Deena Kastor auf dem Weg zum Chicago-Marathon

Von Duncan Larkin
Momentaufnahme – Deena Kastor mit Lorbeerkranz und Bronzemedaille in Athen. © www.photorun.net
Momentaufnahme – Deena Kastor mit Lorbeerkranz und Bronzemedaille in Athen. © www.photorun.net

Deena Kastor ist die schnellste Marathonläuferin, die die USA je hervorgebracht hat. 2005 gewann sie den Chicago-Marathon. Mit 2:19:36 Stunden verbesserte Deena dann 2006 in London ihren eigenen amerikanischen Rekord. Damit ist sie die fünftschnellste Marathonläuferin aller Zeiten.

Doch Deena gewinnt nicht nur Marathonläufe. Sie ist auch Inhaberin vier weiterer amerikanischer Streckenrekorde: vom Halbmarathon bis zum 5-Kilometer Straßenrennen. Bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen gewann sie die Bronzemedaille in einem Rennen, das für sie auch heute noch zu den ganz besonderen Ereignissen in ihrem Leben zählt. In der Geschichte der Olympischen Spiele war dies erst die zweite Medaille im Marathon, die eine US-amerikanische Athletin gewonnen hatte.

Neben all diesen Erfolgen gab es auch einige Herausforderungen, die die heute 36-Jährige meistern musste. Bei den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr war sie gezwungen, wegen eines Ermüdungsbruches den Marathon nach fünf Kilometern aufzugeben. Seit dieser Zeit hat sie auf ihr Comeback hingearbeitet. Beim Bay to Breakers-Straßenlauf in San Francisco im Mai 2009 erreichte sie Platz drei in der Gesamtwertung, obwohl sie wegen ihrer Fußverletzung nochmals neun Wochen hatte pausieren müssen. Erst kürzlich kündigte sie ihre Teilnahme beim Chicago-Marathon am 11. Oktober an.

Take The Magic Step® sprach mit Deena Kastor am Telefon; sie lebt zusammen mit ihrem Mann Andrew in Mammoth Lakes, Kalifornien (USA).

Wie läuft Ihr Training, jetzt wo Sie sich auf Chicago vorbereiten?

Deena Kastor: Im Juni hatte ich ein wenig Bedenken wegen der Fußverletzung, die mich zuvor zu einer mehrmonatigen Pause gezwungen hatte. Doch während der vergangenen drei Wochen lief mein Training wirklich super. Am vergangenen Wochenende nahm ich am New Yorker Halbmarathon teil, und meine Leistung war nicht optimal. Wäre mein Training schon länger gut gelaufen, hätte ich mich sicher nicht so über das Rennen gefreut. So aber war ich glücklich, den Lauf überstanden zu haben, ohne dass mein Fuß mir irgendwelche Probleme bereitet hatte, auch wenn das Ergebnis nicht besonders gut war. Das Rennen liegt jetzt eine Woche zurück [Anm. d. Red.: Der New Yorker Halbmarathon fand am 16.08. statt.], und dies war meine erste Woche, in der neben dem Lauftraining kein Cross-Training stattgefunden hat, das ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Mir bleibt nicht sehr viel Zeit, mich auf den Chicago-Marathon vorzubereiten, also muss alles perfekt laufen, damit ich in die Form komme, die ich erreichen möchte. Mein Ziel ist es, das Rennen zu gewinnen. Ich bin es gewohnt, mich in möglichst kurzer Zeit in Form zu bringen, und ich habe das Gefühl, dass mein Körper jetzt den Belastungen standhalten kann, die ich ihm zumuten möchte, also genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich denke, mir bleibt genau der Zeitrahmen, den ich zur Vorbereitung brauche – sofern von jetzt an alles nach Plan läuft.

Warum haben Sie sich für Chicago entschieden und nicht für einen der anderen im Herbst stattfindenden großen Marathonläufe?

Deena: Beim Chicago-Marathon 2005 habe ich meinen ersten Sieg in einem bedeutenden Marathon errungen und das war schon eine aufregende Sache für mich. Außerdem war ich erfolgreich beim 8-km-Straßenrennen, das im Frühjahr von der Bank of America veranstaltet wird. Bisher liefen alle meine Rennen in Chicago äußerst erfolgreich für mich. Ich wollte, dass mein erster Marathon nach der Enttäuschung in Peking an einem Ort stattfindet, den ich mit guten Erinnerungen verbinde. Ich bin schon sehr gespannt darauf. Mein erstes Rennen nach der Verletzung lief ich im März beim Shamrock Shuffle, einem 8-km-Straßenlauf, das an jenem Morgen bei Eis und Schnee stattfand. Ich habe dieses Rennen ganz besonders in mein Herz geschlossen, denn es war ein großer Erfolg für mich.

