Bekele trotz Handikap bei Cross-WM nicht zu schlagen

Von Jörg Wenig
© www.photorun.net
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Auf dem Weg zu einer weiteren einmaligen Leistung war Kenenisa Bekele auch durch ein plötzliches Handikap nicht zu stoppen: Bei den Cross-Weltmeisterschaften in Edinburgh musste der Äthiopier im 12-km-Rennen kurz stoppen, nachdem er einen Schuh fast verloren hatte. Am Ende jedoch gewann Kenenisa Bekele zum sechsten Mal die Langdistanz bei diesen Titelkämpfen. Ein halbes Dutzend Einzeltitel über die 12-km-Strecke hat bei der Cross-WM nie zuvor ein Athlet gewonnen.

Für die Äthiopier war es im kühlen Edinburgh ein perfekter Tag, denn sie gewannen auch die anderen drei Einzel-Goldmedaillen: Tirunesh Dibaba siegte über 8 km während in den Juniorenrennen Ibrahim Jeilan (8 km) und Dibabas jüngere Schwester Genzebe (6 km) triumphierten. Den für die Afrikaner prestigeträchtigen Team-Titel der Männer gewannen allerdings einmal mehr die Kenianer. Die einzige deutsche Starterin bei der Cross-WM, Susanne Hahn (SV schlau.com Saar 05), hielt sich wieder ordentlich bei diesen hochkarätig besetzten Titelkämpfen. Die 29-Jährige belegte Rang 33.

Im Rennen der Männer erlebte Kenenisa Bekele nach rund 4 km eine Schrecksekunde, als ihm ein anderer Läufer in den Hacken trat und er dadurch fast einen Schuh verlor. „Ich bekam einen Schreck, denn wenn du einen Schuh verlierst kannst du nicht mehr rennen“, sagte Kenenisa Bekele später. „Deswegen stoppte ich, um den Schuh wieder richtig anzuziehen. Zum Glück passierte dies in einer frühen Rennphase. Wenn es später passiert wäre, hätte es gefährlicher werden können.“ Doch auch so lag der 10.000-m-Olympiasieger und -Weltrekordler ein gutes Stück zurück und musste eine Aufholjagd starten. Sehr schnell erreichte der 25-Jährige wieder die Spitzengruppe, in der allerdings auch erst in der zweiten Hälfte des Rennens die Pace entscheidend forciert wurde.

Es war lange Zeit der Titelverteidiger Zersenay Tadesse (Eritrea), der vor einem Jahr in Mombasa (Kenia) bei der Cross-WM überraschend die Siegserie von Bekele gestoppt hatte, der die Initiative an der Spitze übernommen hatte. Neben Tadesse und Bekele setzten sich in einer Vierergruppe noch die beiden Kenianer Leonard Komon und Joseph Ebuya ab. Am Ende allerdings konnte wieder einmal keiner Kenenisa Bekele stoppen. Erst auf dem letzten Teil des Rundkurses startete er seinen entscheidenden Angriff und siegte schließlich in 34:38 Minuten vor Komon (34:41), Tadesse (34:43) und Ebuya (34:47). „Ich habe bei dieser WM zwar schon fünfmal die Mittel- und die Langstrecke gewonnen, doch dieser sechste Triumph ist etwas besonderes“, sagte Kenenisa Bekele, der von 2002 bis 2006 jeweils doppelt Gold gewonnen hatte. Seit 2007 gibt es bei der Cross-WM nur noch die Langstrecke.

Abgesehen von Läufern aus Katar war der US-Amerikaner Jorge Torres auf Rang 19 in 36:03 der beste Nicht-afrikanische Läufer. Auf Platz 24 folgte mit Juan Carlos de la Ossa (Spanien/36:15) der beste Europäer.

Im 8-km-Rennen der Frauen meldete sich Tirunesh Dibaba eindrucksvoll zurück. Die erst 22-jährige Äthiopierin war in diesem Jahr zuvor noch bei keinem einzigen Crossrennen an den Start gegangen. Zudem hatte sie nach gesundheitlichen Problemen und einer langen Pause – nach ihrem 10.000-m-WM-Sieg im August war sie 2007 kein Rennen mehr gelaufen – nur einen Wettkampf bestritten: In der Halle gewann sie beim Meeting in Boston im Winter über 3.000 m. Doch als es jetzt ernst wurde in Edinburgh war Tirunesh Dibaba wieder da. Dabei sah es rund eine Runde vor Schluss eher nach einem Sieg ihrer Landsfrau Gelete Burka aus. Sie hatte sich von der Spitzengruppe abgesetzt, konnte das Tempo jedoch nicht ganz halten und wurde am Ende nur Sechste in 25:35 Minuten.

Tirunesh Dibaba hatte im Rennen um die 30.000-Dollar-Siegprämie, die auch Bekele erhielt, einmal mehr den besten Spurt. Zum dritten Mal nach 2005 und 2006 gewann sie WM-Gold über die Langstrecke. In 25:10 Minuten war Dibaba dabei fünf Sekunden vor ihrer Landsfrau Mestawet Tufa im Ziel. „In der Mitte des Rennens bekam ich Seitenstiche, deswegen war ich zeitweilig nicht ganz vorne. Aber ich wusste, dass ich den Anschluss an die Spitze wieder herstellen kann“, sagte Tirunesh Dibaba.

Bronze gewann die Kenianerin Linet Masai in 25:18. Beste Europäerin war hier die seit kurzem für Holland startende Hilda Kibet. Die frühere Kenianerin lief 25:35 und wurde in Abwesenheit ihrer Landsfrau Lornah Kiplagat (ebenfalls Ex-Kenianerin), die auf die Titelverteidigung verzichtet hatte, Fünfte. Achtbar schlugen sich in dem starken Feld Benita Johnson (Australien) auf Rang 11 in 25:56, Liz Yelling (Großbritannien/15. mit 26:13) und Emily Brown (USA/18. in 26:36).