Behaltet einen „Coolen Fokus“ in den Tagen vor Eurem Marathon

12. April 2015 Von Uta Pippig
© www.PhotoRun.net

„Ist es jetzt soweit?” …„Findet nach dieser langen Vorbereitungszeit endlich Dein Marathon statt?“ …„Willst Du wirklich so einen langen Kanten laufen?” …„Du bist doch bestimmt aufgeregt und hast so’n Kribbeln im Bauch – das hast Du doch, oder?…”

Niemand kann es Euch verübeln, wenn Ihr durch diese Fragen Eurer interessierten Freunde in den Tagen vor dem Marathon nun erst recht nervös werdet und dem Rennen entgegenfiebert.

Dann kann es eine gute Strategie sein, einfach ruhig zu bleiben, die Nerven zu behalten und das Gespräch schleunigst auf ein anderes Thema zu lenken. Jawohl, ganz unverzüglich und mit Humor!

Vielleicht könnt Ihr stattdessen in einem geschickten Ablenkungsmanöver ganz gelassen, mit ruhiger Stimme antworten und relaxed darauf hinweisen, warum Ihr Eure Startnummer so treffend findet, für welche geniale Laufkleidung Ihr Euch entschieden habt und wie klasse Eure schnellen Marathonschuhe sind. Lasst Euch die Aufregung nicht anmerken und behaltet einen – wie ich es gerne nenne – „Coolen Fokus“.

Bleibt locker und entspannt

Ihr könnt natürlich auch einfach loslachen und Eure Freunde fragen, ob sie Euch beim „Carboloading“ unter die Arme greifen und zum Spaghetti-Dinner zwei Tage vorm Marathon begleiten könnten, denn Ihr wollt mit Kohlenhydraten Eure Glykogenspeicher richtig auffüllen. Oder Ihr schmunzelt und bittet Eure Freunde, Euch dabei behilflich zu sein, die Wetterlage für den Tag des Rennens zu checken, obwohl Ihr eigentlich wisst, dass sich Windrichtung oder Temperaturen bis zur letzten Minute vor dem Start noch ändern können.

Der Berlin-Marathon. © www.PhotoRun.net
Der Berlin-Marathon. © www.PhotoRun.net

Aber was auch immer Ihr tut, versucht ruhig zu bleiben, und behaltet diesen „Coolen Fokus“. Das bedeutet auch, Energie zu sparen, konzentriert zu bleiben und die letzten lockeren Trainingstage sowie die wohlverdiente Erholung zu genießen und somit auch entspannter die letzten Vorbereitungen abzuschließen. Auf diese Weise werdet Ihr weniger aufgeregt sein und habt eine größere Chance, Euer volles Potenzial während der mit Spannung erwarteten 42,195 Kilometer auszuschöpfen.

Es gibt viele Möglichkeiten, ruhig zu bleiben und Energie zu sparen. Indem man beispielsweise die Details der letzten Vorbereitungstage gelassen angeht und den Trubel, so wie er ist, einfach an sich vorbeiziehen lässt oder ihn vielleicht sogar genießt. Natürlich hängt Eure mentale Vorbereitung sehr davon ab, wie Ihr mit der Aufregung und dem Druck, der von solchen Veranstaltungen ausgeht, umgehen könnt.

Daumen hoch! Uta zusammen mit Frido, den Kindern und den Marathon-Weltrekordhaltern bei einer Kids-Veranstaltung im Rahmen des Berlin-Marathon 2013. © Take The Magic Step
Daumen hoch! Uta zusammen mit Frido, den Kindern und den Marathon-Weltrekordhaltern bei einer Kids-Veranstaltung im Rahmen des Berlin-Marathon 2013. © Take The Magic Step

Viele von uns genießen die ausgelassene Atmosphäre der verschiedenen Rahmenveranstaltungen in den Tagen vorm Rennen, wie beispielsweise der Marathon-Messe und der Kinderevents, oder wir haben Freude an interessanten und unterhaltsamen Gesprächen, die uns kurz vor unserem großen Tag noch einmal so richtig motivieren können. Andere verbringen gerne Zeit mit Freunden – sorgfältig ausgewählte Freunde natürlich, die netterweise keine nervigen Fragen stellen – und können dabei die Länge des Marathons für eine Weile vergessen. Sie erfreuen sich vielleicht an einem schönen Film, gehen gemeinsam zu einem Fußballspiel oder verbringen mit ihrer Familie einen vergnüglichen und entspannten Grillabend.