Sie werden von Terrence Mahon trainiert. Neben Ihnen trainiert er auch Ryan Hall und noch andere amerikanische Topläufer. Bedeutet dies, dass er nur wenig Zeit für Sie hat?

Deena: Terrence ist ein sehr engagierter Trainer. Zurzeit ist er bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin [Anm. d. Red.: Das Interview wurde während der WM durchgeführt.], wo einige unserer Athleten an den Start gehen. Er begleitet jeden meiner Schritte, und er versucht, zu jeder Zeit überall zu sein. Wenn Sie einen Blick auf seine Flugdaten werfen, werden Sie feststellen, dass ihm das auch fast gelingt. Obwohl er als Trainer noch so jung und neu in dieser Sportart ist, ist seine Erfahrung wirklich enorm; er weiß einfach alles vom Training bis zur Regeneration. Er weiß genau, wie er uns wieder auf Vordermann bringt, und wir alle profitieren sehr von ihm. Den Beweis für sein Können sieht man an unseren Erfolgen. Für jeden von uns findet er die richtigen Worte. Er leitet uns einfach großartig an und betreut uns sowohl physisch als auch psychisch. Jeder von uns hat zwar seinen individuellen Trainingsplan, doch wir arbeiten zusammen, um unsere Ziele zu erreichen. Er schafft es, uns das Gefühl zu geben, ein tolles Team zu sein.

Deena ist die bisher einzige Amerikanerin, die den Marathon unter 2:20 gelaufen ist – dies gelang ihr vor drei Jahren in London. © www.photorun.net
Deena ist die bisher einzige Amerikanerin, die den Marathon unter 2:20 gelaufen ist – dies gelang ihr vor drei Jahren in London. © www.photorun.net

Sie hatten schon eine Menge ganz besonderer Momente in Ihrer Karriere. Welcher war Ihrer Meinung nach der größte?

Deena: Ich denke, es waren die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 und meine Marathonsiege in Chicago und London. Alle drei waren gleichermaßen etwas ganz Besonderes, denn ich konnte dank der enormen gemeinschaftlichen Anstrengung des gesamten Teams meine Ziele erreichen. Ich glaube, das ist das, was mich am meisten mit Stolz erfüllt: Das Team, das mich umgibt. Ich habe meinen Trainer, den ich für den besten der Welt halte. Ich habe ein Team, das mich bedingungslos unterstützt. Und ich habe eine Familie, die großzügig ist und mich bei allen großen Rennen zum Wettkampf begleitet. In der Unterstützung und Ermutigung, die ich durch diese Menschen erfahre, liegt definitiv meine größte Stärke. Und ich versuche, mich bei diesen Menschen zu bedanken und Ihnen etwas von all dem zurückzugeben, indem ich am Wettkampftag, auf den man viele Monate so hart hingearbeitet hat, einfach alles gebe, um das gesteckte Ziel zu erreichen.

Würden Sie also sagen, dass die landläufige Meinung, Laufen sei ein Einzelsport, auf Sie nicht zutrifft?

Deena: Ich habe mich in dieser Sportart noch nie alleine gefühlt. Im Gegenteil: Als Kind war ich eher eine Einzelgängerin und erst durch den Langstreckenlauf bin ich aus dieser Rolle herausgekommen. Es ist definitiv ein Teamsport, du kannst die Langstrecke nicht alleine laufen. Erfolgreich sind diejenigen Läufer, die ein gutes Team hinter sich haben. So war es auch bei mir in Athen, als ich so viele Monate für eine Medaille trainierte. Oder in Chicago, wo ich meinen ersten großen Marathon gewonnen habe, um dann in London den amerikanischen Rekord zu brechen, der bis dahin von einer Läuferin gehalten wurde, die ich zutiefst bewundere, Joan Benoit Samuelson – alle drei Wettkämpfe waren etwas gleichermaßen Besonderes für mich, denn ich hatte mir ein Ziel gesetzt, und das Team stand hinter mir, damit ich mein Ziel auch erreichen konnte.

Sie sind eine der schnellsten Marathonläuferinnen der Welt und in den Wettkämpfen müssen Sie gegen die Besten antreten… Wie gehen Sie mit Ihren Erwartungsängsten vor dem Start um?

