Jubel und Tränen der Freude für das neue Team Hoyt beim Boston-Marathon

Von David Wright
Bryan Lyons und Rick Hoyt beim Boston-Marathon 2015. © Tim Kilduff
Bryan Lyons und Rick Hoyt beim Boston-Marathon 2015. © Tim Kilduff

Nach der Linkskurve zur Boylston Street, beidseitig gesäumt von jubelnden Zuschauern, erblickten sie schließlich die regenverschleierte Ziellinie des Boston-Marathons. Dort, knapp 800 Meter vom Ziel entfernt, brachte Bryan Lyons den Rollstuhl von Rick Hoyt zum Stillstand.

„Ich wollte ihm noch etwas sagen und wusste, dass es dafür später keine Möglichkeit geben würde“, sagte Bryan gegenüber Take The Magic Step. „Es war sehr persönlich und emotional, ich habe mich von ganzem Herzen dafür bedankt, dass ich mit ihm laufen durfte.“

„Ich sah den Regen und den Schmutz von der Straße in seinem Gesicht und habe es abgewischt. Gleich würden die Kameras auf Rick gerichtet sein. Ich wollte, dass sie ihn an der Ziellinie von seiner besten Seite sehen.“

Dann lief das „neue“ Team Hoyt weiter durch den Wind, durch Regen und Kälte, gegen die sie auf den gesamten 42,195 Kilometern angekämpft hatten, und waren schließlich nach 4 Stunden und 30 Minuten im Ziel ihres ersten gemeinsamen Boston-Marathons.

Das strahlende Lächeln im Gesicht des 53-jährigen Ricks, der mit einer Zerebralparese geboren wurde und weder laufen noch reden kann, sprach für sich.

Dick fotografiert Bryan und Rick aus seinem Jeep. © Jennifer Edwards/DMSE Sports
Dick fotografiert Bryan und Rick aus seinem Jeep. © Jennifer Edwards/DMSE Sports

Der Erste, der sie begrüßte, war natürlich Dick Hoyt, Ricks 74 Jahre alter Vater, der ihn als Teil des legendären Läufer-Rollstuhl-Duos während seiner vorherigen 32 Boston-Marathon-Teilnahmen geschoben hatte.

Über die Jahre wurden die Beiden zu einer Inspiration für unzählige Menschen weltweit, zu einem geliebten Symbol des Boston-Marathons – und heute ehrt sie eine Bronzestatue in der Nähe der Startlinie in Hopkinton.

Dick übergab für den diesjährigen 119. Boston-Marathon aus Altersgründen seine Aufgabe am Rollstuhl an Bryan, einem 45-jährigen Zahnarzt aus Methuen, Massachusetts. Bryan verbindet eine enge Freundschaft mit Rick, seit 2009 ist er Teil des Hoyt Foundation-Teams.

Der Himmel öffnete sich, Dick und Uta warteten voller Vorfreude an der Ziellinie, um die beiden zu empfangen: Dick wurde in diesem Jahr mit der Rolle des Botschafters des Rennens geehrt. Uta trainiert seit einigen Jahren die Charity-Läufer der Hoyt Foundation.

Dick, Bryan, Rick und Uta im Ziel. © Robert Frechette
Dick, Bryan, Rick und Uta im Ziel. © Robert Frechette

„Rick und ich waren so aufgeregt. Als wir näher an die Ziellinie herankamen, konnte ich Uta sehen, und ich sah auch Dick und es kam mir vor, als würden wir in ihre Arme laufen. Es war ein sehr emotionaler Moment, und ich hatte Tränen in den Augen, Dick dankte mir für den Lauf mit Rick.“

Trotz der widrigen Bedingungen – der schwierigsten seit Jahren – sagte er: „Ich habe den Regen und die Kälte nicht gespürt, habe den eisigen Wind nicht gemerkt. Ich sah und fühlte nur die vielen Menschen, die Rick entlang der Strecke zujubelten.“

Bryan und Rick hatten mit mehreren langen Rennen für Boston geprobt, aber die Bedingungen an diesem Tag hätten nicht anspruchsvoller sein können. „Rick hat zwar einen beheizten Sitz im Rollstuhl, wir haben dennoch mehrmals unterwegs angehalten um sicherzustellen, dass er es bequem hat“, sagte Bryan. „Ich bin nicht sehr schnell mit der Methode, die er für das Kommunizieren benutzt, und so beschloss ich, ihm nur Ja-oder-Nein-Fragen zu stellen: ‚Ist Dir warm genug? …möchtest Du etwas trinken? …sind Deine Sachen trocken?‘ Schüttelte er den Kopf, kümmerte ich mich. Nickte er, zogen wir weiter. Er war durchweg gut drauf.“

Die Team Hoyt-Hilfsstation. © Maureen Hayes
Die Team Hoyt-Hilfsstation. © Maureen Hayes

Nach dreieinhalb Stunden machte das Team eine kurze Pause, genau dort, wo sich die Team Hoyt-Hilfsstation auf dem Heartbreak Hill befand. Langjährige Mitglieder der Hoyt-Stiftung, die in diesem Jahr nicht am Marathon teilnahmen, unterstützten mit Hingabe die anderen Läufer. Das Duo verließ mit leidenschaftlichen Anfeuerungsrufen und einer zusätzlichen Wärmedecke für Rick die Station.

