Dick und Rick Hoyt bei ihrem letzten gemeinsamen Boston-Marathon – doch Team Hoyt macht weiter

Von David Wright
Team Hoyt am Start ihres 32. Boston-Marathons in Folge. © www.PhotoRun.net
Team Hoyt am Start ihres 32. Boston-Marathons in Folge. © www.PhotoRun.net

Es war nur ein flüchtiger Augenblick, doch irgendwie spiegelte er den inneren Kern von Team Hoyt wider und brachte die einzigartige tiefe Liebe zwischen Dick und Rick Hoyt, dem legendären Vater-Sohn-Gespann, und ihren vielen Fans in Neuengland zum Ausdruck.

Nach 38 Kilometern bei Dick Hoyts letztem Boston-Marathon erregen drei Personen, die unter den jubelnden Zuschauern am Straßenrand stehen, seine Aufmerksamkeit. Der 73-Jährige unterbricht seinen Lauf, schiebt seinen Sohn hinüber zur Streckenabsperrung und sagt einer Polizistin etwas ins Ohr. Erstaunlicherweise öffnet sie daraufhin trotz der noch nie dagewesenen Sicherheitsvorkehrungen eine Barriere und führt einen Mann und eine Frau auf die Strecke. Sie schieben einen Rollstuhl, in dem ein Junge im Teenalter sitzt.

Der mittlerweile 52 Jahre alte Rick kam mit einer Cerebralparese zur Welt und kann weder laufen noch sprechen. Dick war in der jubelnden Menge ein Junge aufgefallen, der ihn so sehr an den jungen Rick erinnerte, erzählte er gegenüber Take The Magic Step. „Es stellte sich heraus, dass auch er eine Cerebralparese hat und Rick sehr ähnlich ist.“ Für kurze Zeit schien er das Rennen zu vergessen, er stellte Rick vor und sprach mit den Eltern, versicherte ihnen, sie würden niemals alleine sein – und hatte so die Nicht-Läufer schnell davon überzeugt, zusammen mit ihm und Rick an einem kürzeren Lauf im Mai teilzunehmen.

Je näher das Ziel rückte, desto lauter wurde der Jubel. So angefeuert, setzten die beiden den Lauf fort – flankiert von mehr als 30 Charity-Läufern aus dem Team und Uta, die die Gruppe gemeinsam mit Varinka Ensminger trainiert hatte – bis zu einem emotionalen und ohrenbetäubenden Finish auf der Boylston Street.

Das Hoyt Foundation-Team 2014. © Liz Cardoso/Global Click Photography
Das Hoyt Foundation-Team 2014. © Liz Cardoso/Global Click Photography

Für die beiden Hoyts war es der 32. gemeinsame und gleichzeitig der letzte Boston-Marathon. Dick musste sich letztlich eingestehen, dass sowohl sein Alter als auch seine Rückenprobleme ihm das Rennen erschweren. Dies war definitiv sein letzter Marathon.

Was sich in 32 Jahren alles verändern kann! Ihre ersten Boston-Marathon-Rennen mussten sie als nicht registrierte „Bandits“ inoffiziell absolvieren, denn damals waren Rollstuhlfahrer kaum bekannt und ihre Teilnahme wurde abgelehnt. Längst ist Team Hoyt so beliebt, dass 2013 eine inspirierende Bronzestatue von den beiden in bekannter Laufpose nahe der Startlinie in Hopkinton enthüllt wurde.

Und was die beiden während dieser Zeit alles erreicht haben: Den Marine Corps-Marathon 1992 liefen sie in erstaunlichen 2:40:47… sie beendeten mehrere IRONMAN-Triathlons mit einer Bestzeit von 13:43:37… sie absolvierten zusammen mehr als 1100 Wettkämpfe… und ebneten den Weg für nicht weniger als zehn Rollstuhl-Teams, die 2014 offiziell am Boston-Marathon teilnehmen konnten. Auf all diesen Wegen eroberten sie die Herzen der Menschen rund um den Globus.

