The Fit Life: Vergnügen mal anders

Von Scott Douglas
© Stacey Cramp
© Stacey Cramp

An einem Nachmittag, es ist schon etliche Zeit her, liefen ein Freund und ich im strömenden Regen einen lang gezogenen Hügel hinauf. Der Wind blies uns mit voller Kraft ins Gesicht. Wir fühlten uns, als würden wir auf der Stelle laufen statt uns der Spitze zu nähern. Wir hatten für eine Weile kein Wort gesprochen, als uns eine besonders starke Windböe wieder den Berg hinunter drückte. Angestrengt nach vorn gebeugt und mühevoll das Gleichgewicht haltend, schrie ich: „Das ist doch abartig!“ Mein Freund lachte und sagte: „Ja, aber das Komische ist, dass wir gerade so viel Spaß haben wie nie zuvor.“

Er war sarkastisch und ernsthaft zugleich. Sarkastisch, weil man sich leicht vorstellen konnte, was die an uns Vorbeifahrenden denken mussten: Wer sind denn diese armen Irren, und warum bleiben die nicht einfach zu Hause und reiben ihre Handknöchel über eine Käseraspel? Ernsthaft, weil tatsächlich – auch wenn ein wenig übertrieben – wenig von dem, was wir in unseren ersten 16 Lebensjahren bis dahin erlebt hatten, so viel Spaß gemacht hat wie dieser Lauf.

Zugegeben, wir waren jungfräuliche Anti-Alkoholiker, aber lassen Sie es mich erklären, warum unser Lauf mehr war als reine Qual: 90 Minuten Kameradschaft; eine nicht zu leugnende außergewöhnliche Herausforderung; das köstliche Gefühl, jegliche Vorstellung davon zu ignorieren, wie der normale Mittelstands-Amerikaner seine Freizeit gestalten sollte; das Gefühl, dass wir dadurch mehr wussten, als die Menschen, die kopfschüttelnd an uns vorbeifuhren; ein unglaubliches Erleben der Natur; das Wissen, dass unser ,begossener Pudel-Status’ nicht für ewig war; das Spüren aller Sinne; das Gefühl, etwas zu leisten, das uns mehr bedeutete, als alles, was der restliche Tag bringen würde; und mittlerweile eine Erinnerung, die uns noch immer nach mehr als einem Vierteljahrhundert verbindet (als wir keine jungfräulichen Anti-Alkoholiker mehr waren, war ich Redner und Trauzeuge auf seiner Hochzeit). Andere, vermeintlich lustigere Unternehmungen aus dieser Zeit – Familienurlaube, Ausflüge, Pfadfinder-Zeltlager, auf der Rollerskate-Bahn Mädels anmachen – können dabei nicht mithalten.

Es ist mir bewusst, dass ich hier in der Minderheit bin. Gerade erst heute bin ich im Internet auf einen Artikel mit dem Titel „Die Zukunft des Vergnügens“ gestoßen. Dem Artikel nach werden wir bald mehr Spaß als je zuvor haben – dank größerer, flacherer Fernsehbildschirme und High-Definition-Videos, deren Leistung durch realitätsgetreuen Sound verbessert wird, der in der Lage sein wird, ein Flüstern in Ihren Ohren zu simulieren. Für all jene, „die es satt haben, auf dem Sofa herumzulungern“, wird es tragbare Geräte geben, die Kabelfernsehen empfangen sowie eine neue Generation von Fernbedienungen, die die Steuerung von all diesem Vergnügen zu einem Kinderspiel machen.

Gut, mir gefällt ein simuliertes Flüstern im Ohr wahrscheinlich ebenso wie jedem anderen. Das Laufen aber hat mich schon vor langer Zeit gelehrt, dass das Verständnis von Vergnügen, das dieser Artikel suggerierte – das passive Aufnehmen künstlicher Unterhaltung –, eher für die Art Menschen ist, die sagen „Ich sehe Läufer nie lächeln“ als für die, die mit dieser lahmen Beobachtung beschrieben werden, sprich: die Läufer. (Kurze Anmerkung: Erstens guckt Ihr nicht genau genug hin, und zweitens, selbst wenn dem so wäre: na und? Es wäre ziemlich interessant zu sehen, was diese Leute sagen würden, wenn man sie bei ihrem Abendessen unterbrechen und fragen würde, warum sie nicht lächeln.)

Wir Läufer wissen, dass Spaß mehr bedeutet als nur Grinsen und Heiterkeit. Mir gefällt die Definition von Spaß des Evolutionsbiologen Richard Dawkins: das, was nicht langweilig ist. (Meine Frau widerspricht mir hier: Sie meint, dass etwas unheimlich sein kann, jedoch weder langweilig ist noch Spaß macht. Wie jedoch würde sie dann die andauernde Popularität von Horrorfilmen, die Schwerkraft herausfordernden Achterbahnen in Vergnügungsparks sowie Selbsthilfe-Sendungen wie Dr. Phil erklären?) Dawkins’ Definition beschreibt einige meiner Lieblingsaktivitäten, die sogar die „Zukunft des Vergnügens“-Anhänger als vergnüglich akzeptieren würden: auf meinem Schlagzeug im Keller herumzutrommeln, kleine Wanderungen mit meiner Frau zu machen, mit meinem Hund am Strand fangen zu spielen, mich der Herausforderung des Kopf zerbrechenden Kreuzworträtsels der New York Times-Samstagsausgabe zu stellen.

Vor kurzem reisten ein Freund und ich nach Indien. Nach einer endlos erscheinenden Reise kamen wir in Neu-Delhi an. Die Ortszeit ging auf 1:30 Uhr am Morgen zu, und für uns war klar, was zu tun war: laufen gehen. Mit Erleichterung kann ich berichten, dass wir uns nur einige Male verliefen, uns nur zwei Horden von räudigen Hunden folgten und wir die Luftverschmutzung nur bemerkten, wenn wir versuchten zu atmen. Gegen Ende unseres Laufes verlangsamte ein Autofahrer sein Gefährt von Neu-Delhis Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 686 km/h und rief zu uns hinüber: „Seid Ihr vollkommen verrückt?“

Nee, nur vergnügungssüchtig.

Eine Version dieses Essays wird in Scotts bald erscheinendem Buch On Solid Ground: What It’s Like to be a Runner zu finden sein. Weitere Einblicke in das Buch werden wir Ihnen in den kommenden Monaten exklusiv auf dieser Internetseite geben. Weitere Fit Life-Essays finden Sie in unserer Rubrik Inspiration.