Ernährung: Freie Radikale

Von Dieter Hogen und Janett Walter, mit Unterstützung des Take The Magic Step™-Ernährungsteams.

Was sind freie Radikale?
Sport und freie Radikale
Antioxidantien und freie Radikale

© Betty Shepherd
© Betty Shepherd

Auf Werbe-Anzeigen oder Beschrei- bungen von Produkten, die gut für die Gesundheit sein sollen – wie beispielsweise grüner Tee, Obst und Gemüse, Nahrungs-Ergänzungsmittel und Anti-Aging Cremes -, findet man häufig einen dieser Hinweise: „neutralisiert freie Radikale“; „schützt den Körper vor oxidativem Stress“; „Antioxidantien bieten besonders wirksamen Schutz“ oder „zögert den Alterungsprozess hinaus“. Alle haben eines gemein: Sie versprechen, freie Radikale abzuwehren und auf diese Weise unsere Jugend und Gesundheit zu erhalten.

Wenn wir mehr über die Wirkungsweise von freien Radikalen wissen, so kann das hilfreich für gesundheitsbewusste Entscheidungen sein. Schauen wir uns zunächst einmal die chemischen Aspekte von freien Radikalen an. Mit Hilfe dieses Wissens können wir anschließend bestimmen, welchen Einfluss sie auf unsere Ernährungsgewohnheiten und unsere körperliche Betätigung haben sollten.

Was sind freie Radikale?

Freie Radikale sind Atome oder Moleküle mit einem ungepaarten Elektron.

Atome haben einen Kern mit einer bestimmten Anzahl von Protonen. Zur Erhaltung der Stabilität des Atoms muss eine entsprechende Anzahl gepaarter Elektronen diesen Kern umkreisen. Bei Verlust eines Elektrons, entsteht ein sehr reaktionsfreudiges Atom mit einem ungepaarten Elektron und das wird im wahrsten Sinne des Wortes zu einem „freien Radikalen“: Dieses greift dann ein anderes, meist benachbartes Atom oder Molekül (Verbindungen, die aus einem oder mehreren Atomen bestehen) an, um ein Elektron zurück zu gewinnen. Durch diesen „Angriff“ wird wiederum das andere Atom oder Molekül reaktiv und eine Kettenreaktion wird ausgelöst. Dieser Prozess des „Entreißens” oder „Abgebens“ von Elektronen wird auch „Oxidation” genannt.

Freie Radikale sind lebenswichtig und werden ständig in unserem Körper gebildet. Die Erzeugung von körpereigener Energie wie auch das optimale Funktionieren unseres Immunsystems beinhaltet die Produktion von freien Radikalen.

Nach dem Einatmen wird Sauerstoff zu jeder Körperzelle transportiert. Dort wird die verdaute Nahrung von den „Kraftwerken“ der Zelle – den so genannten Mitochondrien – mithilfe von Sauerstoff in Energie umgewandelt. Während des gesamten Umwandlungsprozesses werden Sauerstoff-Radikale gebildet.

Die weißen Blutkörperchen (Leukozyten, die den Immunprozess unterstützen) produzieren freie Radikale(1), um Pathogene wie Bakterien oder Viren abzutöten.

Normalerweise stellt die Bildung freier Radikale für den Organismus kein Problem dar und zwar aus zwei Gründen: Erstens, infolge der Evolution und seiner Abhängigkeit von Sauerstoff hat der Körper komplexe Schutzmechanismen entwickelt und adaptiert, um mit freien Radikale fertig zu werden und sich vor oxidativen Schäden zu schützen. Dazu produziert der Körper kraftvolle antioxidative Enzyme wie Superoxid-Dismutase, Katalase und Glutathion-Peroxidase. Mithilfe dieser Enzyme werden freie Radikale in weniger reaktive Spezies umgewandelt.

Dennoch lässt sich ein gewisser oxidativer Schaden als Folge „entflohener” freier Radikale nicht verhindern. Deshalb – und das ist der zweite Grund – hat der Körper auch Mechanismen zur Schadensbehebung entwickelt.

