tsegaye Kebede die Spitze und drückte in den Londoner Docklands auf das Tempo. Doch das kenianische Trio mit Emmanuel Mutai, Martin Lel und Patrick Makau konnte mit dem 24-jährigen Äthiopier mithalten. Es war dann Emmanuel Mutai, der plötzlich die Initiative ergriff, sich löste und die Führungsgruppe auseinander riss. An der 35-km-Marke war eine Vorentscheidung gefallen: Emmanuel Mutai erreichte diesen Punkt nach 1:43:36 Stunden und hatte bereits 20 Sekunden Vorsprung auf Martin Lel und Patrick Makau, der später erzählte, dass er kurz nach der Halbmarathonmarke gestürzt war und das Rennen fast aufgegeben hätte. Doch er lief weiter und kämpfe mit seinem Landsmann Martin Lel unbeirrt um Rang zwei.

Über eine Minute Vorsprung erlief der 26-jährige Emmanuel Mutai, der zum ersten Mal ein Rennen der World Marathon Majors (WMM) gewann und am Sonntag seinen bisher größten Erfolg feierte. Der Zweite bei den Weltmeisterschaften 2009 in Berlin war mit einer Bestzeit von 2:06:15 Stunden nach London gereist. Diese hatte er vor drei Jahren an der Themse aufgestellt, als er Vierter war. Diesen Rang hatte er in London auch 2009 belegt. 2010 wurde er dann hinter Tsegaye Kebede Zweiter. „Dieses Jahr bin ich nach London zurückgekommen und meine Träume sind wahr geworden. Ich habe während des Rennens nicht an die Zeit, sondern nur an den Sieg gedacht. Jetzt habe ich beides: den Sieg und eine Bestzeit unter 2:05 Stunden“, erklärte Emmanuel Mutai, nachdem er in 2:04:40 ins Ziel gestürmt war und zum viertschnellsten Marathonläufer aller Zeiten wurde. In einem spannenden Sprintfinish setzte sich hinter ihm Martin Lel mit 2:05:45 Stunden vor dem zeitgleichen Patrick Makau durch. Marilson Gomes dos Santos (Brasilien/2:06:34), Tsegaye Kebede (2:07:48), Jaouad Gharib (Marokko/2:08:26), Abderrahime Bouramdane (Marokko/2:08:42) und Dmitry Safronov (Russland/2:09:35) belegten die nächsten Plätze.

Das Rennen der Frauen

Mary Keitany lief an der Themse unter 2:20 Stunden. © www.photorun.net
Mary Keitany lief an der Themse unter 2:20 Stunden. © www.photorun.net

Mit einem rasanten Tempo begann der Marathon der Frauen im Greenwich Park am Fuße der Sternwarte. Im zweiten Marathonrennen ihrer Karriere – die Premiere war für Mary Keitany mit einem dritten Rang in 2:29:01 Stunden in New York 2010 sicher nicht zufriedenstellend verlaufen – rannte die Weltrekordlerin über 25 km und im Halbmarathon locker in einer zehnköpfigen Spitzengruppe. Hinter der Tempomacherin Iness Chenonge (Kenia) passierte sie die 10-km-Marke in 32:54 Minuten. Das ist eine Zwischenzeit, die gut ist für ein Ergebnis unter 2:19 Stunden. In der Spitzengruppe waren unter anderen die Titelverteidigerin Liliya Shobukhova (Russland) und die real,- Berlin-Marathon Siegerin des vergangenen Jahres, Aberu Kebede (Äthiopien).

Wie bei den Männern wurde das Rennen auch bei den Frauen auf dem folgenden 10-km-Abschnitt etwas langsamer. Die zehnköpfige Gruppe erreichte die Halbmarathonmarke in 70:37 Minuten. Nachdem die Tempomacherin dann aus dem Rennen gegangen war, setzte sich Liliya Shobukhova, die im dritten Anlauf endlich eine Zeit unter 2:20 Stunden erreichen wollte, an die Spitze und forcierte das Tempo. Die Gruppe fiel auseinander, doch Mary Keitany hielt mit. Die Kenianerin lief neben der Russin her, und nach 25 km flog sie förmlich davon. Selbst eine Liliya Shobukhova, die als frühere 3.000-Meter-Hallenweltrekordlerin über eine außerordentliche Grundschnelligkeit verfügt, konnte nichts dagegen tun.

