Barfuß beim Berlin-Marathon?

Von Jörg Wenig
© Betty Shepherd
© Betty Shepherd

Vor zwanzig Jahren hatten Schummler bei den großen Stadt-Marathonläufen noch gute Chancen, unentdeckt davonzukommen. Nur wer es übertrieb oder zufällig beim Abkürzen beobachtet worden war, wurde auch disqualifiziert. So gab es beim Berlin-Marathon 1984 zum Beispiel einen 16-jährigen Jungen, der wenige Minuten nach dem Sieger ins Ziel gelaufen war. Er war unterwegs entweder mit dem Fahrrad gefahren oder in die U-Bahn gestiegen. Die Einführung des Chip-Zeitmesssystems in den 90er Jahren sollte den Schummlern eigentlich den Garaus machen. Denn alle Läufer müssen seitdem bei den großen Marathonrennen mit einem Computerchip starten, der am Schnürsenkel befestigt wird – ansonsten finden sie keinen Eingang in die Ergebnislisten. Alle fünf Kilometer liegen Zeitmessmatten auf der Straße, die die Daten von jedem Chip erfassen. Startnummer, Name und Durchgangszeit können auf diese Weise kontrolliert werden.

Doch die Kontrollmöglichkeiten dieses Systems scheinen nicht allen Startern beim real,- Berlin-Marathon bekannt gewesen zu sein. Wie die Veranstalter des größten deutschen Marathons, bei dem Ende September die Rekordzahl von 30.709 Läufern regulär das Ziel erreichten, jetzt bekannt gaben, wurden 127 Athleten nachträglich disqualifiziert. Bei manchen von ihnen verlor sich die Chip-Spur bereits nach fünf Kilometern, für die meisten wurde die letzte Zwischenzeit immerhin noch bei Kilometer 25 registriert. Im Ziel aber tauchten sie alle wieder auf und holten sich die Medaille ab. In der Ergebnisliste werden sie nicht stehen, da helfen auch Ausreden nichts. Ein Läufer behauptete tatsächlich, er hätte aus gesundheitlichen Gründen bis Kilometer 35 barfuß laufen müssen und habe erst danach die Schuhe mit dem Chip angezogen.