Ein magisches Marathon-Wochenende
Können Sie sich noch erinnern, wie glücklich Sie sich im Ziel des Boston-Marathons in der vergangenen Woche fühlten? All die traumhaften Marathon-Erlebnisse! So viele Gesichter, die wie Ihres vor Aufregung glühten – nicht nur, weil Sie sich über Ihr eigenes Marathonergebnis freuten, sondern auch wegen der beachtlichen Leistungen der anderen Läufer! Ihre Freude war sogar eine große Unterstützung für diejenigen, die auf der Strecke tapfer kämpften und Aufmunterung brauchten, um ihr gewünschtes Resultat auch tatsächlich zu erreichen.
Vielleicht lässt der Klang Ihrer Schritte während Ihrer Vorbereitung auf ein anderes Laufereignis oder eine andere Sportveranstaltung die Erinnerungen an dieses intensive Erlebnis lebendig werden. Möglicherweise helfen sie Ihnen sogar, das nächste Mal noch weiter zu laufen und jedem einzelnen Ihrer Schritte mehr Bedeutung beizumessen – ist es nicht auch das, was die wahre Magie des Marathons ausmacht? Diese schwierigen 42,195 km sind eine unermessliche Herausforderung für einige, ein Wettkampf um eine bestimmte Zeit für andere, und für viele eine Möglichkeit sich selbst zu beweisen, dass sie die Kraft und Willensstärke haben, niemals aufzugeben.
Nicht nur die sachkundigen Sportfans von Neuengland, sondern auch die vielen tausend Zuschauer am Rande des Zieleinlaufes werden sich an das glückliche Gesicht des jungen Robert K. Cheruiyot beim Überqueren der Ziellinie erinnern. Für die Marathonexperten unter Ihnen: Er absolvierte die Strecke mit einem ‚negativen Split’, d.h. er lief die zweite Hälfte der Marathonstrecke schneller als die erste. Diese großartige Leistung ermöglichte ihm, den Streckenrekord um mehr als eine Minute zu unterbieten, als er in phantastischen 2:05:52 das Zielband durchbrach. Der 21-Jährige bewältigte die schwierige Strecke in Boston mit Bravour, Entschlossenheit und Respekt – und wir fragen uns nun: Wie schnell wird er wohl das nächste Rennen bestreiten?
Auch die erneut knappe Entscheidung im Frauenwettbewerb wird uns in Erinnerung bleiben: Tatyana Pushkareva gab ihren Versuch nicht auf, zu Teyba Erkesso aufzuschließen. Diese wiederum beeindruckte uns mit einer mutigen Leistung, als sie tapfer ihre Führung über die letzten gut 11 km des Rennens verteidigte. Teyba hielt die unermüdlich kämpfende Tatyana von sich fern. Sichtbar erschöpft kam sie allerdings auf den letzten Metern von der Strecke ab und wäre fast in die Zuschauer hinein gelaufen, bevor sie schnell wieder auf die Zielgerade zurückfand und siegreich ins Ziel lief. Es war eine atemberaubende Leistung der beiden Frauen, die 9.772 Läuferinnen von Hopkinton in die Innenstadt von Boston anführten – noch nie zuvor schafften es so viele weibliche Teilnehmerinnen bis ins Ziel dieses historischen Laufes.
Die internationale Präsenz war in diesem Jahr riesig – Läufer aus 78 verschiedenen Ländern erreichten das Ziel bei der 114. Auflage des Boston-Marathons. Unsere Gedanken sind bei den 300 bis 500 Läufern, deren Träume vom Marathon in Boston durch den Vulkanausbruch auf Island und das daraus resultierende Flugverbot zerplatzt sind. Und es gibt noch eine weitere Gruppe von Marathonläufern, die ich gern erwähnen möchte: die 1.350 Läufer, die für 24 Wohltätigkeitsorganisationen starteten. Sie liefen mit soviel Entschlossenheit und Mut, nachdem sie nicht nur das umfangreiche Training absolviert, sondern zugleich auch Spenden gesammelt hatten. Jeder Läufer hatte die Auflage, mehr als 3.000 US-Dollar an Spenden aufzubringen. Für viele war es der erste Marathon, andere waren noch nie auf einer solch hügeligen Strecke wie der in Boston gelaufen. Ihnen allen gratuliere ich von ganzem Herzen!
Das Eliterennen und der Volkslauf fanden dank des unermüdlichen Einsatzes der Boston Athletic Association („B.A.A.”) und John Hancock wieder Seite an Seite statt. Mit John Hancock, einem Finanzdienstleister, feierte diese einzigartige Kooperation zwischen Veranstalter und Hauptsponsor in diesem Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum. Ich erinnere mich noch, wie ich vor 20 Jahren nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 zum Boston-Marathon kam – es war mein erster USA-Besuch und mein erster Marathonlauf in Freiheit: Auch ich profitierte von ihrem Engagement als Gastgeber für tausende Läufer, die jedes Jahr am Patriots’ Day nach Boston kommen. Wir sind voller Dankbarkeit und sagen „Hut ab” vor den Visionären: Präsident Jim Boyle von John Hancock, Guy Morse, dem geschäftsführenden Direktor des Marathons, und Race-Direktor Dave McGillivray sowie all ihren Teams und Freiwilligen, die unermüdlich im Einsatz waren. Gemeinsam haben sie den Boston-Marathon zu einer der führenden Sportveranstaltungen der Welt gemacht. (Ja, wir wissen, Ihr hattet die Arbeit: wir Zuschauer und Läufer das Vergnügen!)
