2500 Jahre Marathon – großes Jubiläum in Athen 2010
Von Jörg Wenig
Der moderne Marathon ist seit seiner Entstehung ein spektakuläres Ereignis. Vielen Menschen ist sicherlich noch das beeindruckende sporthistorische Jubiläum in guter Erinnerung, als der Boston-Marathon zum 100. Mal ausgetragen wurde. In der jüngeren Vergangenheit gab es noch zwei weitere große Marathonrennen bei denen Laufsport-Geschichte geschrieben wurde: Im September 1990, knapp ein Jahr nach dem Fall der Berliner Mauer, wurde der erste Berlin-Marathon durch Ost und West gestartet. Ebenso bewegend und auch politisch bedeutend war das Rennen durch New York im November 2001. Zwei Monate nach den Terroranschlägen gaben Läufer, Zuschauer und die gesamte Stadt eine friedliche Antwort auf die Gewalt.
Im nächsten Jahr wird in Griechenland das größte Jubiläum in der Geschichte des klassischen Laufes gefeiert: 2.500 Jahre Marathon! 490 vor Christus wurde der Marathonlauf in Griechenland geboren. In Gedenken an dieses besondere Ereignis, findet nun der 28. Athens Classic-Marathon auf der historischen Strecke von Marathon nach Athen am 31. Oktober 2010 statt. „Der nächste Athens Classic-Marathon wird ein herausragendes Rennen sein und für jeden Läufer wird es etwas ganz Besonderes sein, an diesem Marathon teilzunehmen. Das Rennen 2010 kann ein ähnliches Highlight wie der 100. Boston-Marathon 1996 oder der erste Berlin-Marathon nach dem Fall der Mauer 1990 werden”, erklärte Horst Milde, der Vorsitzender eines Symposiums war, das die Association of International Marathons and Distance Races (AIMS) in Marathon Anfang November veranstaltete. „Es ist ein Jubiläum, das für ein Sportkonzept steht, das Menschen in der ganzen Welt begeistert. Marathon wird von vielen als persönliche Messlatte für Gesundheit, Fitness und Erfolg angesehen”, fügte der AIMS-Direktor und frühere Organisator des Berlin-Marathons hinzu. Es wird erwartet, dass die limitierten Startnummern des Rennens in Athen schnell vergeben sein werden.
Der Ursprung des Marathons
Der Marathonlauf – ohne Zweifel immer wieder eine der dramatischsten Entscheidungen bei Olympischen Spielen – hat seinen Ursprung in der Schlacht von Marathon 490 vor Christus. Damals gingen die Perser bei ihrem Angriff auf die Attika-Halbinsel in der Nähe der Stadt Marathon an Land, um diesen Teil Griechenlands mit der Stadt Athen zu erobern. In dieser für die Griechen wegweisenden und strategisch geschickten Schlacht gelang es ihnen jedoch, erstmals die zahlenmäßig überlegenen Perser zu besiegen und sie damit entscheidend zurückzuschlagen. Nicht wenige Historiker gehen davon aus, dass diese Schlacht und der Sieg der Griechen auch für die Entwicklung der gesamten europäischen Kultur von entscheidender Bedeutung waren.
Um den Sieg im knapp 40 Kilometer entfernten Athen zu vermelden, wurde ein Bote geschickt: Pheidippides rannte die Strecke ohne anzuhalten in voller Kampfausrüstung und verkündete in Athen: ,Nenikékamen’ (,Jubelt: Wir haben gewonnen’). Dann brach er tot zusammen, heißt es. Legende oder Wirklichkeit? Man geht eher von einer Legende aus. Allerdings berichtet Yannis Emiris in dem 2004 zu den Olympischen Spielen in Athen erschienenen Buch ,Marathon Run’, dass es Historiker gibt, die davon ausgehen, dass es sich genau so zugetragen hat. Der Geschichtsschreiber Herodotus, der die Hauptquelle bezüglich der Überlieferung der Schlacht von Marathon ist, erwähnte diesen ersten ,Marathonlauf’ jedoch nicht. Erst bei anderen, wesentlich später lebenden Historikern, taucht Pheidippides auf, schreibt Emiris.