Deena: Ängste treten eigentlich nur dann auf, wenn man unvorbereitet in etwas geht. Ich denke, das ist der Grund, weshalb so viele Menschen Langstrecke laufen, denn hier kann man sein Ziel gewissermaßen jeden Tag erreichen. Das Wichtigste ist, täglich daran zu arbeiten. Wenn du das schaffst, brauchst du keine Angst an der Startlinie zu haben. Ich glaube nicht an die Angst, ich glaube an regelmäßiges intensives Training. Manchmal passieren aber Dinge, die du nicht beeinflussen kannst. Aus solchen Situationen sollte man lernen und daran wachsen. Zweifellos hatte auch ich schon solche Momente in meiner Karriere.

Bei den Cross-Weltmeisterschaften 2000 in Portugal wurden Sie auf den ersten 100 Metern von einer Biene gestochen. Sie sind weiter gelaufen und haben es dennoch als 12. ins Ziel geschafft. Haben Sie aus all den Jahren etwas mitgenommen, das Sie zu einer so toughen Läuferin gemacht hat?

Deena: Damals in Portugal wusste ich, dass wir ein starkes Team hatten. Vor dem Wettkampf sagte ich den Mädels ‚wenn es da draußen richtig hart zugeht und ihr das Gefühl habt, dass nichts mehr läuft, dann denkt an unser Team. Wir sind alle aufeinander angewiesen. Gebt euch nicht auf, denn sonst gebt ihr euer Team auf.’ Als ich dann von dieser Biene gestochen wurde und meine Kehle zuging, gab es nichts was ich lieber getan hätte, als aus dem Wettkampf auszusteigen. Ich bin ein wenig in Panik geraten. Doch dann musste ich daran denken, was ich gerade den Mädels gesagt hatte und mir war klar, dass aufzugeben das Letzte wäre, was ich tun würde. Ich erinnere mich daran, dass ich wohl kurzfristig das Bewusstsein verloren hatte, dann aber schnell wieder auf die Beine kam und dem Führungsfeld folgte. Meine Platzierung war für mich sehr niederschmetternd, denn eigentlich hatte ich mit einem Medaillenplatz gerechnet und dann landete ich auf einem Platz, der mich nicht sehr stolz machte. Doch als ich mit hängendem Kopf so da saß, das medizinische Team um mich herum, kam einer von meinen Betreuern und sagte mir, dass unser Team eine Medaille gewonnen habe. Und das hat mir wieder einmal klar gemacht, wie sehr diese Sportart ein Teamsport ist. Für mich war dieses Erlebnis definitiv eine Lernerfahrung, denn das Rennen wurde in der Tat hart, aber ich habe gemerkt, dass es gut sein kann, seine eigenen Grenzen zu überwinden.

Stimmt es, dass Sie eine sehr gute Köchin sind?

Deena [lacht]: Witzig, dass Sie das sagen! Ich bin nämlich gerade dabei, ein Hauseinweihungsgeschenk für Ryan und Sara Hall vorzubereiten. Sie haben gerade ein neues Haus gekauft und bekommen von mir einen Präsentkorb mit selbst gemachten Crackers und Marshmallows. Es ist übrigens eine ziemlich klebrige Angelegenheit, Marshmallows während eines Interviews zuzubereiten. Die Masse klebt überall am Telefon. Es macht mir großen Spaß, etwas zu verschenken, dass ich selbst zubereitet habe – es steckt so viel Liebe darin, und ich kann es mit anderen teilen.

Viele Leser von Take The Magic Step® trainieren für ihren ersten Marathon oder machen gerade ihre ersten „Schritte” auf den Straßen oder Laufpfaden und entdecken dabei wie erfüllend Laufen sein kann. Welchen Rat können Sie jemandem geben, der gerade mit dem Laufen begonnen hat?

Deena: Immer, wenn ich mit jemandem spreche, der das Laufen neu für sich entdeckt hat, gratuliere ich ihm für seine gute Entscheidung. Nicht nur, weil er sich für den Laufsport entschieden hat, sondern weil er auch für seinen Lebensstil eine gute Wahl getroffen hat. Mit jeder Minute, die du draußen läufst, tust du etwas für deine Gesundheit. Die Laufgemeinschaft ist eine ganz besondere, wo du – an jeder beliebigen Startlinie – neben einem Eliteläufer stehen kannst, der Rekorde brechen will oder neben einem Marathon-Debütanten. Wir alle stehen dort, weil wir so ziemlich das Gleiche wollen. Wir alle machen ähnliche Erfahrungen und versuchen, dabei unsere Schmerzen mental zu überwinden. Wenn du einmal herausgefunden hast, wie das funktioniert, dann kannst du so ziemlich alles schaffen.