14.000 Frauen auf den Spuren zweier Pionierinnen des Boston-Marathons

Von David Wright
Bobbi und Joan Benoit Samuelson, die Olympiasiegerin von 1984. © TakeTheMagicStep®
Bobbi und Joan Benoit Samuelson, die Olympiasiegerin von 1984. © TakeTheMagicStep®

Am 17. April 2017, beim 121. Boston-Marathon, überquerten mehr als 14.000 Frauen – 46 Prozent der Gesamtteilnehmerinnen – die Ziellinie. Sie setzen die Tradition zweier überaus bemerkenswerter Frauen fort, die es vor einem halben Jahrhundert wagten, die Mӓnnerdomӓne Marathon “anzugreifen”.

Die eine und erste, war Bobbi Gibb, inzwischen 74, eine Malerin, Bildhauerin und Neurowissenschaftsforscherin. Ihrem für damalige Verhältnisse unerhörtem Vorhaben, sich am traditionellen Patriots‘ Day – der Standardtermin für den Boston-Marathon – über die 42,195-km-Distanz zu registrieren, wurde nicht nachgegeben. Ihre Anmeldung wurde abgelehnt.

Man ging damals 1966 davon aus, dass Frauen nicht fähig seien, so eine Distanz laufen zu können. Bobbi kam trotzdem nach Boston, versteckte sich hinter Büschen nahe der Startlinie. Als das Rennen begann, mischte sie sich unter die Männer. Sie beendete den Marathon als 124. Teilnehmer in schnellen 3 Stunden 21 Minuten und 40 Sekunden und unterminierte dadurch das Vorstellungsvermögen sämtlicher Experten, die das im Vorfeld nicht für möglich gehalten hatten.

Zwei Frauen, die Millionen inspirieren – weltweit

Dick und Rick Hoyt, Bryan Lyons, und Uta im Ziel des 2017 Boston-Marathons. © Take The Magic Step®
Dick und Rick Hoyt, Bryan Lyons, und Uta im Ziel des 2017 Boston-Marathons. © Take The Magic Step®
Ein Jahr später – das Verbot für die Frauen war immer noch fester Bestandteil der Marathonregeln – gelang es Kathrine Switzer eine Startnummer zu bekommen, indem sie ihre Initialen auf das Anmeldeformular schrieb. Sie erwehrte sich dem wütenden Versuch des Renn-Direktors Jock Semple, sie von der Strecke “zu schubsen”, und beendete schließlich den Marathon in 4:20:00 Stunden.

Im Jahr darauf war das Tor zum Marathon für die Frauen endlich geöffnet. Kaum jemand hätte damals voraussagen können, dass 50 Jahre später, fast genauso viele Frauen wie Männer offiziell am Boston-Marathon teilnehmen würden.

Beide Marathon-Pionierinnen wurden in diesem Jahr für ihr historisches Engagement gefeiert. Uta – dreimalige Gewinnerin des Boston-Marathon – erlebte Bobbi Gibb frisch geehrt als “Grand Marshall” hautnah, als sie die 30.000 Teilnehmer auf der Boylston Street Richtung Ziel anführte. Und natürlich gratulierte Uta Kathrine Switzer, inzwischen 70, die ihren 1967er Lauf wiederholte, nachdem sie freudestrahlend die Ziellinie in 4:41:31 überquerte.

An einem Tag voller Emotionen schaffte die Kalifornierin Jordan Hasay, in Andenken an ihre im November 2016 verstorbene Mutter, einen unerwarteten dritten Platz. „Ich fühlte mich gesegnet, sie lief jeden einzelnen Schritt mit mir”, sagte Jordan nach dem Rennen. Als amerikanischer Held und ehemaliger Boston-Sieger, lief Meb Keflezighi seinen letzten Boston-Marathon in 2:17:01, im Alter von 41 Jahren. Nach dem Lauf hielt Meb minutenlang inne, um die Fans zu ehren und einen besonderen Tribut an die Familien und Freunde der Opfer zu zollen, die von den tragischen Ereignissen 2013 betroffen waren.

Das Rennen der Mӓnner

Geoffrey Kirui und Galan Rupp. © www.PhotoRun.net
Geoffrey Kirui und Galan Rupp. © www.PhotoRun.net
Warme Temperaturen von über 20 Grad Celsius ließen keine schnellen Zeiten erwarten. Bedenkt man die weltweite Dominanz kenianischer Läufer auf der Marathon-Distanz, ist es kaum zu glauben, dass Geoffrey Kirui, 24, den ersten Titel seit fünf Jahren für sein Land holte.

Es war ein hart umkämpfter Sieg nach einem faszinierenden Duell während der ersten 37 Kilometer mit dem US-Amerikaner Galan Rupp, Bronzemedaillen-Gewinner des Marathons bei den Olympischen Spielen von Rio. Für beide Läufer war es das Debüt in Boston.