Vielleicht hatten Sie die Gelegenheit, Dick und Rick Hoyt an der Strecke zuzujubeln und zu sehen, wie sie überglücklich die Ziellinie ihrer 1025. Sportveranstaltung überquerten! Das dritte Jahr in Folge stellten die beiden ein Team aus tatkräftigen Läufern und Spendensammlern für die Hoyt Foundation zusammen. Ich fühlte mich geehrt, wieder mit von der Partie zu sein und sie auf ihrer Reise zum Marathon begleiten zu dürfen. Dieses wundervolle Team zu trainieren, hat mir riesigen Spaß gemacht. Dabei war das Training fast zweitrangig; sehr beeindruckend war die gegenseitige Unterstützung auf ihrem gemeinsamen Weg zu einem erfolgreichen Lauf am Marathonmontag. Nachdem das außergewöhnliche Vater-Sohn-Gespann die Ziellinie überquert hatte, war es sehr bewegend zu sehen, wie die anderen Läufer Dick im Ziel liebevoll und tief berührt auf die Schulter klopften und sich dafür bedankten, dass er und Rick ihnen soviel Hoffnung und Inspiration nicht nur für den Marathon, sondern auch für ihr Leben geben.
Wenn ich auf dieses magische Marathon-Wochenende in Boston zurückblicke, denke ich auch an die Kinder, die tapfer gegen den Krebs ankämpfen, und ihre Laufpaten der Dana-Farber Marathon Challenge (“DFMC”). Ich traf das Team bei der Pasta-Party am Vorabend des Marathons, wo sich alle mit „High fives” gegenseitig Mut machten und noch einige Last-Minute-Marathon-Tipps von Cheftrainer Jack Fultz, dem Gewinner des Boston Marathons 1976, bekamen – damit waren die Weichen für ein tolles Rennen am darauf folgenden Tag gestellt. Laut Jan Ross, der Chef-Organisatorin der DFMC, hatten sich 559 Läufer für die Dana-Farber Marathon Challenge angemeldet, somit ist das Team auf gutem Wege, sein Ziel zu erreichen: 4,4 Millionen US-Dollar an Spenden für das Dana-Farber-Krebsinstitut einzunehmen.
Diese Reise nach Boston wird mir noch lange in Erinnerung bleiben, weil es das erste Mal seit 2001 war, dass ich die Gelegenheit hatte, wieder einmal selbst auf den „historischen Straßen der Stadt” zu laufen. Während ich die Läufer des Team Hoyt in den vergangenen Monaten trainierte, war ich so inspiriert von ihrer Willensstärke und Trainingseinstellung, dass ich meine Laufschuhe für einige lockere Runden wieder anzog und so die Schritte des Teams nachfühlen konnte. Und so bereitete ich mich auf den B.A.A.-5-km-Lauf vor, der am Sonntagmorgen stattfand. Die meisten meiner Boston-Rennen waren Marathonläufe, und es ist zum Schmunzeln, sich daran zurück zu erinnern, wie steil sich der Hügel auf der Hereford Street nach fast 41 km anfühlte – und wie flach er mir am Sonntag beim 5-km-Lauf nach nur 4 km erschien! An der Ecke von Hereford und Boylston Street habe ich mir damals immer gesagt: „Noch zwei Minuten bis zum Ziel!” Dieses Jahr gab ich mir für diese Strecke eine weitere bescheidene halbe Minute 🙂 – und damit lag ich so ziemlich richtig!
Es war einfach nur herrlich, da draußen auf diesem schönen 5-km-Kurs zu sein und durch Bostons Geschichte zu laufen, den Blick auf die Old South Church zu genießen und die Magnolien blühen zu sehen. Was für eine zauberhafte Art, den Sonntagmorgen mit meinen Freunden und den anderen Läufern in einer solch ergreifenden Atmosphäre zu verbringen.
Herzliche Glückwünsche an alle, die in Boston oder an einer der vielen anderen spannenden Laufveranstaltungen dieses Frühjahrs teilgenommen haben! Wir alle hier bei Take The Magic Step® wünschen Ihnen eine wohlverdiente Pause und gute Erholung! Wie ich gehört habe, bereiten sich viele von Ihnen bereits auf weitere Läufe vor; andere aber machen vielleicht noch Erfahrungen mit dem Post-Marathon-Blues. In unserem Artikel „Nach dem Marathon: So kommen Sie schnell wieder auf die Beine” bekommen Sie Anregungen, wie Sie sich so schnell wie möglich erholen können.
Dieser Marathon in Boston ließ unsere Füße über den Asphalt schweben … und einige Läufer zählen bereits die Tage, bis sie 2011 endlich an der 115. Auflage des Boston-Marathons teilnehmen können!
Ich wünsche Ihnen viele schöne Laufstrecken, ein gutes Training und viel Glück für Ihre zukünftigen Lauf- oder Fitnessabenteuer!
Keep Running!
- Erschienen am 4. May 2010
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