Mit Hilfe von laufenden Boten wurden in der Antike in erster Linie Briefe befördert. Die Läufer legten dabei große Strecken zurück, wie zum Beispiel von Athen nach Sparta. Pheidippides war einer von ihnen und soll diese Distanz von knapp 250 Kilometern auch vor der Schlacht von Marathon gerannt sein, um Hilfe von Sparta anzufordern. Er erreichte Sparta angeblich einen Tag, nachdem er in Athen losgelaufen war.
Der erste olympische Marathon 1896 in Athen
In der Vorbereitung auf die ersten modernen Olympischen Spiele, die im April 1896 in Athen stattfanden, suchten die Initiatoren um Pierre de Coubertain nach einem Wettbewerb, der eng mit der antiken Historie Griechenlands verknüpft ist. Es war dann Coubertains Landsmann, der Franzose Michel Bréal, der zwei Jahre vor der Olympia-Premiere bei einem Treffen in Paris vorschlug, einen Langstreckenlauf zu organisieren, in Erinnerung an den Lauf des Boten Pheidippides nach der Schlacht von Marathon. Damit wurden sowohl die Strecke als auch die Bezeichnung festgelegt: Der Marathon führte von Marathon in die olympische Arena von Athen, das Panathinaikon-Stadion.
Dass es ein Grieche war, der dieses Rennen gewann, erfüllte die Menschen mit großem Stolz. Spiridon Louis, ein aus Maroussi in der Nähe von Athen stammender Schafshirte, erreichte das Ziel nach 2:58:50 Stunden und wurde zu einem Volkshelden in seinem Land.
Die Distanz des Marathons betrug damals rund 40 Kilometer. Die Strecke war auch bei den folgenden Olympischen Spielen nie genau festgelegt. Zum ersten Mal wurden bei Olympia in London 1908 genau 42,195 km gelaufen. Diese krumme Distanz auf dem Weg vom Schloss Windsor ins Olympiastadion kam deswegen zustande, weil sich das Ziel vor der königlichen Loge befinden musste. Das Internationale Olympische Komitee beschloss 1914 zunächst eine Marathonlänge von genau 42 Kilometern. Doch nachdem die Strecke in Amsterdam 1920 auf 42,75 km verlängert worden war, gab es erneut Diskussionen. Es war schließlich die Weltrekord-Kommission des internationalen Leichtathletik-Verbandes IAAF, die ein Jahr nach den Spielen von Amsterdam entschied, dass die Distanz fortan so wie in London 1908 genau 42,195 km betragen soll.
Der Marathon bei Olympischen Spielen ist für die Topläufer noch heute ein bedeutendes Ereignis in dieser Disziplin. Doch während es früher nur wenige andere große Rennen gab – darunter waren die jährlichen Marathonläufe in Boston, Fukuoka (Japan) oder Chiswick (London) – erlebte der Lauf in den 80er Jahren einen ersten internationalen Boom. Weltweit entstanden erstklassig besetzte City-Marathonrennen mit großen Teilnehmerfeldern mit dem New York City-Marathon als Vorbild.
Der heutige Athens Classic-Marathon
In Griechenland veranstaltete der nationale Leichtathletik-Verband SEGAS zunächst ab 1955 alle zwei Jahre einen Marathon für Topathleten auf der Originalstrecke, der aber natürlich die offizielle Länge von 42,195 km hatte. Mitte der 70er Jahre verschwand diese Veranstaltung, weil das Interesse der Eliteläufer sich auf leichtere Rennen konzentrierte und zudem anderswo zunehmend Preisgeld geboten wurde. 1983 startete SEGAS dann den Athens Classic-Marathon, der seitdem jährlich auf der Originalstrecke veranstaltet wird.
Der Punkt-zu-Punkt-Kurs von Marathon nach Athen ist außerordentlich schwer. Die ersten rund 12 km der Strecke sind flach und führen unter anderem um die Gedenkstätte der Schlacht von Marathon herum. Anschließend geht es zunächst allmählich und ab Kilometer 20 deutlich bergauf. Rund 10 km vor dem Ziel ist der höchste Punkt der Anhöhe zwischen Marathon und Athen erreicht. Von gut 200 Metern Höhe geht es dann mehr als 100 Meter bergab bis ins Ziel im Panathinaikon-Stadion. Die antike Arena wurde ursprünglich 330 vor Christus errichtet. Nach und nach zerstört, wurde das Stadion schließlich für die Olympischen Spiele 1896 neu errichtet.
