Auch ein Sturm kann Cheruiyot in Boston nicht stoppen
Gegen Sturmböen, zeitweilig starke Regenfälle und Kälte mussten rund 22.000 Läufer beim 111. Boston-Marathon kämpfen. Während tags zuvor Marathonläufer bei den Rennen in Europa unter der Hitze litten und das Rennen in Rotterdam nach dreieinhalb Stunden bei Temperaturen von über 25 Grad Celsius sogar abgebrochen wurde, herrschten in Boston gegensätzliche extreme Witterungsbedingungen. Da zeitweilig starke Gewitter befürchtet worden waren, soll in Polizeikreisen sogar eine Absage des Rennens, das seit 1897 jährlich stattfindet, in Erwägung gezogen worden sein. Dazu kam es dann doch nicht, aber die Ergebnisse litten deutlich unter den extremen Verhältnissen. Am Ende gewann Robert Kipkoech Cheruiyot zum dritten Mal nach 2003 und 2006 in Boston. Der Kenianer lief 2:14:13 Stunden und gewann ebenso wie die Überraschungssiegerin bei den Frauen, Lidiya Grigoryeva (Russland/2:29:18), eine Siegprämie von 100.000 Dollar. Wie stark das Wetter die Zeiten beeinträchtig hat, zeigt auch dieser Vergleich: Bei den Männern gab es zuletzt vor 30 Jahren eine langsamere Siegzeit, bei den Frauen war dies 1984 der Fall.
Für das KIMbia-Team gab es im Sturm von Boston drei sehr gute Platzierungen: Stephen Kiogora wurde Dritter in 2:14:47, James Koskei folgte hinter ihm als Vierter mit 2:15:05 und Ben Maiyo (alle Kenia) lief als Siebenter 2:16:04.
Für den 28-jährigen Cheruiyot war dies der dritte große Marathonsieg in Serie. Der Kenianer hatte nach Boston im vergangenen Jahr auch in Chicago im Oktober gewonnen. Damit ist er mit 75 Punkten nun auch der souveräne Spitzenreiter im Rennen um die Dollar-Million, die sich der beste Mann und die beste Frau in der zweijährigen Serie der World Marathon Majors (WMM) teilen. Am nächsten Sonntag findet in London das nächste WMM-Rennen statt. Die erste Serie endet im November in New York. Cheruiyot, der alleine bei seinen Boston-Rennen insgesamt bisher ein Preisgeld von 296.000 Dollar gewonnen hat, könnte sich im Herbst 500.000 Dollar sichern und liegt zugleich bereits in der neuen, sich überlappenden Serie 2007-2008 in Führung. Bei den Frauen führt in dieser Wertung Jelena Prokopcuka (Lettland), die in Boston in 2:29:58 Zweite wurde, mit 55 Zählern.
In Chicago war Cheruiyot im Oktober unmittelbar vor dem Zielbanner ausgerutscht und mit dem Hinterkopf auf das Straßenpflaster geschlagen. Unter den Folgen der Gehirnerschütterung leidet er heute noch. „Ich habe manchmal noch Kopfschmerzen beim Laufen. Auch heute spürte ich sie im Rennen leicht, aber das war nicht so schlimm“, sagte Cheruiyot. In einer großen Gruppe mit den anderen Favoriten laufend, hielt sich der Kenianer lange Zeit zurück. Dagegen waren die beiden unbekannten Kenianer Josephat Ongeri und Jared Nyamboki vom Start weg davongelaufen und hatten noch an der Halbmarathonmarke (67:07 Minuten) einen Vorsprung von über 90 Sekunden. Doch als die Favoriten schließlich das Tempo forcierten, waren sie bald eingeholt.
Rund 15 Läufer lagen an der Spitze, als es hinter der 30-km-Marke (1:37:10) Richtung Heartbreak-Hill ging. Bei nun sehr starkem Wind übernahm Cheruiyot die Initiative. Seine Landsleute James Kwambai, der am Ende Zweite wurde in 2:14:33, und Stephen Kiogora hielten zunächst noch mit. Doch Cheruiyot löste sich bei 40 km entscheidend von Kwambai. „Es war ein sehr hartes Rennen und sehr kalt“, sagte Robert Kipkoech Cheruiyot. Während Peter Gilmore als Achter in 2:16:41 US-Meister wurde, lief Ulrich Steidl (SSC Hanau/Rodenbach) auf einen starken zwölften Rang in 2:19:54.
Im Frauenrennen, das 30 Minuten vor den Männern begann, erreichte eine achtköpfige Gruppe die Halbmarathonmarke nach 1:17:13 Stunden. Auch hier war das Tempo entsprechend des Wetters sehr verhalten. Trotzdem konnte schon kurz darauf eine der Topfavoritinnen nicht mehr mithalten. Deena Kastor (USA), im vergangenen Jahr mit ihrem London-Sieg in 2:19:36 Stunden die schnellste Marathonläuferin der Welt, fiel bei ihrem Boston-Debüt deutlich zurück. Schließlich wurde sie Fünfte in 2:35:09, was aber noch reichte, um wenigstens den US-Titel zu gewinnen. Das nächste prominente Opfer war die Vorjahressiegerin: Rita Jeptoo (Kenia) war nicht mehr dabei, als die Spitze die 30-km-Marke nach 1:47:38 erreichte.
Es entwickelte sich ein Dreikampf zwischen Grigoryeva, der zweimaligen New-York-Siegerin Prokopcuka und der überraschend starken Mexikanerin Madai Perez, die schließlich Dritte wurde in 2:30:16. An der 40-km-Marke brach das Trio auseinander. Die 33-Jährige Lidiya Grigoryeva, die vor zwei Jahren den Paris-Marathon gewonnen hatte, war auf dem Weg zum größten Erfolg ihrer Karriere nicht mehr einzuholen.
- Erschienen am 16. April 2007