The Fit Life: Laufen geht immer
Als ich eines Morgens beim Laufen meine Runden um den Parkplatz eines Einkaufszentrums in Tampa, Florida, drehte, hielt ein Wachmann neben mir, kurbelte sein Fenster herunter und unterbrach sein Tabakkauen gerade lang genug, um mich zu fragen: „Was machen Sie’n da?“
Hm, also: Ich trage Laufschuhe, kurze Socken, Laufhose und ein Laufhemd. Ich triefe vor Schweiß. Ich bin ziemlich dünn für amerikanische Maßstäbe. Und ich bewege mich so, dass ein Fuß immer vom Boden abgehoben ist.
„Ich weiß nicht genau. Wie sieht es denn aus, was ich hier tue?”
„Sie sollten das nicht hier machen”, sagte mein neuer Freund und fuhr – nach erfüllter Mission – davon.
In gewisser Weise hatte er Recht – ich hätte das nicht dort machen sollen. Ich hätte auf einem schattigen Pfad sein sollen, mit Blick aufs Meer zur einen und Bergpanorama zur anderen Seite – und einer Espresso-Bar am Ende obendrein. Das Hotel, in das mich mein damaliger Arbeitgeber jedoch einquartiert hatte, lag in einer ganz besonders trostlosen Gegend von Tampa, wo scheinbar sogar ein kleines Stück Bürgersteig gegen die Nichts-außer-Autos-Politik der Gegend verstoßen hätte. Einige beinahe tödliche Zusammenstöße auf der Autobahn ließen mich am Rande des erwähnten Einkaufszentrum-Parkplatzes enden, den zu umrunden mich auf der größten Runde acht Minuten kostete. Um Abwechslung zu schaffen, lief ich ab und zu direkt auf dem Parkplatz, wo eine Runde etwas mehr als fünf Minuten dauerte. Unaufmerksame Fahrer auf der Jagd nach Schnäppchen machten das Laufen dort am Abend zu gefährlich. Ein selbstmörderischer Sprint von wenigen Minuten in die andere Richtung brachte mich in eine kleine Wohngegend, die auf allen Seiten von Autobahnen umgeben und im Schachbrettmuster angelegt war. Wenn ich eine Straße entlang lief, dann in die nächste Straße nach rechts und daraufhin wieder links einbog und mich so durch das Schachbrett bis zu dessen Ende vorarbeitete, brachte ich es auf neun Minuten. Welch idealer Ort für das jährliche Treffen der National Recreation and Park Association! (Nationale Gesellschaft für Erholung und Parkanlagen)
Das einzige, was schlimmer gewesen wäre, als dort in Tampa zu laufen, wäre ein Laufverzicht. Verzeihung, aber ein kurzzeitiger Mangel an vernünftigen Sportstätten kann nicht als Entschuldigung für eine Laufpause gelten. Wenn Bill Rodgers Zwei-Stunden-Läufe auf Zufahrtsstraßen von Flughäfen oder 600-Meter-Runden um einen vietnamesischen Zoo absolvieren kann, dann können wir uns allemal zusammenreißen und ein paar Tage Umrundungen eines Parkplatzes aushalten.
Glücklicherweise sind solch widrige Bedingungen eher die Ausnahme auf Reisen. Mit Hilfe gewissenhafter Studien der örtlichen Straßen und Karten, vielleicht kombiniert mit ein oder zwei Tipps auf einem Schwarzen Brett sowie ein bisschen Glück, können Sie fast immer einen vernünftigen Platz zum Laufen finden. Zudem braucht man ja eigentlich nur eine passable Strecke von drei bis vier Kilometern.
Im besten Falle wird der Erkundungsdrang, der allem Laufen inne wohnt, sogar noch gesteigert, wenn man in fremden Gefilden unterwegs ist. Wer sich laufend in einem fremden Land bewegt, erfährt mehr von dem Charakter und dem täglichen Leben der Einheimischen. Man bekommt mehr mit als durch den Blick aus dem Auto oder durch die Worte eines Fremdenführers. Läufer sind schnell genug, um eine ausreichend große Fläche zu sehen und gleichzeitig langsam genug, um wahrhaft beobachten und aufnehmen zu können. Manhattan? Das Schimmern des Abendlichts vom Central Park Reservoir. Boston? Neben den Teams der College-Ruderer herlaufen, gemeinsam den Nebel über dem Charles River jagend. San Francisco? Ein spontanes Abbiegen auf einen Pfad mit atemberaubender Sicht auf die Golden Gate Bridge. Nichts davon hätte ich erleben können, ohne das Privileg, ein Läufer zu sein. (Und rein pragmatisch gesehen, hätte ich nie all die interessanten Orte gefunden, an denen ich nach dem Laufen meine Energiespeicher wieder auftankte.) Sogar die weniger idyllischen Läufe, beispielsweise durch die kurz darauf dem Erdboden gleichgemachten Vororte von Atlanta, sind zutiefst lehrreich und geben mir das Gefühl, mehr Reisender als Tourist zu sein.
So erscheint es mir immer komisch, wenn jemand, der das Laufen zu mögen scheint, berichtet, dass er im Urlaub nicht läuft. Warum machen Menschen Urlaub? Um zu entspannen und sich zu erholen, für einen Tapetenwechsel und neue Erlebnisse. Laufen als Last? Wie könnte Laufen etwas anderes sein als eine weitere Bereicherung? Ich neige dazu, im Urlaub mehr statt weniger als normal zu laufen.
Das Gleiche gilt für Geschäftsreisen, jedoch aus anderen Gründen. Je mehr andere meinen, über meine Zeit verfügen zu können, desto mehr möchte ich Zeit für etwas haben, das mir etwas bedeutet. Je mehr ich in monotonen Konferenzräumen und Kongresszentren sitze und Kekse serviert bekomme, desto mehr Verlangen habe ich, die besonderen Reize der Gegend zu erkunden. Ja, sogar in Tampa. Vielleicht wäre die beste Antwort auf die Frage des Wachmannes, was ich denn dort mache, gewesen: „Leben.“
Eine Version dieses Essays wird in Scotts bald erscheinendem Buch On Solid Ground: What It’s Like to be a Runner zu finden sein. Weitere Einblicke in das Buch werden wir Ihnen in den kommenden Monaten exklusiv auf dieser Internetseite geben. Um weitere Fit Life-Essays zu lesen, schauen Sie in unsere Rubrik Inspiration.
- Erschienen am 22. November 2007
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