Asbel Kiprop und Fionnuala Britton überzeugen beim Cross in Edinburgh

Von Jörg Wenig
Kompakt war das Frauenfeld in der ersten Runde. Später setzte sich Fionnuala Britton (Mitte, weißes Trikot) souverän durch. © Nova International
Kompakt war das Frauenfeld in der ersten Runde. Später setzte sich Fionnuala Britton (Mitte, weißes Trikot) souverän durch. © Nova International

Beim Bupa Great Edinburgh Cross Country-Rennen hat Asbel Kiprop, Kenias 1.500-m-Olympiasieger von Peking 2008, die Langstreckenstars überrascht. Der 22-jährige Mittelstreckler gewann bei kühlem, windigem, aber sonnigem Wetter auf einem teilweise sehr matschigen Boden den 3-Kilometer-Lauf. Es war sein erster internationaler Cross-Sieg überhaupt in der Altersklasse der Männer. Das Meeting fand vor tausenden Zuschauern im Holyrood Park von Edinburgh statt, der seit Jahren der Schauplatz eines der bestbesetzten Crossrennens der Welt ist. Die Rennen werden von einem Millionenpublikum an den Fernsehbildschirmen verfolgt.

In der letzten der drei Runden konnte sich Asbel Kiprop vom britischen Youngster Ross Millington absetzen, der zuvor mutig an die Spitze gegangen war und gemeinsam mit dem kenianischen Läufer in Führung gelegen hatte. Weder der Edinburgh-Vorjahressieger Eliud Kipchoge noch der 3.000-Meter-Hindernis-Olympiasieger Brimin Kipruto (beide Kenia) noch der Äthiopier Kenenisa Bekele konnten in der entscheidenden Phase in das Geschehen eingreifen. Während Asbel Kiprop in 9:20 Minuten ins Ziel stürmte, nachdem er locker aussehend die letzte Runde auf dem hügeligen Terrain des Holyrood Parks absolviert hatte, kämpften ein gutes Stück zurück Eliud Kipchoge und der Spanier Juan Carlos Higuero um Platz zwei – doch auf den allerletzten Metern wurden sie noch von einem anderen britischen Youngster überrascht: Nach einem sehr starken Endspurt hatte sich der 19-jährige Jonny Hay auf dem zweiten Rang in 9:25 vor die beiden setzen können. Zeitgleich mit Carlos Higuero aber 1 Sekunge hinter Jonny Hay wurde Eluid Kipchoge Dritter. Hinter Kenenisa Bekele, der nach 9:42 Minuten als Elfter im Ziel war, lief der kenianische Olympiasieger Brimin Kipruto zeitgleich als Zwölfter über die Ziellinie.

Für Asbel Kiprop war das Rennen in Edinburgh ein perfekter Start in das Olympiajahr. „Ich war durchaus überrascht, dass ich heute Läufer wie [Kenenisa] Bekele, [Eluid] Kipchoge und [Brimin] Kipruto hinter mir gelassen habe. Ich rechnete immer damit, dass Kenenisa zu mir aufschließen würde, aber ich habe ihn während des ganzen Rennens nicht gesehen“, sagte Asbel, der 2007 bei den Crossweltmeisterschaften in Mombasa (Kenia) die Goldmedaille im Juniorenrennen gewonnen hatte. Seitdem jedoch lief er nur sehr sporadisch Crossrennen – die meisten von ihnen in seiner Heimat. „International bin ich seit Mombasa nur zweimal Cross gelaufen. Letztes Jahr war ich dabei in Edinburgh Zweiter und wurde dann im Sommer Weltmeister über 1.500 Meter. Jetzt habe ich hier gewonnen, was sicherlich ein gutes Zeichen ist bezüglich der Olympischen Spiele im Sommer.“

Der Spanier Ayad Lamdassem gewann das Männerrennen über 8 km in Edinburgh. © Nova International
Der Spanier Ayad Lamdassem gewann das Männerrennen über 8 km in Edinburgh. © Nova International

Noch zwei weitere Eliterennen, die zu einer Team-Wertung gehörten, wurden in Schottland am Samstag gestartet. Dabei trafen Mannschaften aus Großbritannien, den USA und Europa aufeinander. Afrikanische Athleten waren hier nicht am Start. Der Spanier Ayad Lamdassem, der bei der EM zuletzt zweimal in Folge Silber gewonnen hatte, setzte sich über die 8-km-Distanz der Männer in 25:44 Minuten nach einem starken Endspurt durch. Während sich Bobby Mack (USA) überraschend den zweiten Rang sicherte, wurde der amtierende Europameister, der aus Äthiopien stammende und mit Kenenisa Bekele nicht verwandte Belgier Atelaw Bekele, zeitgleich in 25:47 Dritter. „Ich werde mich nun auf mein Marathondebüt im japanischen Lake Biwa im März konzentrieren. Ich hoffe auf eine Zeit um 2:09 Stunden und möchte auch bei Olympia Marathon laufen“, erklärte Ayad Lamdassem.

