The Fit Life: Wetter hin oder her – es ist immer Laufzeit

Von Scott Douglas
© Stacey Cramp
© Stacey Cramp

Diejenigen unter uns, die noch nie in San Diego waren, müssen uns einfach glauben, dass 25 Grad und dauernder Sonnenschein nach dem 138. Tag in Folge langweilig werden. Aber es wäre schon nicht schlecht, wenn wir das selbst am eigenen Leib erfahren könnten. Aus meiner Sicht – ich wohne an der Küste des US-Bundesstaates Maine – wäre der größte Nachteil, dass man mit einem ganzen Katalog von neuen Ausreden aufwarten müsste, wenn die Klassiker „Es ist zu kalt/ heiß/ windig/ verregnet/ verschneit/ vereist“ wegfallen. Wer suchet, der findet jedoch bekanntlich immer etwas, und so könnte man sich im Zweifelsfall sicherlich auch darüber beschweren, dass es nichts gibt, über das man sich beschweren kann.

Wie die meisten Menschen beschweren auch wir Läufer uns gern über das Wetter, aber im Gegensatz zu anderen werden wir oft trotzdem aktiv. Eine der reizvollsten Vorzüge des Laufens ist sein Minimalismus: Man braucht nur wenig Ausrüstung, und schon liegt uns die ganze Welt zu Füßen. Im Gegensatz zu anderen Sportlern, die gelegentlich hilflos vor einem verschneiten Tennisplatz stehen oder auf einer Straße, die zu vereist ist zum Radfahren, sind wir trotzdem im Freien und gehen unserem Handwerk nach, egal, wie die Bedingungen sind. Genauer gesagt, sind wir manchmal gerade aus diesem Grund ,on the road’. Oder bin ich etwa der Einzige, der am kältesten Tag des Jahres sich hinauswagt, um heraus zu finden, wie es ist, bei gut gekühlten minus 35 Grad zu laufen?

Natürlich zeige auch ich gelegentlich Schwäche. An manchen Tagen graut es meinem inneren Schweinehund so sehr vor dem Gedanken, bei dem furchtbaren Wetter eine halbe Stunde weit von zu Hause entfernt zu sein, dass er am Ende siegt – obwohl mein rationales Ich versucht, mich wenigstens zu einem kurzen Lauf zu überreden. (Oder ist es eigentlich eher mein rationales Ich, das sich für einen faulen Tag ausspricht? Aber vielleicht sollte ich das lieber nicht zu sehr hinterfragen.) Ich habe nie bereut, mich bei scheußlichem Wetter vor die Tür gewagt zu haben. Indes war ich enttäuscht, wenn Schwächel-Scott gewonnen und mich an diesem Schritt gehindert hat. Glücklicherweise gibt es nunmehr keine Ausreden mehr: Ich besitze inzwischen ein Laufband, so dass ich keinen Lauf aus Wettergründen auslassen muss und ich mich abends im Bett nicht mehr wegen mir oder meiner Schwächen grämen muss.

Welche hilfreichen Erfahrungen können wir also aus diesen Situationen gewinnen, in denen wir es schaffen, uns vor die Tür zu bewegen, auch wenn Wetter und Trägheit übermächtig erscheinen? Erstens kann man nur bis zu einem bestimmten Maß nass werden, nasser geht es dann einfach gar nicht mehr. Eine Vertreterin von Nike erzählte mir einmal: „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.“ Die hat wahrscheinlich aus San Diego angerufen. Ansonsten gibt es fast überall Tage, die sogar der größte Optimist lausig nennen würde. Aber was soll’s? Nach 20 Minuten in einem Wolkenbruch sind Sie eh vollkommen durchnässt. Was soll schon passieren, wenn Sie noch 40 weitere Minuten draußen sind? Jemand, der nach einem permanent bequemen Leben strebt, wird sowieso kein Läufer. Deswegen werden Sie an manchen Tagen völlig durchnässt sein, ja, oder frieren, dass Ihnen die Zähne klappern oder vom Winde verweht oder von der Sonne geröstet werden. Doch wieder zu Hause, werden Sie glücklich sein. In solchen Zeiten kommt mir stets eine Zeile eines Stereolab-Songs in den Sinn: „Es ist nicht für ewig.“ Dank des Laufens gelingt es mir oft, geduldig zu sein, wenn ich mich in weniger schönen Situation wiederfinde – egal, ob ich beim Schneeschippen gegen die beißenden Windböen ankämpfe oder mich in nicht-meteorologischen Situationen beweisen muss. (Air India – ja, ich meine euch.)