Der unermüdliche Dick, der seinen Sohn weiterhin über kürzere Strecken fahren wird, begleitete das Rennen im Auto. Als Botschafter des diesjährigen Marathons führte er die 30.000 Läufer in einem ihm gewidmeten Jeep an – vorbei an den jubelnden Zuschauern und entlang der gleichen Streckenpunkte wie in den Jahren zuvor, in denen er laufend unterwegs gewesen war.

Bryan Lyons, Dick und Rick Hoyt mit Uta und Mitgliedern der Hoyt Foundation beim B.A.A. 5-km-Lauf am Samstag vor dem Marathon. © www.PhotoRun.net
Bryan Lyons, Dick und Rick Hoyt mit Uta und Mitgliedern der Hoyt Foundation beim B.A.A. 5-km-Lauf am Samstag vor dem Marathon. © www.PhotoRun.net

Für Bryan bedeutete dieses Rennen mehr als nur ein Lauf von 42,195 Kilometern. Er war es nicht gewohnt, im Rampenlicht zu stehen. Nun befand er sich genau dort – er wurde in den Tagen vor seinem Start gemeinsam mit Rick geehrt und mit offenen Armen empfangen.

„Vor zwei Wochen führte ich noch ein relativ ruhiges, normales Leben, aber am Freitag vor dem Marathon hat sich alles geändert“, sagte Bryan. Er wurde mit Dick und Rick – mit stehenden Ovationen – bei der offiziellen Pressekonferenz der B.A.A. gemeinsam mit den Elite-Athleten vorgestellt.

Dann rief Dick ihn an, um ihm zu sagen, dass er auf Wunsch der Boston Red Sox, der Baseball-Mannschaft der Stadt, die Ehre haben solle, den ersten Pitchwurf im amerikanischen Liga-Spiel zu machen. „Mein erster Gedanke war: ‚Oh nein!‘“ Und Bryan fuhr fort: „Ich erinnerte mich an den Eröffnungstag, an dem Tom Brady, der Quarterback des Super Bowl Champions, der New England Patriots, den ersten Pitch geworfen hatte, der Ball in den Dreck flog und Tom von der Menge ausgebuht wurde. Ich dachte, wenn Tom Brady nach einem lausigen Pitch ausgebuht wird, welche Chance würde ich dann haben?“

Bryan und Rick auf dem Bostoner Marathonkurs. © Tim Kilduff
Bryan und Rick auf dem Bostoner Marathonkurs. © Tim Kilduff

Im Beisein von Dick und Rick landete der Pitch vor ausverkauftem Haus sicher im Handschuh des Fängers.

„Und es war nicht das letzte, was ich über den Wurf gehört habe“, lachte Bryan. „Auf dem Weg von Hopkinton nach Boston riefen die Menschen, „Ein großartiger Pitch im Fenway …besser als Brady!“

Am frühen Morgen nach dem Rennen war Bryan schon wieder bei der Arbeit in seiner Zahnarztpraxis. Und die Erinnerungen verweilten…

Da gab es den Moment, als Meb Keflezighi und die anderen später gestarteten Elite-Läufer bei etwa acht Meilen (knapp 13 Kilometer) Team Hoyt eingeholt hatten. „Ich scherzte mit Rick, dass wir Meb für acht Meilen halten konnten“, lächelte er.

Da war seine Zufriedenheit, mit Rick nur 16 Minuten langsamer gelaufen zu sein, als es seine persönliche Bestzeit im Alleingang war.

Bryan, Rick und Dick beim Interview nach dem Rennen. © Zur Verfügung gestellt von Joe Giza
Bryan, Rick und Dick beim Interview nach dem Rennen. © Zur Verfügung gestellt von Joe Giza

Und er erinnerte sich an den Moment, als die ehemalige Marathon-Olympiasiegerin Joan Benoit Samuelson ihn einholte, „und zu uns hinüber lief, um uns Glück zu wünschen.“

Und Bryans einziges Bedauern? „Weil ich hinter Rick lief, konnte ich die riesige Freude in seinem Gesicht nicht sehen, als wir die Ziellinie überquerten.“

Fußnote 1: Verfolgt Ricks Freude während des Interviews nach dem Zieleinlauf…

Fußnote 2: Die Hoyt Foundation, bekannt als „Kleine Stiftung, die es kann“, wuchs auch in diesem Jahr. Vor zehn Jahren, als sich das erste Team zur Unterstützung für Dick und Rick formierte, kam eine Spende von $ 2.500 zusammen. 2015 gingen 28 Charity-Läufer in Boston an den Start, und sie erbrachten gemeinsam eine Spende von mehr als $ 180.000. Das ergibt eine Summe von über 1 Million Dollar für Hilfszwecke bedürftiger Menschen in den letzten zehn Jahren.

Das Hoyt Foundation-Team 2015. © Robert Frechette
Das Hoyt Foundation-Team 2015. © Robert Frechette