Nach etwa 30 Kilometern am gefürchteten „Heartbreak Hill“ angekommen, hatten sie Seite an Seite laufend alle Mitfavoriten hinter sich gelassen. Drei Kilometer später testete Geoffrey seinen verbliebenen Mitstreiter zum ersten Mal und versuchte davonzulaufen, noch aber konnte Galan dagegenhalten. Es bedurfte einer weiteren Tempoverschӓrfung und einer Meilenzeit von 4:28 Minuten (2:46 pro Kilometer), um schließlich einen Vorsprung von 21 Sekunden zu haben und das Rennen in 2:09:37 Stunden für sich zu entscheiden. Galans Kommentar danach: „Seine Tempoeinlagen am Heartbreak Hill haben mich fertig gemacht.“

Zur großen Freude und Überraschung seiner Landsleute lief der Japaner Suguru Osako, Olympiateilnehmer über 10.000 Meter, in 2:10:28 als Dritter ins Ziel. Es war sein erster Marathon.

Das Rennen der Frauen

Edna Kiplagat und Geoffrey Kirui feiern ihre Siege auf der Boylston Street. © www.PhotoRun.net
Edna Kiplagat und Geoffrey Kirui feiern ihre Siege auf der Boylston Street. © www.PhotoRun.net
Eine dramatische Schlussphase gab es auch bei den Frauen. Die Kenianerin Edna Kiplagat, 2-fache Weltmeisterin auf der Marathondistanz, setzte sich nach etwa 30 Kilometern vom Feld ab, baute ihren Vorsprung kontinuierlich aus und gewann in 2:21:52 Stunden. Hinter ihr belegte Rose Chelimo aus Bahrain in 2:22:51 den zweiten Platz. Bei ihrem Marathon-Debüt kam die US-Amerikanerin Jordan Hasay mit bemerkenswerten 2:23:00 als Dritte ins Ziel.

Am Abend vorm Marathon besuchte Uta die freiwilligen Helfer und Verantwortlichen an der Ziellinie. „Es war als würde ich nach Hause kommen“, lachte sie. Am Tag zuvor hatte sich Uta mit Tausenden anderer Läufer über die 5 Kilometer gemessen. Die Strecke ging entlang der Boylston Street – wie beim Marathon. Ihre Zeit: gute 21:22.

Wie die Jahre zuvor, stand Uta am Tag des Marathons an der Ziellinie, um die Läufer zu begrüßen, darunter die 19 Frauen und 13 Männer der Hoyt-Stiftung, die sie auf ihrer Marathonvorbereitung begleitete. Trotz der relativ hohen Temperaturen konnten alle Läufer der Stiftung das Rennen beenden. Die Teammitglieder, aus vielen Teilen der USA und Kanada kommend, hatten wieder einmal alles gegeben und darüber hinaus fast 150.000 US-Dollar zu Gunsten ihrer Stiftung gesammelt, um bedürftigen Kindern zu helfen.

Uta beim B.A.A. 5-km-Lauf zwei Tage vorm Marathon. © MarathonFoto.com
Uta beim B.A.A. 5-km-Lauf zwei Tage vorm Marathon. © MarathonFoto.com
Das Team Hoyt wurde nach Dick und Rick Hoyt benannt, den legendären Rollstuhlwettkӓmpfern, die gemeinsam 32 Boston-Marathons bestritten, wobei der Vater seinen Sohn die gesamte Strecke über schiebt. Sie sind so populär, dass man ihnen im Startbereich in Hopkinton ein Denkmal setzte. Dick hat sich im Alter von 74 Jahren vom „Marathon-Schieben“ zurückgezogen und sich verdienterweise zur Ruhe gesetzt.

2017 war es das dritte Mal, indem sein Nachfolger, der 47-jӓhrige Zahnarzt Bryan Lyons aus Mythuen, Massachusetts, Rick die klassischen 42,195 Kilometer von Hopkinton nach Boston schob. Rick Hoyt wurde vor 55 Jahren mit Zerebralparese geboren und sitzt seither im Rollstuhl. Sie beendeten den Marathon in etwa fünf Stunden.

Uta sagte: „Nie werde ich das von überschäumender Freude strahlende Gesicht Ricks vergessen, als er und Bryan die Ziellinie überquerten. Dort auf Rick und Bryan und das Team der Hoyt-Stiftung zu warten, sie zu begrüßen und mich mit ihnen zu freuen, liegt mir sehr am Herzen.“
„Es war eine wunderbare Ehrung der Frauenlaufbewegung. Was Bobbi und Kathrine vor gut 50 Jahren begonnen haben, wurde heute von tausenden Läuferinnen gefeiert. Sie öffneten Millionen von Frauen das Tor zum Laufen und zur Fitness.“

Auf der Zielgeraden... © www.PhotoRun.net
Auf der Zielgeraden… © www.PhotoRun.net

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