EM-Aktuell: Viktor Röthlin siegt überlegen im Marathon

Von Jörg Wenig
Viktor Röthlin feiert in Barcelona ein großartiges Comeback. © www.PhotoRun.net
Viktor Röthlin feiert in Barcelona ein großartiges Comeback. © www.PhotoRun.net

Der 35-jährige Viktor Röthlin gewann am Schlusstag der Leichtathletik-Europameisterschaften überlegen den Marathon und sicherte sich die erste Goldmedaille seiner Karriere bei einer großen Meisterschaft. Nach gesundheitlichen Problemen im vergangenen Jahr lief er in Barcelona seinen ersten Marathon seit dem Olympiarennen von Peking. In 2:15:31 Stunden ließ der Schweizer der Konkurrenz keine Chance. Der Spanier José Manuel Martinez gewann die Silbermedaille mit 2:17:50, Dritter wurde überraschend Dmitriy Safronov (Russland) in 2:18:16.

Der Marathon war von hohen Temperaturen gekennzeichnet – im Schatten wurden bei einer Luftfeuchtigkeit von 66 bis 74 Prozent zwischen 25 und 27 Grad Celsius gemessen. Das bereitete vielen Läufern Schwierigkeiten, und die Zeiten waren dementsprechend langsam. Der italienische Titelverteidiger Stefano Baldini musste bei seinem Comeback das Rennen noch vor der 25-Kilometer-Marke beenden, Österreichs Günther Weidlinger wurde 18. in 2:23:37. Keiner der deutschen Starter erreichte in Barcelona das Ziel.

Trotz der hohen Temperaturen gab es schon relativ frühzeitig im Rennen kleinere Temposteigerungen, so dass sich die Spitzengruppe reduzierte. Nach verhaltenen 32:45 Minuten waren die ersten 10 Kilometer gelaufen. Dann versuchte Yuri Abramov (Russland), sich ein paar Meter abzusetzen und erhöhte dabei das Tempo. Viktor Röthlin konnte schon hier überraschenderweise nachziehen, und die Verfolgergruppe kam so wieder heran. Die zweiten 10 km waren mit 31:30 Minuten 45 Sekunden schneller als die ersten 10 km. Yuri Abramov beendete das Rennen später vorzeitig.

Günther Weidlinger hatte nach 20 km bereits ein paar Sekunden Rückstand zur Spitzengruppe. „Es war unglaublich heiß. Schon bei der ersten Tempoverschärfung habe ich mich nicht gut gefühlt. Insgesamt war das überhaupt nicht mein Tag”, erzählte er nach dem Rennen.

An der Halbmarathonmarke befanden sich noch fünf Läufer in der Spitzengruppe: Neben Viktor Röthlin, José Manuel Martinez und Dmitriy Safronov waren dies noch der Italiener Ruggero Pertile und der Franzose James Theuri, der das Feld mit einer Zwischenzeit von 67:43 anführte, aber später ebenfalls aussteigen musste. Etwa bei Kilometer 28 setzte sich Viktor Röthlin dann aus der vierköpfigen Gruppe ab – Dmitriy Safronov war zwischenzeitlich auf Platz sechs zurückgefallen, konnte in der Schlussphase aber noch einmal aufholen.

An der 30-Kilometer-Marke hatte Viktor Röthlin mit einer Zeit von 1:35:58 Stunden bereits einen Vorsprung von elf Sekunden auf den Spanier José Manuel Martinez, der nun alleine lief. Der Schweizer, der vor vier Jahren bei der EM hinter Stefano Baldini Silber gewonnen hatte, dann in Osaka 2007 WM-Dritter war und bei den Olympischen Spielen 2008 als Sechster bester Europäer wurde, vergrößerte seinen Vorsprung. Viktor Röthlin war der einzige, der das Tempo in etwa halten konnte, die anderen wurden langsamer und fielen daher immer weiter zurück. José Manuel Martinez war froh, dass er den zweiten Platz halten konnte: „Es ist ein Traum für mich, vor heimischem Publikum eine Medaille zu gewinnen”, sagte der Spanier. Etwa fünf Kilometer vor dem Ziel hatte Dmitriy Safronov den bis dahin drittplatzierten Ruggero Pertile überholt. Der Italiener wurde schließlich Vierter in 2:19:33 Stunden. Ihm folgten auf den Plätzen fünf bis acht Pablo Villalobos (2:19:56), Rafael Iglesias (beide Spanien/2:20:14), Migido Bourifa (Italien/2:20:35) und der Brite Lee Merrien (2:20:42).

Viktor Röthlin hatte schon in Osaka bei der WM und dann bei den Olympischen Spielen in Peking bewiesen, dass er in großer Hitze sehr gut laufen kann. Doch dieses Mal waren die Voraussetzungen für ihn persönlich ganz andere. Eigentlich wollte er nach dem sechsten Rang bei den Olympischen Spielen im April 2009 beim Virgin London-Marathon starten. Im Februar 2009 lief er zunächst beim Halbmarathon in Ras Al Khaimah (Vereinigte Arabische Emirate), musste dort aber wegen Magenproblemen aufgeben. Auf dem Rückflug erlitt er eine Thrombose, die später zu einer zweimaligen Lungenembolie führte. Ende des vergangenen Jahres unterzog er sich zudem einer Fersenoperation.

Vor dem EM-Marathon hatte er somit keinen internationalen Wettkampf bestritten. „Das war mein 19. Marathonlauf und er hat sich angefühlt wie mein erster”, sagte Viktor Röthlin nach seinem Sieg. „Ich hoffte, dass ich gut laufen würde, aber ich war mir nicht sicher vor dem Start. Es hätte auch passieren können, dass meine Karriere heute zu Ende gewesen wäre, aber jetzt bin ich wieder zurück. Es ist ein tolles Gefühl.” Der 35-Jährige ist der erste Schweizer, der im Marathon eine Goldmedaille gewonnen hat – weder bei einer EM noch bei einer WM oder bei Olympischen Spielen war ein Schweizer jemals vorne. „Ich war mir nicht sicher während des Rennens. Ich bin einfach weitergelaufen. Ich renne gerne in der Hitze.”

Das 5.000-m-Finale der Frauen

Alemitu Bekele (Türkei) ist die neue 5.000-Meter-Europameisterin. Die 32-Jährige gewann in 14:52,20 Minuten vor Elvan Abeylegesse (Türkei/14:54,44) und der Portugiesin Sara Moreira (14:54,71). In der Schlussphase des Rennens hatte Alemitu Bekele, die im vergangenen Jahr bei der Hallen-EM bereits die 3.000 m gewonnen hatte, das Tempo an der Spitze bestimmt. Elvan Abeylegesse konnte dem langen Endspurt der späteren Siegerin nichts entgegensetzen. So lief Alemitu Bekele, die bei den Olympischen Spielen 2008 fünf Plätze hinter ihrer Landsfrau Rang sieben belegt hatte, zum größten Erfolg ihrer Karriere und stellte zudem noch einen Meisterschaftsrekord auf. „Dies ist ein Geschenk für die Türkei”, erklärte sie.

Ausgangs der Zielgeraden gelang es Elvan Abeylegesse, Sara Moreira noch zu überholen. Doch die Portugiesin war trotzdem zufrieden: „Ich habe eine Medaille gewonnen und meine persönliche Bestzeit um vier Sekunden gesteigert. Ich hätte vielleicht auch noch Silber gewinnen können, aber wenn du das beste Rennen deiner Karriere läufst, musst du sehr zufrieden sein.”