Die langgezogene Marmor-Arena, deren Laufbahn nicht wie in heutigen Stadien üblich 400, sondern 333,33 Meter misst, war auch bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 1997 und bei den Olympischen Spielen 2004 Zielpunkt des Marathons, der auf der historischen Strecke veranstaltet wurde. Die Kursrekorde des Rennens wurden jeweils bei Olympia 2004 aufgestellt. In extremer Sommerhitze lief damals der Italiener Stefano Baldini 2:10:55 Stunden, und die Japanerin Mizuki Noguchi gewann Gold nach 2:26:20. Die Veranstaltungsrekorde des Athens Classic-Marathon halten der Kenianer Paul Lekuraa (2:12:42/2008) und die Russin Svetlana Ponomarenko (2:33:19/2007).
Das große Jubiläum 2010
In den letzten Jahren ist die Teilnehmerzahl des Athens Classic-Marathon kontinuierlich gestiegen. Noch vor vier Jahren registrierten die Veranstalter 4.223 Läufer, 2009 waren es insgesamt bereits 11.825 Athleten aus rund 50 Nationen. Hier sind Wettbewerbe über kürzere Distanzen eingeschlossen. Der Marathon verzeichnete zuletzt 5.610 Läufer, wobei bemerkenswert ist, dass über 50 Prozent dieser Zahl aus dem Ausland kommt. Im nächsten Jahr wird aufgrund des 2.500-Jahre-Jubiläums der größte Athens Classic-Marathon stattfinden. Zurzeit haben die Veranstalter ein Limit von nur 8.500 Läufern gesetzt. Lassen sich allerdings logistische Probleme lösen, dürften deutlich mehr Meldungen angenommen werden. „Ich rechne damit”, sagte Horst Milde, „dass 2010 zwischen 20- und 30.000 Läufer in Marathon an den Start gehen wollen.”
Eine Reihe von Veranstaltungen rund um das Rennen am 31. Oktober sind in Vorbereitung. So wird es zum Beispiel an der Marathon-Gedenkstätte eine Eröffnungsfeier geben, bei der das Marathon-Feuer entzündet wird. In Athen ist eine Veranstaltung geplant, bei der Marathon-Legenden im Mittelpunkt stehen werden. Die Historie des Marathons soll ebenfalls dargestellt werden. Zudem findet an den Tagen vor dem Rennen der AIMS-Kongress 2010 in Marathon statt.
„2010 wird es 2.500 Jahre her sein, dass der Name Marathon zu einem Synonym wurde für Anstrengung und Mut sowie zu einem Symbol für Kultur und Demokratie. Die Stadt Marathon, die ich repräsentieren darf – was mir eine besondere Ehre ist – begrüßt dieses große Jubiläum, das die Werte herausstellen wird, die hier geboren wurden und dann ihren Weg um die ganze Welt gefunden haben”, sagte Spyridon Zagaris, der Bürgermeister der Stadt Marathon.
„Es könnte keinen besseren Ort geben als die Gedenkstätte der Schlacht von Marathon, um unsere Verpflichtung gegenüber dem Laufsport, die auf Fairplay, Freundschaft und Frieden beruht, zu bekunden”, erklärte Paco Borao, der Vize-Präsident von AIMS, ein Jahr vor dem Jubiläum an der Gedenkstätte von Marathon. „Als Königsdisziplin der Olympischen Spiele wird der Marathon sein Image von Ethik, Solidarität und Frieden weiter repräsentieren. AIMS”, so Paco Borao, „hat sich dazu verschrieben, in Zusammenarbeit mit der IAAF weltweit weiter für den Laufsport zu werben und das Wissen sowie die Erfahrung zwischen den Rennen der AIMS auszutauschen, um unseren Sport gut zu entwickeln. Millionen von Menschen betreiben den einfachsten, gesündesten und billigsten Sport im Leben: Laufen.”
Baraos Worte sind ein Tribut an das älteste Rennen der Geschichte. Obwohl Pheidippides sagenumwobener Lauf bereits zwei und ein halbes Jahrtausend her ist, inspiriert und begeistert der Marathon noch immer weltweit Millionen von Läufern.
Erschienen am 26. November 2009
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- Erschienen am 26. November 2009