Zweitens: An ungemütlichen Tagen den Fuß vor die Tür zu setzen, macht uns zu leistungsfähigeren Menschen. Die Herausforderung erst einmal angenommen, können wir mehr schaffen und besser sein, als wir es uns in der kuscheligen Gemütlichkeit unseres Sofas überhaupt vorstellen können. Tatkraft und Entschlossenheit, die in uns wachsen, während wir bei unterschiedlichsten Wetterbedingungen laufen, werden uns auch in anderen Lebenslagen helfen.

Im Grunde sollte uns bei dem Gedanken an schlechtes Wetter gar nicht pflichtbewusste Schinderei in den Sinn kommen. Das Laufen macht am meisten Spaß, wenn es regelmäßig betrieben wird, weil wir nämlich nur so die Natur in all ihren Facetten erfahren können. Bleiben uns nicht einige unserer Läufe gerade deshalb so lange in Erinnerung, weil uns die Natur an diesem Tage außergewöhnliche Eindrücke bescherte? Meine glorreiche Laufgeschichte umfasst zum Beispiel einen 30-km-Lauf während des „Jahrhundert-Schneesturms“ im März 1993; einen 20 km langen Lauf am Silvesterabend 2001, bei dem der Wind so stark war, dass ich auf dem Rückweg pro Kilometer 60 Sekunden schneller war als auf dem Hinweg; einen 13-km-Lauf im Juni 1994, bei dem die Luftfeuchtigkeit so hoch war, dass meine Schuhe nach nur 18 Minuten beim Aufsetzen platschende Geräusche von sich gaben; einen 6-km-Lauf an einem furchtbar kalten Morgen im Januar 2004, an dem sogar die Ufer des Atlantischen Ozeans zugefroren waren und einen 11-km-Lauf an einem Tag im Juli 2002, an dem der Smog so stark war, dass in der Umgebung von Washington, D.C. zum ersten Mal in der Geschichte der „Code Purple“ ausgerufen wurde, was im Grunde nichts anderes bedeutete als „Bitte heute nicht einatmen“. Finden Sie es nicht auch herrlich, sich an Ihre Hartnäckigkeit und Ausdauer an solchen Tagen zu erinnern?

Diese extremen Beispiele zeigen uns, was das Laufen in allen Wetterlagen so wertvoll macht – die Einzigartigkeit des Erlebten, die wir nur erfahren, weil wir hinausgehen und laufen. Mir fällt es manchmal schwer, meine ganzen Arbeiten und Aufgaben an den Wochentagen auseinander zu halten und ein heilloses Durcheinander zu vermeiden. Habe ich den Artikel über diese neue albanische Jugend-Sportorganisation am Dienstagnachmittag redigiert oder war es Donnerstagmorgen? Im Gegensatz dazu könnte ich Ihnen innerhalb einer Sekunde alles über den Wolkenbruch während meines Laufes am Sonntagabend erzählen – und über den grell-rosa Himmel während des Laufes am Dienstagmorgen, den Vollmond, bei dem ich eine Trainingseinheit auf der Bahn absolvierte, und den unheimlichen blauen Dunst bei meinem 18-km-Lauf am Donnerstagnachmittag.

Das Wetter spiegelt wahrscheinlich am besten wieder, was mir das Laufen vermittelt: Freiheit, Vielfalt, Selbstbestimmtheit und Überraschungen. Kommen Sie mit ’raus zum Spielen!

Eine Version dieses Essays wird in Scotts bald erscheinendem Buch On Solid Ground: What It’s Like to be a Runner zu finden sein. Weitere Einblicke in das Buch werden wir Ihnen in den kommenden Monaten exklusiv auf dieser Internetseite geben. Weitere Fit Life-Essays finden Sie in unserer Rubrik Inspiration.