Anna Hahner und Annie Bersagel: Das Ziel lautet Olympia in Rio

Von Jörg Wenig

Anna Hahner und Annie Bersagel sorgten im Frühling für große Überraschungen. Die Deutsche und die Amerikanerin erzielten mit Siegen in Wien und Düsseldorf herausragende Leistungen. Beide Athletinnen streben nun die Olympia-Qualifikation über die Marathondistanz für die Spiele in Rio de Janeiro 2016 an. Die persönlichen Hintergründe von Anna Hahner und Annie Bersagel sind interessant und inspirierend. Und zufällig waren auch ihre Siegzeiten in Wien und Düsseldorf identisch: beide gewannen in 2:28:59 Stunden. Nachfolgend stellt Take The Magic Step die beiden Läuferinnen vor.

Anna Hahner: Feierte einen persönlichen Triumph in Wien

Anna Hahner auf dem Weg zum Sieg in Wien. © www.PhotoRun.net
Anna Hahner auf dem Weg zum Sieg in Wien. © www.PhotoRun.net
Es ist erst gut zwei Jahre her, da lief Anna Hahner ein vielversprechendes Marathondebüt in Düsseldorf. Mit 2:30:14 Stunden verpasste die damals erst 22-Jährige die deutsche Olympia-Norm um lediglich 14 Sekunden. Im vergangenen Oktober steigerte sich Anna, die für Run2Sky startet und in Gengenbach (Schwarzwald) wohnt, beim BMW Frankfurt-Marathon auf 2:27:55 Stunden. Sie rückte damit in der Liste der schnellsten deutschen Marathonläuferinnen aller Zeiten bereits auf Position sieben nach vorne. Ihr bisher größter Triumph gelang der 24-Jährigen im April in Wien. Sie gewann den Vienna City Marathon in 2:28:59 Stunden und sorgte damit für die Überraschung aus deutscher Sicht im Frühjahr.

Zum Laufsport fanden Anna und ihre Zwillingsschwester Lisa, die eine Marathon-Bestzeit von 2:30:17 hat, mit 17 Jahren erst relativ spät. Das war damals ein Zufall, denn sie gingen beide zu einem Vortrag des Musikers und Freizeit-Ausdauersportlers Joey Kelly in Fulda. Es ging unter anderem um das Thema Motivation, und dabei spielte das Laufen eine Rolle. „Das hat uns damals derartig motiviert, dass wir mit dem Laufen anfingen. Zunächst rannten wir dreimal in der Woche für rund 30 Minuten“, erzählt Anna. „Dann entdeckten wir, dass es Volksläufe gibt. Wir gingen an den Start – oft waren es 10-km-Rennen – und gewannen die Frauenwertung. Manchmal liefen wir auch Hand in Hand ins Ziel.“

Sport hatten Anna und Lisa schon als Kinder betrieben, allerdings keinen Ausdauersport. Mit Tischtennis begannen sie als Achtjährige. Für den TTC Mittelaschenbach spielten sie dabei in der höchsten Jugend-Liga – im Einzel wie auch im Doppel. Mit elf Jahren begannen die Schwestern mit Ju-Jutsu und brachten es dann in der Kampfsportart bis zum Braunen Gürtel, der zweithöchsten Kategorie. Dann kam der Laufsport.

Lisa (links) und Anna Hahner bei einer Pressekonferenz. © www.PhotoRun.net
Lisa (links) und Anna Hahner bei einer Pressekonferenz. © www.PhotoRun.net
Nach einem Halbmarathon in Bad Hersfeld, bei dem sie 1:29 Stunden rannten, wurden sie von einem Trainer angesprochen und schlossen sich dem PSV Grün-Weiß Kassel an. Als 2008 die Deutschen Jugendmeisterschaften als Testwettkampf für die WM 2009 im Berliner Olympiastadion stattfanden, wurde Anna über 3.000 Meter Zweite. „Lisa konnte damals nicht starten, aber sie war dabei. Es war faszinierend in dem Stadion zu rennen.“ Dieses Erfahrung war ein Schlüsselerlebnis für die damals 18-Jährigen und eine große Motivation für die weitere Entwicklung. In Trainingslagern des hessischen Verbandes lernten sie dann Wolfgang Heinig kennen. Der erfahrene Marathoncoach war bis Anfang 2013 ihr Trainer.

Im Frühjahr 2013 wechselten die Hahner-Zwillinge zu Renato Canova. Den italienischen Erfolgscoach, der eine Reihe von kenianischen Weltklasseläufern betreut, hatten sie bei einem Trainingslager in Kenia kennengelernt. „Anna und Lisa betreiben ihren Sport sehr ernsthaft und mit großer Leidenschaft. Für Athleten wie sie sind Zeiten von etwa 2:24 Stunden möglich. Es wird keine Leistungsexplosion geben, aber es ist möglich, dass sie sich jedes Jahr um etwa eine Minute steigern“, sagt Renato Canova. In vier Jahren könnten sie damit dann auch bei einer Europameisterschaft sehr gute Ergebnisse erzielen.