Die Frauen liefen auf der anspruchsvollen sowie abwechslungsreichen Strecke im Holyrood Park über 6 km. Es war hier das Rennen der aktuellen Europameisterin Fionnuala Britton. Mit ihr haben die Iren nach den Weltklasseläuferinnen Sonia O’Sullivan und Catherina McKiernan wieder eine große Langstreckenhoffnung. Die 27-Jährige, die sich im Sommer auf die 5.000 und 10.000 m konzentrieren wird, flog der Konkurrenz förmlich davon und gewann mit 20 Sekunden Vorsprung in 21:32 Minuten vor Gemma Steel. Dritte wurde Elle Baker in 22:08 (beide Großbritannien). Zum Europa-Team gehörte auch Simret Restle (Grün-Weiß Kassel), die als Zwölfte 22:48 lief. In der Gesamtwertung der Team-Wettbewerbe gewannen die Briten vor den USA und Europa.

Für sieben- bis dreizehn-jährige Nachwuchstalente wurde von den Veranstaltern ein 2,5-km-Rennen organisiert mit der Wohltätigkeitsorganisation „Leukaemia & Lymphoma Research“ als offizielle Charity des ‚Bupa Junior Great Winter Run‘. Den Teilnehmern war es so möglich, als Teil des Laufteams ‚Banana Army‘ (dt. Bananenarmee) Spenden zu sammeln, die der Leukämie- und Lymphoma-Forschung zugutekommen. Zu erkennen waren sie während des Rennens an ihren gelben T-Shirts.

Auch der Bupa Great Winter Run 5-km-Volkslauf, der jedes Jahr vor den Eliterennen stattfindet, zeichnete sich durch zahlreiche Spendenaktionen aus. So befand sich unter den vielen Teilnehmern auch Owen Redpath. Dieses Rennen war für ihn Teil einer Serie von Laufevents, mit denen er in Gedenken an seinen verstorbenen Vater auf die Krankheit Diabetes Mellitus aufmerksam machen und Spenden für die Wohltätigkeitsorganisation Diabetes UK sammeln möchte. Owen beschreibt nach Angaben der Website Scotsman.com seinen Vater als „einen ganz besonderen Mann“, der dafür lebte, anderen zu helfen, indem er sie ermunterte, sich selbst zu helfen.

Kenenisa Bekele blickt optimistisch auf die Olympischen Spiele in London

Kenenisa Bekele, hier zu sehen beim Diamond League Meeting in Brüssel 2011, konzentriert sich nun verletzungsfrei auf sein Training. © www.photorun.net
Kenenisa Bekele, hier zu sehen beim Diamond League Meeting in Brüssel 2011, konzentriert sich nun verletzungsfrei auf sein Training. © www.photorun.net

Am äthiopischen Weihnachtstag, dem 7. Januar, startete der Ausnahmeläufer Kenenisa Bekele in Edinburgh. Während seine Frau mit den beiden kleinen Kindern in Addis Abeba Weihnachten feierte, kam der Olympiasieger in Schottland hinter zehn Konkurrenten ins Ziel. 22 Sekunden betrug sein Rückstand in dem 3-km-Rennen auf den Sieger Asbel Kiprop. Der erfolgreichste Crossläufer aller Zeiten gewann zuvor allein bei Cross-Weltmeisterschaften 20 Goldmedaillen.