Unaufhaltsam strebte Mary Keitany ihrem ersten großen Marathonsieg und einer Zeit unter 2:20 Stunden entgegen. Schließlich wurde sie mit 2:19:19 zur viertschnellsten Läuferin aller Zeiten. Diesen Rang nimmt sie gemeinsam mit Irina Mikitenko ein, die 2008 in Berlin als zuvor letzte Läuferin diese Marke erreicht hatte. „Ich wusste, dass ich hier in London meine Bestzeit deutlich verbessern kann“, sagte die 29-jährige Kenianerin, die erst seit ihrem 18. Lebensjahr den Laufsport ernsthaft betreibt. Sie siegte mit einem klaren Vorsprung vor Liliya Shobukhova (2:20:15), Edna Kiplagat (Kenia/2:20:46) sowie den Äthiopierinnen Bezunesh Bekele (2:23:42) und Atsede Baysa (2:23:50). Auf den nächsten Rängen dieses hochklassigen Rennens folgten Yukiko Akaba (Japan/2:24:09), Irina Mikitenko (2:24:24) und Jessica Augusto (Portugal/2:24:33).

Irina Mikitenko, hier zu sehen in der Mitte 2009 beim London-Marathon, hielt sich beachtlich. © www.photorun.net
Irina Mikitenko, hier zu sehen in der Mitte 2009 beim London-Marathon, hielt sich beachtlich. © www.photorun.net

Irina Mikitenko lief anfangs in der zweiten Gruppe. Doch als sie merkte, dass auch dieses Tempo, das zeitweilig auf eine Endzeit von 2:21 Stunden hinausgelaufen war, zu schnell war, drosselte sie ihre Geschwindigkeit etwas. So musste die 38-Jährige zwar ab Kilometer 12 alleine laufen und hatte beim Halbmarathon als 19. mit 1:11:47 einen Rückstand von 19 Sekunden auf die zweite Gruppe, jedoch machte sich diese Taktik bezahlt. Denn im letzten Drittel des Rennens konnte Irina Mikitenko ihr Tempo halten und sogar noch etwas zulegen, so dass sie noch zwölf Plätze gutmachte.

Haile Gebrselassie gewinnt souverän den Halbmarathon, John Kiprotich und Fate Tola überzeugen beim Marathon in Wien

Haile Gebrselassie gewann den Wien-Halbmarathon. © www.photorun.net
Haile Gebrselassie gewann den Wien-Halbmarathon. © www.photorun.net

John Kiprotich (Kenia) und Fate Tola (Äthiopien) heißen die Überraschungssieger beim Wien-Marathon, der insgesamt 32.542 Meldungen registrierte. Der 22-jährige Kenianer verbesserte seinen persönlichen Rekord um über sieben Minuten und gewann bei guten Wetterbedingungen in 2:08:29 Stunden. Patrick Ivuti wurde mit 2:08:41 Zweiter vor Evans Kiplagat (2:09:22), und auch der viertplatzierte Isaac Macharia blieb noch unter 2:10 (2:09:43). Die kenianischen Läufer bestimmten das Männerrennen in Wien und belegten die ersten acht Plätze. Bei den Frauen gab es dagegen eine äthiopische Siegerin: Die 23-jährige Fate Tola löste sich in der Schlussphase eines spannenden Rennens von Ana Dulce Felix. Sie gewann mit einer persönlichen Bestzeit von 2:26:21 vor der Portugiesin (2:26:30). Dritte wurde die lange Zeit führende Peninah Arusei (Kenia) mit 2:27:12. Zum ersten Mal in der Geschichte des Vienna City Marathons blieben fünf Läuferinnen unter 2:30 Stunden. Genet Getaneh (Äthiopien/2:28:08) wurde Vierte vor Elza Kireyeva (Russland/2:29:41).

