Boston-Marathon 2012 – Dick und Rick Hoyt begeistern mit Mut, Ausdauer und Entschlossenheit

Von David Wright

Dick und Rick Hoyt mit den Läufern der Hoyt Foundation bei ihrer Pasta Party. © Team Hoyt
Dick und Rick Hoyt mit den Läufern der Hoyt Foundation bei ihrer Pasta Party. © Team Hoyt

Der Boston-Marathon, der in diesem Jahr bei ungewöhnlich hohen Temperaturen stattfand, wird wohl noch lange im Gedächtnis der Läufer der Hoyt Foundation bleiben. Einem Team, das sich der Unterstützung von Dick und Rick Hoyt verschrieben hat – jenem legendären Vater-und-Sohn-, Läufer-und-Rollstuhl-Duo, das durch seinen Mut schon unzählige Menschen in der ganzen Welt inspiriert hat. Einmal mehr zeigten die Hoyts, dass es auch trotz aller Widrigkeiten möglich ist, Hürden zu überwinden und das scheinbar Unmögliche zu schaffen.

Diese 116. Auflage des ältesten, jährlich stattfindenden Marathons war für die Hoyts eine ganz besondere Veranstaltung. Der nunmehr 72-jährige Dick schob seinen Sohn Rick durch den 30. gemeinsamen Boston-Marathon. Rick, der aufgrund einer Zerebralparese seit seiner Geburt gelähmt ist und im Rollstuhl sitzt, hatte im Januar seinen 50. Geburtstag gefeiert.


Jim Boyle, Präsident des Finanzdienstleisters John Hancock, hier zusammen mit Uta, Dick, Bill Rodgers und Rick. © Team Hoyt
Jim Boyle, Präsident des Finanzdienstleisters John Hancock, hier zusammen mit Uta, Dick, Bill Rodgers und Rick. © Team Hoyt

Dabei gab es noch weitere bemerkenswerte Zahlen, die Anlass zum Feiern gaben: Ihr langjähriger Sponsor, der Finanzdienstleister John Hancock, beging sein 150-jähriges Jubiläum. Zudem kam die Rekordzahl von 42 Läufern aus allen Teilen der USA als Team der Hoyt Foundation 2012 zusammen, um nicht nur am Marathon teilzunehmen, sondern auch Spenden für die Wohltätigkeits-Projekte der Hoyt Foundation zu sammeln. Und Uta, die dreimalige Boston-Marathon-Gewinnerin, hatte die dankbare Aufgabe, die Läufer auf dieses wunderbare Ereignis vorzubereiten.

Aufgrund der Wettervorhersage, die für den 16. April Temperaturen bis über 30 Grad Celsius erwarten ließ, trafen die Organisatoren der Veranstaltung, die Boston Athletic Association, eine beispiellose Entscheidung. Am Vorabend des Rennens gaben sie bekannt, dass alle registrierten Läufer, die sich diesen Temperaturen nicht gewachsen fühlten, vom Rennen zurücktreten konnten und eine Startnummer für 2013 erhalten würden. Von diesem Angebot machten mehr als 4.000 Athleten Gebrauch. Doch dank ihres harten Trainings und ihrer Entschlossenheit schafften es 96 Prozent der 22.426 in Hopkinton gestarteten Teilnehmer ins Ziel – darunter alle Läufer der Hoyt Foundation.

Einigen Team-Mitgliedern bescherten die extremen Wetterbedingungen die einzigartige und unvergessliche Gelegenheit, Dick und Rick ein Stück auf dem Weg zum Ziel zu begleiten und dabei aus erster Hand die außergewöhnliche Verbindung zwischen Vater und Sohn mitzuerleben.


Dick und Rick Hoyt mit Uta und dem bemerkenswerten Team der Stiftung beim Boston-Marathon 2012 vor dem Start in Hopkinton. © www.PhotoRun.net
Dick und Rick Hoyt mit Uta und dem bemerkenswerten Team der Stiftung beim Boston-Marathon 2012 vor dem Start in Hopkinton. © www.PhotoRun.net

Im Rahmen dieses Boston-Marathon Charity-Projektes war es den Läufern der Hoyt Foundation gelungen, die Rekordsumme von mehr als 210.000 US-Dollar an Spenden zu sammeln. Das Geld kommt einigen Wohltätigkeitsprojekten wie beispielsweise Easter Seals of Massachusetts, Boston Children’s Hospital sowie Feriencamps und den damit verbundenen Beschäftigungsangeboten für Kinder mit eingeschränkter Mobilität zugute.

Nachdem Dick sich weitgehend von den Verletzungen erholt hatte, die er sich während des vergangenen Jahres zugezogen hatte, konnte er es kaum mehr erwarten, an den Start zu gehen. Er hegte die Hoffnung auf ein Finish von 5:30 Stunden – doch sie erfüllte sich nicht. Bei Kilometer acht plagten ihn bereits schmerzhafte Blasen, die sich zwischen Ferse und Zehen an beiden Füßen gebildet hatten und ihn irgendwann zum Schritttempo zwangen. „Es war kein Vergnügen, vor allem beim Bergabrennen”, gestand er offen gegenüber Take The Magic Step®.