Trotzdem konnte der 29-Jährige nach seinem elften Platz lächeln. „Ich wusste vorher, dass meine Form nicht so gut ist. Es stand 50:50 ob ich gut laufen würde oder nicht. Natürlich bin ich nicht zufrieden mit dieser Platzierung – Rang elf, das ist nicht meine Welt. Aber was kann ich machen? Es ging heute einfach nicht besser“, erklärte Kenenisa und fügte hinzu: „Ich bin froh, dass ich gesund und ohne Verletzungsprobleme in das Olympiajahr gestartet bin. Bezüglich der Spiele in London bleibe ich optimistisch – ich denke, im Sommer werden wir den richtigen Kenenisa Bekele sehen. Ob ich dann wieder über beide Strecken starte, kann ich jetzt noch nicht sagen. Das hängt vom Saisonverlauf und von meinen Ergebnissen zuvor ab. Generell mag ich beide Distanzen, beide sind mir wichtig.“ Dass er in dieser Saison in der Halle rennen wird, ist nach dem Resultat von Edinburgh unwahrscheinlich. „Ich muss jetzt in erster Linie trainieren. Es gibt noch keinen Plan für einen nächsten Start.“

Angesprochen auf die hervorragende Entwicklung des Briten Mo Farah, der bei der WM 2011 Gold über 5.000 m und Silber über 10.000 m gewonnen hatte, sagte Kenenisa: „Mo Farah war im vergangenen Jahr sehr stark. Aber man weiß nie, was passiert – wie wir ja im vergangenen Jahr im 10.000-Meter-Finale gesehen haben, kann es immer eine Überraschung geben. Jeder kann gewinnen. Man kann sich vor einem Rennen vieles vorstellen, aber man kann es nicht wissen – das ist Sport.“

Dass Kenenisa nachdem für seine Verhältnisse nicht zufriedenstellenden Rennen zuversichtlich blieb, hängt auch mit seiner Situation vor einem Jahr zusammen – der 5.000- und 10.000-m-Weltrekordler hatte sich eine Reihe von Verletzungen zugezogen. „Ich war damals, nachdem ich schon ein Jahr lang verletzt war, dicht dran, meine Karriere zu beenden“, erzählte er in einem Interview in Edinburgh. Gut eineinhalb Jahre lang konnte Kenenisa keinen Wettkampf bestreiten. „Ich hatte es immer wieder versucht und habe mich immer wieder neu verletzt. Das war eine harte Zeit. Viele Menschen haben für mich gebetet, dass ich zurückkommen würde. Ohne die Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde hätte ich aufgegeben.“

Bei den Weltmeisterschaften in Daegu (Südkorea) lief er dann schließlich im vergangenen August sein erstes Rennen seit Januar 2010. Im 10.000-m-Finale musste der Titelverteidiger aufgeben. Doch zweieinhalb Wochen später meldete er sich eindrucksvoll in Brüssel zurück und stellte bei seinem 10.000-m-Sieg eine Jahresweltbestzeit auf (26:43,16 Minuten). Edinburgh war nun jedoch wieder eine Herausforderung für Kenenisa. „Ich will noch nicht zu früh in Topform sein, denn ich kann die Form dann nicht bis zu den Olympischen Spielen halten. Ich baue lieber langsam in Richtung Sommer auf“, erklärte der 29-Jährige.

Doch vielleicht ist es für Kenenisa auch nicht mehr ganz so leicht wie früher, sich zu motivieren. „Ich bin nicht mehr so hungrig, dass ich jeden Titel gewinnen will – aber ich will immer noch Geschichte schreiben“, hatte er nach seinem Brüsseler Rennen gesagt. Hinzu kommt, dass Kenenisa in Äthiopien inzwischen auch geschäftlich tätig geworden ist. „Ich habe zwei Hotels gebaut, die in den nächsten Monaten eröffnet werden. Es ist mir wichtig, auch für meine Zeit nach dem Sport Perspektiven zu haben“, erzählte der Läufer. Ein Hotel in Addis Abeba soll in drei Monaten eröffnen, ein weiteres an einem Sport-Komplex zehn Kilometer außerhalb der Stadt in rund vier Wochen. „Natürlich ist es etwas schwieriger, Training und Arbeit zu verbinden. Aber ich wende nur 15 bis 20 Prozent meiner Zeit für mein Geschäft auf.“

Seine Zukunft sieht Kenenisa ohne Frage im Sport. „Zurzeit plane ich, auch nach den Spielen von London weiter Bahn-Langstreckenrennen zu laufen“, kündigte er an. Wann er sich möglicherweise auf die Straßen- und Marathonrennen konzentrieren wird, kann er noch nicht sagen. Wäre ein Marathon-Olympiasieg ein Fernziel? „Es gibt keinen ultimativen Traum. Ich habe noch viel Zeit“, antwortete Kenenisa.