Wählt Eure Rennstrategie

Einige von uns nutzen die Zeit so kurz vor dem Marathon dazu – und für mich galt das bestimmt auch –, nochmal einmal gründlich über die geplante Rennstrategie nachzudenken, um sie gegebenenfalls zu verfeinern, entscheidende Punkte von eventuellen strategischen Varianten des Renntages zu diskutieren oder mit Freunden auszumachen, an welchem Punkt der Strecke sie den Lauf am besten verfolgen können, um uns anzufeuern. Je mehr ich mich mit meiner Strategie vertraut machen konnte – unter anderem auch mit den Bedingungen, die mich am Start und dann später gleich nach dem Ziel erwarten sollten – , umso ruhiger und gelassener wurde ich. Es half mir auch in diesem Zusammenhang, das Rennen gedanklich in zwei Phasen aufzuteilen. Zum einen wusste ich, dass ich ohne Probleme bis Kilometer 30 kommen würde. Zum anderen fühlte ich mich immer sicherer und mutiger, wenn ich mir bewusst machte, dass ich gut vorbereitet die angestrebte Durchschnittsgeschwindigkeit des Rennens in den ersten zwei Dritteln laufen könnte – und auch noch ausreichend Kraft und Reserven für den letzten und herausfordernden Teil der 42,195 Kilometer besitzen würde.

Der Chicago-Marathon. © www.PhotoRun.net
Der Chicago-Marathon. © www.PhotoRun.net

Es ist doch verständlich, wenn Ihr etwas aufgeregt seid, vor allem, wenn einige von Euch den Marathon zum ersten Mal in Angriff nehmen wollen. Doch bitte, widersteht dabei dem Drang, an Euch selbst zu zweifeln. Versucht ganz bewusst, einen „Coolen Fokus“ zu behalten.

Genießt Euer Tapering und freut Euch darüber, dass diese letzten lockeren Läufe, mit denen Ihr Eurer Form den letzten Schliff gebt, Euch helfen und auch noch unmittelbar vor dem Marathon viel Spaß machen können. Und auch wenn kleinere gesundheitliche oder trainingsbezogene Probleme auftreten sollten, bitte bleibt trotzdem ruhig und berücksichtigt diese bei Eurer endgültigen Rennstrategie.

Kürzlich habe ich den Artikel „Die letzten zwei Tage vor dem Marathon” aktualisiert und durch einige Tipps ergänzt, die Euch bei Euren letzten Entscheidungen in puncto Ernährung, Ausrüstung und Training helfen könnten. Vielleicht findet Ihr darin auch einige allgemeine Ratschläge, die mir geholfen haben, für die letzten Tage vor Eurem Event.

In meinem Artikel „Seid Ihr bereit und gut vorbereitet für Euer Rennen?“ findet Ihr zusätzliche Gedanken, die vor Eurem Rennen hilfreich sein könnten. Dazu zählen Tipps, wie Ihr Euer Rennen so planen könnt, dass Körper und Geist am Marathon-Tag die bestmögliche Leistung bringen.

Der Boston-Marathon © www.PhotoRun.net
Der Boston-Marathon. © www.PhotoRun.net

Ihr habt sehr umfangreich trainiert und Euch so toll auf den Marathon vorbereitet. Jetzt könnt Ihr Euch darauf freuen, Euch bald selbst mit einem unvergesslichen Marathon-Erlebnis zu belohnen. Genießt die Vorstellung, wie Ihr ganz selbstbewusst zusammen mit Tausenden begeisterter Läufer, die über all die Monate genauso hart trainiert haben wie Ihr, ein großartiges Rennen lauft. Und stellt Euch außerdem vor, wie zahllose Menschen die Straßen säumen und Euch zujubeln.

In meiner aktiven Zeit habe ich mir vor Wettkämpfen gesagt: „Nichts kann mich jetzt beunruhigen, nichts bringt mich aus der Fassung.“ In den Nächten vor einem Rennen habe ich immer gut geschlafen (naja, fast immer ;-)), denn mein Geist war voller positiver Gedanken. Ich fühlte mich entspannt, weil ich wusste, ich würde einen guten Wettkampf absolvieren. Diese Erfahrung wünsche ich Euch auch. Und ein bisschen Nervosität gehört doch dazu, oder? Seht es einfach als positives Zeichen. Euer Geist stellt sich darauf ein, topfit für Euren Lauf zu sein!

Ich hoffe, Ihr werdet nicht nur ein tolles Rennen, sondern auch eine der schönsten Erfahrungen Eures Lebens machen.

Ich denke an Euch und wünsche Euch einen wunderbaren und unvergesslichen Marathon-Tag.

Keep running!

Nachtrag: „Cool Focus” erinnert mich an eine Geschichte, bei der ich fast den Start eines sehr wichtigen Rennens verpasst hätte. Später mehr dazu… 😉

Die Autorin gewann den Boston-Marathon in den Jahren 1994, ’95 und ’96, den Berlin-Marathon 1990, ’92 und ’95 sowie den New York City Marathon 1993.

Lesetipps:

  1. Tapering: Optimiert Euer Training in den verbleibenden Wochen vor Eurem Marathon
  2. Nach dem Marathon: So kommen Sie schnell wieder auf die Beine

Aktualisiert am 8. April 2024
Aktualisiert am 11. April 2016
Aktualisiert am 12. April 2015
Erschienen im September 2013

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