Dick und Rick mit ihrem neuen Rollstuhl. © www.PhotoRun.net
Dick und Rick mit ihrem neuen Rollstuhl. © www.PhotoRun.net

Er musste außerdem darauf achten, dass Rick, der in einem neuen Rollstuhl unterwegs war, gut hydriert blieb. „Wir hielten an jeder Wasserstation an, und ich konnte mit ihm sprechen und sicherstellen, dass er keine Probleme hatte“, erzählte Dick.

Sie liefen bereits in der frühen Phase des Rennens mit Problemen, doch die beiden stellten bald fest, dass sie auf ihrem Weg nicht alleine sein würden. Der 37-jährige Brian Dillon aus Issaqua, Washington, der für die Hoyt Foundation etwa 90 Minuten nach Dick und Rick gestartet war, lief bis dahin ein gutes Rennen. Mit Unterstützung der Zuschauer, die ihm Eis, Wasser und sogar Eis am Stiel anboten, war er zudem auf dem besten Weg zu einer möglichen Zielzeit von 4:30 Stunden. Dann holte er den Rollstuhl von Dick und Rick etwa in Höhe der 30-Kilometer-Marke ein und entdeckte seinen Teamkameraden Bryan Lyons. Der 42-jährige Zahnarzt aus Methuen, Massachusetts, hatte sich gerade den Hoyts angeschlossen, um, wie Brian es formulierte, „mit ihnen zu laufen und dabei ein wenig moralische Unterstützung zu spenden. Ich habe einen Moment lang nachgedacht und Dick dann gefragt, ob es ihm lieber ist, wenn wir weiterrennen oder ob wir ihn und Rick auf dem Weg nach Boston begleiten sollten. Und er antwortete: ‚Ich fände es toll, wenn wir als Team ins Ziel laufen würden.’ In diesem Moment beschloss ich, das Rennen gemeinsam mit ihnen zu laufen.“


© Team Hoyt/Corey Hanrahan
© Team Hoyt/Corey Hanrahan

Auf den letzten Kilometern schlossen sich mehr und mehr Team-Mitglieder der Hoyt Foundation Dick und Rick an, wie beispielsweise Doug Smith, 42, aus Kentucky oder der 42-jährige Randy Rechs aus San Diego, Kalifornien. Sie alle wurden dafür mit etwas belohnt, das nur wenigen vorbehalten war: Sie durften miterleben, wie viel Mut und Kameradschaft dieses wohl berühmteste Lauf-Duo miteinander verbindet. Brian erzählte weiter: „Es war inspirierend für mich, so hautnah mitzuerleben, wie sehr sich Dick unablässig um die Bedürfnisse und das Wohlbefinden seines Sohnes kümmerte – und darüber hinaus sogar seine eigenen Bedürfnisse vergaß. Es war äußerst amüsant, den Geschichten und Späßen zuzuhören, die die beiden so lebendig miteinander teilten, während sie einen Kilometer nach dem anderen bewältigen. Als Dick zum Beispiel sagte: ‚Hey Rick, kannst du dich noch daran erinnern, als ich mich im letzten Jahr gleich nach dem Boston College direkt neben einem Friedhof auf den Boden legen musste, um meinen Rücken auszustrecken?‘ Oder als er ihn scherzhaft an das eine Rennen erinnerte, in dem er vor seinem Sohn ins Ziel kam, weil er kurzerhand rückwärts mit dem Rollstuhl die Ziellinie überquerte und Rick darüber wenig begeistert war. Er hörte den Erzählungen seines Vaters aufmerksam zu und lachte.”

Es gab noch weitere bewegende Momente in Boston. Teddy Bruschi, ein früherer Football-Spieler bei den Boston Patriots, der seine kometenhafte Karriere in der National Football League trotz eines Schlaganfalls weiterführen konnte, unterstützte beim Boston-Marathon ebenfalls Team Hoyt. Als er den Rollstuhl erreichte, beugte er sich zu Rick hinunter und sagte: „Ihr beiden seid meine Helden.“

Mut ist ansteckend! Das bewies der blinde Ex-Soldat, der mit einem Begleitläufer unterwegs war, und sich nahe an Rick heranführen ließ, um ihn an der Schulter zu berühren und ihm zu sagen: „Ich wäre nicht hier draußen, wenn es Euch nicht gäbe!“

Mittlerweile verursachten die Blasen an Dicks Füßen ihm quälende Schmerzen. Seine Hoffnungen auf ein 5:30-Stunden-Finish hatte er längst aufgegeben, aber er traf eine kluge Entscheidung – wie viele andere Teilnehmer auch, entschied er sich, auf der Strecke immer wieder zu gehen. Nach dem Rennen sagte er dankbar: „Es war wirklich toll, dass acht Läufer aus dem Team bei uns blieben und sich nicht um ihre eigenen Zeiten kümmerten. Außerdem waren die Zuschauer einfach phantastisch – ich kann mich nicht erinnern, schon einmal so laut angefeuert worden zu sein.“


