Laufend Konflikte bewältigen beim Berliner Friedenslauf

© Betty Shepherd
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Was für ein Bild! Eine halbe Million Menschen jubelt vor dem Brandenburger Tor in Berlin, schwarz-rot-goldene Fahnen flattern, die deutsche Fußball-Nationalmannschaft sagt „Servus“. Und Pop-Poet Xavier Naidoo singt: „Dieser Weg wird kein leichter sein.“

Ein paar Wochen ist das her. Die Fußball-WM, ein gigantisches Fest ist zu Ende, der Rausch vorbei, die Fanmeile, wo sich Menschen vieler Nationen in den Armen lagen, ist abgebaut. Doch der Geist des friedlichen Miteinanders scheint sich eingenistet zu haben auf der Straße des 17. Juni: Vor wenigen Tagen war das Pflaster vor dem Brandenburger Tor die Bühne für den 1. Berliner Friedenslauf.

Seit fünf Jahren ruft das Forum Ziviler Friedensdienst zu Friedensläufen auf. Besonders junge Menschen sollen dabei zeigen, wie viel ihnen eine friedliche Zukunft bedeutet. Kinder und Jugendliche nehmen Kriege und gewalttätige Konflikte in der Welt intensiv war – durchs Fernsehen oder Radio, durch Gespräche von Erwachsenen. Auch in ihrem eigenen Alltag sind sie mit Auseinandersetzungen konfrontiert – in der Schule, zu Hause, im Streit mit Geschwistern oder mit ihren Eltern. So ist es eine Idee der Friedensläufe, dass sich die Teilnehmer mit der Überwindung von Hass, Gewalt und Intoleranz beschäftigen. Ein hoher Anspruch, der sich in der Umsetzung bei dem zehnjährigen Matthias so anhört: „Ich bin gelaufen, weil ich möchte, dass es den Kindern gut geht, da wo jetzt Krieg ist.“

Auf die Frage, wo denn Krieg ist, meint Matthias: „Ich glaube im Libanon, wegen der Hisbollah.“ Er ist fünf Runden gelaufen, insgesamt 7,5 Kilometer, immer am symbolträchtigen Brandenburger Tor vorbei. Mit seinen Eltern hat er vereinbart, dass er für jede gelaufene Runde 5 Euro bekommt. Seine Nachbarn geben Matthias 1 Euro pro Runde. Das Geld, das auf diese Weise von den Friedensläufern eingenommen wird, fließt in Projekte zur zivilen Konfliktberatung. Derzeit betreut das Forum Ziviler Friedendienst elf Projekte in Palästina und Südosteuropa.

Der 1. Berliner Friedenslauf richtete sich in diesem Jahr an Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Der Berliner Senat hat Schulen angeschrieben und zum Mitlaufen eingeladen. Etwa 700 Berliner Schüler standen schließlich an der Startlinie – nicht, um als erster durchs Ziel zu laufen, sondern um gemeinsam möglichst viele Runden zu schaffen. „Total ausgepowert“ hat sich dabei Ivelina. „Vor allem die ersten beiden Runden waren anstrengend“, meint die Zehnjährige. Eigentlich spiele sie Hockey, doch als sie in der Schule gefragt wurde, ob sie beim Friedenslauf mitmachen will, habe sie nicht lange überlegt. „Ich finde das toll“, sagt sie.

Im Vorfeld des Laufes wurde den Schulen und Jugendorganisationen ein pädagogisches Begleitprogramm angeboten, in dem ausgebildete Friedensfachkräfte über gewaltfreie Konfliktarbeit referierten. Angesprochen fühlen sollten sich davon auch Streitschlichter an Schulen, die bei Auseinadersetzungen zwischen Mitschülern eingreifen und schlichten sollen. Denn Möglichkeiten, Frieden zu stiften, gibt es nicht nur auf großer diplomatischer Staatsbühne. An Schulen, unter Freunden, im Kinderzimmer oder am Essenstisch sind oftmals klärende und beruhigende Worte notwendig.

Sport inhaltlich mit aktivem Friedensengagement zu verbinden, war auch der 25-jährigen Mareike ein Bedürfnis. „Ich bin überhaupt nicht sportlich aktiv, doch wegen der Sache bin ich eine Runde gelaufen.“ Die Studentin beschäftigt sich intensiv mit entwicklungspolitischer Arbeit, engagiert sich in Vereinen und Netzwerken. Sie weiß, wie viel Aufmerksamkeit Friedensbemühungen brauchen, dass der Weg keinesfalls ein leichter ist, und dass man sich dafür in Bewegung setzen muss. Mareike hat es getan. Und: „Es hat sich ganz gut angefühlt.“