Dick, Rick und Uta am Start zusammen mit Ted Painter und Nick Draper. Ted und Nick liefen den Marathon in erstaunlichen 3:13:15 Stunden. © Jay Foley
Dick, Rick und Uta am Start zusammen mit Ted Painter und Nick Draper. Ted und Nick liefen den Marathon in erstaunlichen 3:13:15 Stunden. © Jay Foley

Eigentlich wollte Dick schon im vergangenen Jahr in den „Ruhestand“ gehen. Doch als er und Rick knapp zwei Kilometer vor dem Ziel wegen des Terroranschlags gestoppt wurden, haben sie sich kurzerhand entschlossen, zu Ehren der Opfer 2014 noch einmal zu starten. Und es schien als hätte die Mehrheit der Million Zuschauer an der Strecke gewusst, dass sie das Vater-Sohn-Gespann zum letzten Mal gemeinsam in diesem Rennen sehen würden. Wo immer die beiden vorbeikamen, wurden die Jubelrufe der begeisterten Fans noch lauter. Es gab Tränen, „High Fives“, Umarmungen und Küsse von den Mädchen des Wellesley College, die den beiden zuriefen: „Bitte, kommt im nächsten Jahr wieder!“

Vor dem Rennen hatten die 53 diesjährigen Läufer der Hoyt Foundation bereits mehr als 210.000 US-Dollar an Spenden für die von der Stiftung unterstützen Charities gesammelt – dann planten sie das große Finale. Bei einem Team-Treffen beschlossen viele der Mitglieder, die aus allen Teilen des Landes kamen, ihre persönlichen Marathonziele zurückzustellen und stattdessen zu versuchen, als Zeichen der Anerkennung gemeinsam mit Rick und Dick ins Ziel zu laufen.

Das Rollstuhl-Duo startete einige Stunden vor den Team-Athleten, doch nach und nach wurden Vater und Sohn von einzelnen Läufern oder kleinen Gruppen eingeholt – und alle liefen dann mit den beiden mit. Doug Smith aus Louisville, Kentucky, erreichte schließlich nach gut 38 Kilometern vier Team-Kollegen. „Ich war kurz davor, schlapp zu machen. Ich hatte Krämpfe, aber die Atmosphäre rund um Dick und Rick war elektrisierend”, erzählte er Take The Magic Step. „Ich hörte mir während des Rennens Musik an, aber der Jubel der Menge um die Hoyts war so laut, dass ich keinen Ton von meiner Musik mehr hören konnte.” Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits über 30 Team-Mitglieder das Duo eingeholt, und die Gruppe jubelte begeistert, als Uta in einem Team-Hoyt-Trikot zu ihnen stieß. „Uta war unglaublich”, sagte Dick. „Gerade als ich dachte, der Geräuschpegel hätte sein Limit erreicht, da haben Utas Enthusiasmus, ihre Umarmungen und High Fives die Menge noch einmal so richtig angespornt.“

Dick und Rick auf ihrem Weg zur Ziellinie zusammen mit Läufern von der Hoyt Foundation. © MarathonFoto
Dick und Rick auf ihrem Weg zur Ziellinie zusammen mit Läufern von der Hoyt Foundation. © MarathonFoto

Das Team – viele hatten Tränen in den Augen – überquerte die Ziellinie in 7:37:33. „Es war eine große Freude, mit allen gemeinsam ins Ziel zu rennen und die Liebe für Dick und Rick in einem so emotionalen Finish zu spüren, wie ich es nie zuvor erlebt habe“, sagte Uta nach dem Rennen.

„Es war einfach großartig, dass das Team zusammen mit uns ins Ziel laufen wollte”, fügte Dick hinzu. „Wir haben so viel Zuneigung von den Zuschauern gespürt. Sie wussten, dass wir uns mit diesem Lauf als Team von ihnen verabschiedet haben.“

Dick Hoyt zusammen mit Bryan Lyons bei der Boston-Marathon Team-Pasta-Party 2014. © Bryan Lyons
Dick Hoyt zusammen mit Bryan Lyons bei der Boston-Marathon Team-Pasta-Party 2014. © Bryan Lyons

Doch auch wenn Dick seinen letzten Boston-Marathon gelaufen ist, Team Hoyt macht auf jeden Fall weiter. Niemand, der Ricks Freude auf den letzten äußerst emotionalen Metern entlang der Boylston Street gesehen hat, wird es überraschen, dass er noch nicht bereit ist, den Rückzug anzutreten. „Er hat gelächelt und beide Arme triumphierend in die Luft gerissen – so etwas hat er schon lange nicht mehr geschafft”, erzählte sein Vater stolz.

Während Dick in Zukunft den Rollstuhl seines Sohnes über kürzere Distanzen bei Rennen in Neuengland schieben wird, wurde das langjährige Team-Mitglied Bryan Lyons – ein 44 Jahre alter Zahnarzt aus Methuen in Massachusetts und Freund von Rick – dazu auserkoren, Dicks Rolle bei der 119. Auflage des Boston-Marathons im nächsten Jahr zu übernehmen.