Dick, Rick und das Team auf der Zielgeraden in der Boylston Street. © Team Hoyt
Dick, Rick und das Team auf der Zielgeraden in der Boylston Street. © Team Hoyt

Brian Dillon ist sicher, dass er diese großartigen Zuschauer und deren tiefe Verbundenheit zu den Lokalmatadoren Dick und Rick wohl niemals vergessen wird. „Sobald sie die Hoyts kommen sahen, standen sie respektvoll auf und feuerten sie an weiterzumachen“, erinnerte er sich. „Je näher wir der Stadt kamen, umso lauter riefen die Menschen – und als wir auf die Boylston Street einbogen und auf der Zielgeraden liefen, konnte ich miterleben, was Vater und Sohn füreinander, für Boston und für die Welt bedeuteten. Als wir unser Tempo beschleunigten, streckte Rick seine Arme aus, so als würde er fliegen. Und genau das tat er: Es war, als würde die Liebe seines Vaters ihn mühelos und in unglaublicher Geschwindigkeit vorantreiben.“

„Und es war nicht zu übersehen, dass der Jubel derer, die das Glück hatten, Zeugen dieser großen Leistung zu sein und sie gemeinsam zu feiern, für Rick ein sehr erhebender Moment war. Für mich und die anderen Team-Mitglieder war es ein unglaubliches Erlebnis, Seite an Seite mit den Hoyts zu laufen, als sie zum 30. Mal die Ziellinie in Boston überquerten. Es war, als würden die Geschichtsbücher direkt vor meinen Augen geschrieben“, sagte Brian bewegt.

Es waren 7 Stunden und 22 Minuten vergangen, seit Dick und Rick in Hopkinton gestartet waren – und zusammen mit vielen anderen, erwartete Uta die beiden an der Ziellinie, um ihnen zu gratulieren.


Herzlichen Glückwunsch, Rick, zu Deinem 30. Boston-Marathon. © Mariko Takahashi
Herzlichen Glückwunsch, Rick, zu Deinem 30. Boston-Marathon. © Mariko Takahashi

Immer wieder vernahm Uta an diesem Tag von den ins Ziel laufenden Athleten Worte der Dankbarkeit über die großartige Betreuung an den Versorgungsstationen entlang der Strecke – und Lob für die kundigen Zuschauer aus der Gegend. Wenn nötig, scheuten sie sich nicht zu handeln, und sie wussten genau, was zu tun war. So stellten die Zuschauer zum Abkühlen der Läufer in diesem Jahr mehr Wasserschläuche als je zuvor zur Verfügung, und sie sparten nicht mit Jubel und Anfeuerungsrufen.

Nach dem Rennen sagte Uta: „So viele Athleten kamen und erzählten mir ‚Die Unterstützung da draußen auf der Strecke war so unglaublich – ohne diese wundervollen Menschen hätten wir es niemals geschafft.‘“ Und das Beste ist, es gab keine größeren Zwischenfälle, die die Stimmung dieses unvergesslichen Marathons hätten trüben können. Die vielen tausend Teilnehmer waren gut genug vorbereitet, um das Ziel zu erreichen und den Wetterbedingungen an einem Tag zu trotzen, an dem allein schon das Durchhalten eine großartige Leistung war.


Dick und Rick überqueren zum 30. Mal die Ziellinie beim Boston-Marathon. © Mariko Takahashi
Dick und Rick überqueren zum 30. Mal die Ziellinie beim Boston-Marathon. © Mariko Takahashi

Als Take The Magic Step ein paar Tage später mit Dick Hoyt sprach, mähte er gerade den Rasen vor seinem Haus in der Nähe von Boston und bereitete sich auf eine Karpaltunnel-Operation an seiner Hand vor. Er war sehr darum bemüht uns zu versichern, dass er keine Schmerzen hatte, während er Rick durch das Rennen schob. Der Marathon? „Der war ganz schön hart“, räumte er schließlich ein, „aber die Menschen waren einfach unglaublich – meine Ohren werden bestimmt noch eine ganz Weile klingen.“

Was ihn besonders freute, war, dass es mit Ricks neuem Rollstuhl so gut geklappt hat, wie er es sich erhofft hatte. „Im letzten Jahr hatte er wegen des Stuhls so starke Rückenprobleme, dass er an der Ziellinie fast in Tränen ausgebrochen wäre“, erzählte Dick. „Dieser neue Stuhl ist so bequem, dass Rick am Schluss gar nicht raus wollte. Er war so glücklich als wir ins Ziel kamen und hatte so ein breites Grinsen auf seinem Gesicht.“

„Ich war schon ein bisschen enttäuscht über unsere Zeit, doch ich denke, wir haben eine gute Entscheidung getroffen, indem wir nicht versuchten, einen Rekord zu brechen.“

„Jetzt können wir mit dem Training fürs nächste Jahr beginnen.”