Haile Gebrselassie gewann den Halbmarathon in Wien mit 60:18 Minuten. Der äthiopische Läufer war in einem zusätzlichen Verfolgungsrennen mit zwei Minuten Rückstand auf die Marathon-Eliteathleten gestartet. Bereits zwischen Kilometer 11 und 12 hatte er die Spitzengruppe überholt und lief nun alleine ganz vorne. „Meine Zeit ist okay. Es ist nicht so einfach, ohne Tempomacher eine Zeit unter einer Stunde zu erreichen“, sagte Haile Gebrselassie, der die schnellste je in Österreich gelaufene Halbmarathonzeit erzielte. Viele der über 300.000 Zuschauer an der Strecke waren offenbar gekommen, um zu sehen, wie der Marathon-Superstar durch Wien läuft.

Im Marathonrennen nahmen die Favoriten das Tempo der Pacemaker nicht ganz an. Dadurch liefen die „Hasen“ immer wieder einige Sekunden vor der ersten großen Gruppe. Dennoch war an der Halbmarathonmarke (Durchgangszeit: 63:53 Minuten) der Kursrekord von Abel Kirui (Kenia), der vor drei Jahren 2:07:38 gelaufen war, noch in Reichweite.

Doch die kenianischen Läufer Patrick Ivuti, Nicholas Chelimo und Paul Kirui schienen ein eher taktisches als ein schnelles Rennen anzuvisieren. Nach 30 km (1:31:31) war die Kursbestzeit dann praktisch nicht mehr erreichbar. Hinzu kam, dass die beiden Tempomacher Nicholas Kiprono und Joseph Ngolepus nun ihre Arbeit beendeten.

Nach 35 km waren in der zuvor achtköpfigen Spitzengruppe nur noch vier kenianische Athleten: Patrick Ivuti, Evans Kiplagat, Joseph Maregu und John Kiprotich. Joseph Maregu und Evans Kiplagat verloren kurz danach den Kontakt. Dann war es John Kiprotich, der das Tempo so forcierte, dass vier Kilometer vor dem Ziel auch Patrick Ivuti zurückfiel. „Dies war erst mein zweiter Marathonlauf. Wenn ich mehr Erfahrung gehabt hätte, wäre ich vielleicht schon etwas eher schneller gelaufen“, sagte John Kiprotich, der eine starke Halbmarathonbestzeit von 59:23 Minuten hat. 2009 war er seinen ersten Marathon in Frankfurt gelaufen und dabei nach 2:15:51 ins Ziel gekommen.

Ganz anders verlief das Rennen der Frauen. Die Debütantin Peninah Arusei war es, die sich unmittelbar nach dem Start an die Spitze setzte und davonlief. Nach 1:12:11 Stunden erreichte die Kenianerin die Halbmarathonmarke, und bei 25 km (1:25:18) lag sie weiter auf Kurs in Richtung 2:24 Stunden. Ihr Vorsprung betrug nun schon 1:14 Minuten auf Ana Dulce Felix, Fate Tola und Genet Getaneh. Doch vor dem 30-km-Punkt wurde Peninah Arusei müde, und ihr Vorsprung begann sich zu verringern.

Während Genet Getaneh zurückfiel, überholten Ana Dulce Felix, die mit einem eigenen Tempomacher rannte, und Fate Tola die Kenianerin Peninah Arusei bei 37 km. Nun entwickelte sich ein spannender Zweikampf um den Sieg. Erst auf dem letzten Kilometer fiel die Entscheidung, als sich Fate Tola lösen konnte. „Nach der ersten Hälfte spürte ich, dass ich eine Chance haben würde“, erklärte die äthiopische Läuferin, die mit einer Bestzeit von 2:28:22 nach Wien gekommen war.