,Chinese Takeaway’ in London

Von Jörg Wenig
Chunxiu Zhou gewinnt den London-Marathon in Jahresweltbestzeit. © www.photorun.net
Chunxiu Zhou gewinnt den London-Marathon in Jahresweltbestzeit. © www.photorun.net

Knapp eineinhalb Jahre vor Beginn der Olympischen Spiele in Peking hat eine Chinesin beim hochklassigsten Marathon des Jahres den Stars die Show gestohlen und damit ein Zeichen gesetzt: Die 28-jährige Chunxiu Zhou sorgte mit ihrem Sieg beim London-Marathon in der Jahresweltbestzeit von 2:20:38 Stunden für das beste Resultat des Tages. Weder beim London-Marathon noch bei einem der anderen großen vier Läufe der World Marathon Majors (WMM) – Boston, Berlin, Chicago, New York – hatte es jemals zuvor einen chinesischen Sieg gegeben. Ebenso nicht bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen.

Schnellster Läufer war bei warmen Temperaturen von bis zu 25 Grad in der Sonne Martin Lel, der in 2:07:41 gewann. Der Kenianer hatte beim London-Marathon bereits vor zwei Jahren triumphiert und war 2006 Zweiter. Lel verdiente in London insgesamt 80.000 Dollar. Während Haile Gebrselassie (Äthiopien) aufgab, wurde Weltrekordler Paul Tergat (Kenia) Sechster in 2:08:05. 35.500 Läufer waren beim größten Frühjahrs-Marathon am Start.

Von der Möglichkeit eines ,Chinese Takeaway’ hatte die britische Presse im Vorfeld des London-Marathons mit seinen 35.500 Teilnehmern geschrieben. Genau das passierte beim hochklassigsten Rennen des Jahres über die 42,195 Kilometer: Chunxiu Zhou schnappte sich den Sieg. Die Chinesin, die im vergangenen Jahr in Seoul mit 2:19:51 Stunden ihre Bestzeit in Seoul gelaufen war und damit die achtschnellste Läuferin aller Zeiten ist, verdiente sich in London neben der Siegprämie von 55.000 Dollar weitere 50.000 Dollar an Zeitprämien.

Lange Zeit hatte im Rennen der Frauen die Cross-Weltmeisterin Lornah Kiplagat (Niederlande) für das Tempo gesorgt. Bei der Halbmarathonmarke, die in 69:58 Minuten erreicht war, führte die geborene Kenianerin eine fünfköpfige Spitzengruppe: Hinter ihr liefen neben Zhou noch Berhane Adere (Äthiopien), die später in der Wärme mächtig einbrechen sollte und schließlich in 2:39:11 nur Zehnte wurde, die spätere zweitplatzierte Gete Wami (Äthiopien/2:21:45) und Constantina Tomescu-Dita (Rumänien), die am Ende in 2:23:55 Rang drei belegte.

Bei Kilometer 30 rannten noch Wami und Kiplagat hinter Zhou. Doch als die Chinesin schließlich bei 38 km noch einmal das Tempo forcierte, konnte keine andere mehr mithalten. Die Chinesin, die im vergangenen Jahr Asien-Meisterin im Marathon wurde, stürmte zum größten Sieg ihrer Karriere. Das 5-km-Stück zwischen 35 und 40 km lief sie in 16:39 Minuten. „Es war mein erster Start bei einem westlichen City-Marathon – ich war nicht nervös“, sagte Chunxiu Zhou. „Dieser Sieg ist eine enorme Motivation für mich.“

Über vier Millionen Dollar, so viel wie kein anderes Rennen in der Welt, investierte der London-Marathon alleine für Antrittsgelder für die Elite-Athleten. Bei den Männern stand das wohl hochkarätigste Feld in einem City-Marathon aller Zeiten am Start. Angesichts der Konkurrenz-Situation und der hohen Temperaturen war allerdings von vornherein keine Jagd auf den Weltrekord von Paul Tergat, der 2003 in Berlin 2:04:55 Stunden gelaufen war, zu erwarten.

Die Tempomacher führten neun Läufer nach 63:39 Minuten durch die Halbmarathonmarke. Zuvor hatte bereits der Olympiasieger Stefano Baldini den Kontakt zur Spitze verloren. Später gab der Italiener auf. Das erwartete Duell der beiden Superstars, Haile Gebrselassie und Paul Tergat, platzte dann bei 30 km erneut in London. Im vergangenen Jahr hatte Tergat aufgrund einer Wadenzerrung nicht antreten können, dieses Mal stieg Gebrselassie aus. „Ich hatte so starke Seitenstiche, dass ich nicht richtig atmen konnte. Irgendetwas lief schief, ich kann nicht sagen warum“, erklärte Haile Gebrselassie. „Die Hitze war nicht das Problem“, fügte der Äthiopier hinzu, der im September 2006 in Berlin bei ähnlichen Temperaturen in 2:05:56 Stunden seine persönliche Bestzeit gelaufen war.

Noch bei Kilometer 40 waren sechs Läufer an der Spitze: Lel, der marokkanische Debütant Abderrahim Goumri, der Vorjahressieger Felix Limo (Kenia), der zweifache Weltmeister Jaouad Gharib (Marokko), der Südafrikaner Hendrick Ramaala und Tergat. Während der Weltrekordler und dann Ramaala auf der letzten Meile den Kontakt verloren, lieferten sich die anderen vier einen packenden Schlussspurt auf den letzten 500 Metern. In der drittschnellsten Zeit des Jahres gewann Lel mit nur drei Sekunden Vorsprung auf Goumri. Weitere drei Sekunden zurück wurde Limo vor Gharib Dritter. Beachtlich war neben dem Debüt von Goumri auch jenes von Ryan Hall (USA), der als Siebenter 2:08:24 lief.

„Es war von der Besetzung her das hochklassigste Rennen, in dem ich jemals gelaufen bin. Deswegen ist dieser Sieg für mich noch wertvoller als der vor zwei Jahren“, erklärte der 28-jährige Sieger Martin Lel. Im vergangenen Jahr hatte er in einem ähnlichen Schlussspurt Rang zwei hinter Felix Limo belegt. „Ich habe daraus gelernt – so etwas durfte mir nicht noch einmal passieren“, sagte Lel.