Anna Hahners Marathon-Leistungsentwicklung

 2012  2:30:14  6.  Düsseldorf 
 2013  2:27:55  8.  Frankfurt 
 2014  2:28:59  1.  Wien 

Annie Bersagel: Düsseldorf-Sieg trotz Vollzeit-Job

Annie Bersagel gewinnt den Düsseldorf-Marathon. © www.PhotoRun.net
Annie Bersagel gewinnt den Düsseldorf-Marathon. © www.PhotoRun.net
Mit einigem Aufwand haben die Veranstalter des Metro Group Marathon Düsseldorf in den vergangenen Jahren auch in den USA Werbung für ihr Rennen gemacht. Bei der diesjährigen Auflage gab es nun die erste US-amerikanische Gewinnerin in der Geschichte des Düsseldorf-Marathons. Annie Bersagel gelang mit dem Sieg gegen die afrikanischen Favoritinnen eine große Überraschung. Mit 2:28:59 Stunden erzielte die 31-Jährige Ende April ihre erste Zeit unter 2:30 – und dies bei schwierigen Wetterbedingungen mit Dauerregen und teilweise knöcheltiefen Pfützen in der Stadt am Rhein.

Annie Bersagel, die mit dem erfolgreichen norwegischen Bergläufer Öyvind Helberg Sundby verheiratet ist, in Oslo lebt und dort auch Vollzeit arbeitet, ist eine Läuferin, der man in den nächsten Jahren noch einiges zutrauen kann. Ihr Fernziel ist die Olympia-Teilnahme 2016. Schon vor dem Metro Group Marathon Düsseldorf hatte Annie gezeigt, dass mit ihr zu rechnen ist. Bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften in Kopenhagen belegte sie Ende März einen starken 13. Rang und war damit die beste Amerikanerin bei den Titelkämpfen. Mit 70:09 Minuten stellte sie dabei auch eine persönliche Bestzeit auf.

Annie Bersagel kommt ursprünglich aus der Region nördlich von Denver im sportbegeisterten Colorado. Als Teenagerin spielte sie zunächst Baseball und schloss sich einem Verein an. „Wir waren einige Mädchen, die in einem Team der Jungs mitspielten“, erinnert sie sich. Als sie dann als 13-Jährige in der Schule bei einem Meilenrennen an den Start ging, wurde sie Dritte, „obwohl ich in schlechter Form war“. Nach diesem Erlebnis startete Annie fortan als Mittelstreckenläuferin für das Leichtathletikteam ihrer Schule. „In meinem ersten Rennen für das Schulteam wurde ich Zweite, und danach gewann ich alle folgenden Läufe.“

Annie Bersagel mit ihrem Ehemann Öyvind Helberg Sundby und Christoph Kopp (links), der in Düsseldorf für das Elitefeld zuständig ist. © www.PhotoRun.net
Annie Bersagel mit ihrem Ehemann Öyvind Helberg Sundby und Christoph Kopp (links), der in Düsseldorf für das Elitefeld zuständig ist. © www.PhotoRun.net
Während sie verschiedene Distanzen bis zu einer Länge von 10.000 Metern lief und zudem bei Hallenwettkämpfen sowie im Crosslauf startete, war Annie nicht minder erfolgreich in ihrem Studium an der Universität. In Wake Forest (North Carolina) studierte sie Wirtschaft und Politikwissenschaften. 2006 wurde sie dabei als NCAA Frau des Jahres ausgezeichnet – eine amerikanische Ehrung, die eine erfolgreiche Leichtathletin erhält, die zugleich auch im Studium außerordentliche Leistungen erreicht. Danach zog Annie nach Oslo, wo sie auch ihren späteren Ehemann kennenlernte. In der norwegischen Hauptstadt schloss sie ein Master-Studium in Politikwissenschaften ab. Anschließend kehrte sie für drei Jahre in die USA zurück, wo sie von 2009 bis 2012 an der angesehenen Universität von Stanford Jura studierte. Derzeit arbeitet Annie Bersagel in Oslo als Beraterin eines Investment-Unternehmens.

Das Gros ihres Trainingspensums absolviert Annie mit ihrem Mann. Öyvind Helberg Sundby hat eine Halbmarathon-Bestzeit von 69 Minuten, doch hauptsächlich konzentriert er sich auf das Berglaufen. „Ich habe ein paar solcher Rennen in Norwegen ausprobiert, aber das überlasse ich ihm“, sagt Annie, die nun einen Start bei einem Herbstmarathon anstrebt. Da ihr derzeitiger Arbeitsvertrag im Juni 2015 ausläuft, überlegt sie, ob sie danach zeitweise weniger arbeiten sollte. Dann hätte sie mehr Zeit zum Trainieren und sicherlich bessere Chancen, ihr Traumziel zu erreichen: die Olympia-Qualifikation für das US-Marathon-Team 2016.

Annie Bersagels Marathon-Leistungsentwicklung

 2009  2:44:17  24.  Saint Paul (USA) 
 2013  2:30:53  1.  Saint Paul (USA) 
 2014  2:28:59  1.  Düsseldorf