Die Bildung freier Radikale ist jedoch nicht nur auf normale metabolische Prozesse (Stoffwechselprozesse) begrenzt. Der Lebensstil jedes Einzelnen sowie Umweltfaktoren, können diese körpereigenen Abwehrmechanismen leicht überfordern, dazu zählen:

  • schlechte Ess- und Trinkgewohnheiten
  • Luftverschmutzung
  • ultraviolettes Licht
  • Gebrauch gesundheitsschädlicher Reinigungsmittel, Farben und Kosmetikartikel
  • Pestizide
  • Schwermetalle
  • Stress
  • Strahlung
  • Drogen
  • Tabak
  • Alkohol
  • Medikamente

Je seltener wir unseren Körper diesen Substanzen aussetzen, desto weniger hat er mit der Produktion freier Radikale zu kämpfen.

Eine übermäßige Bildung freier Radikale und der damit verbundene oxidative Stress, können Zellbestandteile wie beispielsweise Proteine, Lipide sowie DNA schädigen und sogar zum vorzeitigen Zelltod führen. Unter diesen Bedingungen wird nicht nur der Alterungsprozess beschleunigt, sie begünstigen auch die Entstehung degenerativer Krankheiten wie Krebs, Atherosklerose, Alzheimer oder Arthritis. Die Theorie, dass freie Radikale zur Alterung beitragen, ist auch bekannt als so genannte „Freie-Radikale-Theorie des Alterungsprozesses” von Denham Harman aus dem Jahr 1956.

Sport und freie Radikale

Was den Sport angeht, so gibt es gelegentlich Missverständnisse bezüglich der Frage, wie der Körper mit dem erhöhten Stress umgeht.

Athleten, insbesondere Ausdauersportler wie beispielsweise Läufer, Radfahrer, Triathleten und Ski-Langläufer sind während des Trainings einem erhöhten oxidativen Stress ausgesetzt. Während der körperlichen Anstrengung verbraucht der Organismus mehr Sauerstoff, in der Folge werden mehr freie Radikale produziert. Dies könnte zu der Annahme führen, dass Menschen, die regelmäßig Sport treiben, in verstärktem Maße den schädlichen Folgen freier Radikale ausgesetzt sind.

Doch durch regelmäßige sportliche Betätigung findet ein Anpassungsprozess statt, der eine erhöhte antioxidative Abwehr des Körpers bewirkt. Genau genommen, kann dies sogar zusätzlichen Schutz bedeuten, wenn der Körper sich im Ruhezustand(2) befindet. Untermauert werden diese Annahmen durch die Tatsache, dass eine regelmäßige sportliche Betätigung mit vielen gesundheitlichen Vorzügen in Verbindung gebracht wird wie beispielsweise einem verminderten Risiko für Krebs und kardiovaskuläre Krankheiten. Der Anpassungsprozess erfordert allerdings Zeit und er stellt sich auch nur bei denjenigen ein, die regelmäßig Sport treiben. Deshalb ist für reine Wochenendsportler Vorsicht geboten – diese können sich oft mehr schaden als nutzen. Aufgrund mangelnden Trainings, kann der Körper sich nicht vollständig auf den Stress einstellen. Die meisten gesundheitlichen Vorzüge bieten Sie Ihrem Körper mit täglicher Bewegung, bestehend aus Ausdauer- und Krafttraining.

Doch auch unter optimalen Bedingungen finden mit zunehmendem Alter Veränderungen in unserem Körper statt: Wichtige endogene Schutz- und Reparatur-Mechanismen werden schwächer und der durch freie Radikale verursachte Schaden wächst(3).

Antioxidantien und freie Radikale

Antioxidantien schützen den Organismus vor freien Radikalen und oxidativem Stress. Sie sind in der Lage, sowohl die Entstehung freier Radikale zu verhindern als auch bereits vorhandene zu beseitigen bzw. zu neutralisieren. Deshalb scheinen Antioxidantien eine Möglichkeit zu sein, den Alterungsprozess und die Entwicklung degenerativer Krankheiten hinaus zu zögern.

Antioxidative Eigenschaften kommen in einer Reihe von Vitaminen und Phytochemikalien vor wie beispielsweise:

  1. Antioxidative Vitamine und Co-Faktoren: A, C, E, Co-Enzym Q10.
  2. Antioxidative Phytochemikalien:
    • Karotinoide: Karotten, Tomaten, Kohlblättern, Mangos, Paprika und Spinat
    • Polyphenolische Flavonoide: Beeren, grüner Tee, Äpfel, Schokolade und rote Trauben
  3. Andere antioxidative Moleküle: Bilirubin, Harnsäure

Es ist allgemein bekannt, dass die in Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen, Samen und grünem Tee enthaltenen Vitamine, Mineralien und Phytochemikalien einen wirksamen Schutz vor freien Radikalen bieten.

Die körpereigenen antioxidativen Enzyme sind von Mineralien wie Selen, Mangan, Zink und Kupfer abhängig, um ihre Wirkung optimal zu entfalten. Insbesondere Selen scheint dabei eine besonders wichtige Rolle zu spielen. Es wurde festgestellt, dass Menschen, die in Gegenden mit einer sehr niedrigen Selensättigung des Bodens leben und dieses Mineral nicht ergänzen, deutlich häufiger an Nieren-, Blasen- oder Prostatakrebs erkranken. Deshalb sollten Sie bei Ihrer Ernährung auf eine ausreichende Zufuhr dieses wirksamen Minerals achten. Folgende Nahrungsmittel sind hervorragende Selenlieferanten: Fisch, Vollkornprodukte, Paranüsse, Hühnerfleisch und Knoblauch.

Im November 2007 hat das amerikanische Landwirtschaftsministerium eine neue Datenbank veröffentlicht, die Informationen über die Antioxidantien-Werte von 275 Nahrungsmitteln(4) liefert. Zur Bewertung wurden von jedem einzelnen Nahrungsmittel die in einer üblichen Portionsmenge enthaltenen Antioxidantien-Konzentrationen miteinander verglichen. Zu den Lebensmitteln mit den höchsten Werten zählten  dunkle Schokolade Beeren, Äpfel, Granatäpfel, Pflaumen, Rotwein, Artischocken, Birnen und Nüsse. Gewürze und Kräuter wurden ebenfalls als großartige Lieferanten von Antioxidantien genannt.

Das Thema freie Radikale und deren Einfluss auf den Alterungsprozess und die Gesundheit ist sehr komplex und vielschichtig. Wissenschaftlern steht noch viel Forschungsarbeit bevor, um alle Mechanismen hinter diesen Vorgängen und weitere Funktionen freier Radikale zu erklären. Wenn auch noch viele Fragen offen bleiben, so lässt sich doch mit Sicherheit sagen, dass regelmäßige sportliche Betätigung, gute Stressbewältigung und eine gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse, das reich an Antioxidantien ist, wichtige Grundlagen für ein langes und gesundes Leben sind.

Quellenangabe:

(1) Bowen R, Colorado State University: Free Radicals and Reactive Oxygen. www.vivo.colostate.edu/hbooks/pathphys/misc_topics/radicals.html, Januar 2008.

(2) Leeuwenburgh C and Heinecke JW: Oxidative Stress and Antioxidants in Exercise. Current Medicinal Chemistry 2001; 8:829-838.

(3) Gilca M, Stoian I, Atanasiu V, Virgolici B: Theoxidative hypothesis of senescence. Journal of Postgraduate Medicine 2007; 53(3)207-213.

(4) USDA, Agricultural Research Service: Data on Food Antioxidants Aid Research. www.ars.usda.gov/is/pr/2007/071106.htm, Januar 2008.

Aktualisiert am 15. Februar 2018
Aktualisiert am 22. Mai 2015